Montag, 18. August 2014

Das Ästhetische ist sinnlich.


  
Die Verwandtschaft zwischen Ästhetik und Sinnlichkeit (aisthesis) ist nicht nur etymologisch, sondern sachlich. Es ist nämlich die Besonderheit des menschlichen Hirns, daß es die Sinneswahrnehmungen von vorn herein ausstattet mit einem Surplus jenseits-ihrer, welches sie bedeuten sollen: Es wird eine Erwartung geweckt! (Insofern ist das Neue doch eine ästhetische Qualität!) Beim Schmerz ist das offenkundig, daß er auf „mehr“ verweist, als er selbst „ist“, ebenso bei der Lust. Allerdings jeweils immer nur bis zu einem jeweiligen Höhepunkt - wo dann das Bewußtsein aussetzt: Ab da sind Schmerz und Lust anästhetisch. - Evident auch bei den Freuden und Ärgernissen des Gaumens, in der Spanne zwischen Hunger und Sättigung.

Die Griechen haben ihren Tonarten je bestimmte Empfindungsqualitäten zuschrieben, bis heute immer wieder, gestritten wird nicht, ob, sondern ob eher diese oder eher jene... Was ist daran kulturspezifisch?
So die Wirkungen der Farben aufs Gemüt. Aber den Eskimo wird das Grün anders stimmen als den Amazonasindianer; ebenso das Weiß. Schon wenn sie zu Hause sind. Aber wie erst, wenn sie in der Fremde sind! Generell wird das Licht anders „wirken“ in der afrikanischen Wüste als im tropischen Regenwald, und anders am Polarkreis. Nicht zu reden von Wärme und Kälte...

Sofern solche sinnlichen Gemüts-Wirkungen stammesgeschichtlich überkommen sind, unterscheiden sie sich aber nicht prinzipiell von kulturspezifischer Tradition; sie sind nur eben seit unermeßlich längerer Zeit seligiert - bereits durch „Zuchtwahl“, nicht erst durch „Erziehung“: kif-kif...

Mit dem Ästhetischen i. e. S. haben sie immer dies gemein: Ihre „Wirkungen“ sind unmittelbar - d. h. nicht erst durch „Praxis“ zu vermitteln; das Werten geschieht uno actu mit dem Gewahren. Daß eine je stammesgeschichtliche oder kulturelle Auslese dahintersteht, ist für das Individuum unerheblich und ließe sich erst durch rather sophisticated wissenschaftliche Reflexion erweisen.

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