Samstag, 24. Oktober 2015

Noch einmal Zurbarán - in Düsseldorf.


Hl. Franziskus
aus textezukunst

Zurbarán - Eine neue Perspektive 

von Alexandra Matzner

Das Museo Thyssen-Bornemisza in Madrid und das Museum Kunstpalast in Düsseldorf widmen dem spanischen Barockmaler Francisco de Zurbarán eine Retrospektive mit 47 Werken — die erste in Deutschland. Ergänzt wird die Schau durch sieben Stillleben seines jung verstorbenen Sohnes Juan, dessen Eigenständigkeit in den letzten Jahrzehnten zunehmend entdeckt wurde. Aktuelle Restaurierungen und neue Zuschreibungen an die beiden Spanier lassen einen frischen Blick auf deren Werke zu. Darüber hinaus werden auch Zurbaráns Werkstattmitarbeiter erstmals vorgestellt: Juan Luis Zambrano, die Brüder Francisco und Miguel Polanco, Ignacio de Ries, Bernabe de Ayala und der unbekannte Meister von Besançon.


Juan Luis Zambrano, Tod des Pedro de Nolasco

Neben Diego Velázquez (1599—1660) war Francisco Zurbarán der wichtigste Künstler seiner Generation in Spaniens „Goldener Ära“. Die überraschende Einfachheit, Ruhe, ja Stille seiner Kompositionen werden besonders bewundert. Zurbarán eignete sich für seine Bilder der Askese, der mönchischen Disziplin und des militanten Katholizismus früh einen gesteigerten Naturalismus an. Wenn er auch kein genialer Erfinder neuer Bildlösungen war, so schuf er dennoch leicht lesbare Interpretationen religiöser Szenen, sogar dann wenn er die Leben der Heiligen erstmals illustrierte. Zurbarán zeigt ein ausgesprochenes Interesse an den taktilen Qualitäten von Objekten, edlen Stoffen, Schaffell usw., was ihn auch zu einem exzellenten Maler von Stillleben werden ließ. Beeinflusst von seinen berühmten Zeitgenossen Velázquez, Cano und im Späterk auch Bartolomé Esteban Murillo (1617—1682), inspiriert von italienischen und nordeuropäischen Kupferstichen und in ständiger Auseinandersetzung mit der polychromierten Skulptur Spaniens, entwickelte er sich schon früh zu einem herausragenden Koloristen.


Francisco de Zurbarán wurde am 7. November 1598 in Fuente de Cantos, einem Dorf in der ländlichen Provinz Badajoz in der Extrematura geboren. Vom 15. Januar 1614 datiert sein Ausbildungsvertrag mit Pedro Diaz de Villanueva in Sevilla, wo Zurbarán für drei Jahr blieb. In dieser Zeit machte er Bekanntschaft mit Francisco Pacheco (1564—1644), Juan de Roelas (um 1570—1625) und Francisco Herrera dem Älteren (um 1590—um 1654), die Begründer des Sevillaner Naturalismus, sowie mit seinen Zeitgenossen Alonso Cano (1601—1667) und Diego Velázquez (1599—1660). Ohne die Meisterprüfung abzulegen, kehrte Zurbarán in die Extremadura zurück. Er arbeitete als Maler in Llerna, der Hauptstadt der Priorei von San Marcos de Leon. Von dem hier entstandenen Frühwerk ist nichts überliefert. Im Jahr 1626 erhielt er einen ersten Auftrag für Sevilla: Am 17. Januar trafen Zurbarán und Vater Diego de Bordas, Prior von San Pablo el Real (Dominikaner) eine Vereinbarung über 14 Gemälde aus dem Leben des heiligen Dominikus sowie sieben Väter und Doktoren der Lateinischen Kirche. Innerhalb von acht Monaten sollten die Bilder ausgeführt sein, Zurbarán verdiente die überschaubare Summe von 4.000 Real. In den fünf erhaltenen Gemälden zeigt sich die koloristische Fähigkeit des jungen Malers.


Petrus erscheint dem hl. Pedro de Nolasco, 1629

Skulpturale Malerei und gegenreformatorische Mystik

Zurbarán verbrachte sein Leben in der Folge hauptsächlich in Sevilla, wo er ab 1629 Andachtsbilder, Altäre und Bildzyklen für zahlreiche Klöster der Dominikaner, Franziskaner und Marcederier-Orden schuf. Diese Auftragslage bestimmte sowohl die Motive wie auch die Atelierarbeit des Künstlers, der bereits in Llerna über mehrere Mitarbeiter verfügte. Zurbaráns Stil ist realistisch, detailgenau, seine Figuren wirken geometrisch und skulptural. Diese Wirkung erzielte er vielfach mit Hilfe von Licht und Schatten, zudem nutzte er die dunkle Hintergrundfolie als Kontrast. Einfache, statische Kompositionen sind durch eine genaue Darstellung der Oberflächenbeschaffenheit von Objekten charakterisiert. Dadurch haben seine Gemälde einen stillen und universellen Charakter.



Es gibt eine Kreuzigung von Zurbaráns Hand, die hinter einem Gitter der wenig beleuchteten Kapelle gezeigt wird, und jeder, der sie sieht, und es nicht weiß, glaubt, dass es eine Skulptur sei.“[1] So schrieb der spanische Kunstkritiker und Maler Antonio Palomino um 1720 über Francisco de Zurbarán. Zurbarán wurde mit dieser „Kreuzigung“, die er 1627 für das Dominikaner-Kloster San Pablo el Real in Sevilla gemalt hatte, berühmt (heute: Art Institute of Chicago). Er präsentierte den Gekreuzigten vor schwarzem Hintergrund. Helles Licht fällt von rechts auf den zusammengesunkenen Leib und modelliert dessen Volumen mit tiefen Schlagschatten. Damit setzte sich Zurbarán nicht nur mit der zeitgenössischen, realistisch bemalten Skulptur auseinander, sondern auch mit den tatsächlich vorhandenen Lichtverhältnissen an den Bestimmungsorten der Gemälde.



Ähnlich verfuhr er auch mit dem beeindruckenden Hl. Serapion (1628) aus dem Wadsworth Atheneum in Connecticut und zwei düsteren Versionen des Hl. Franziskus in Kontemplation (um 1635) aus der Londoner National Gallery sowie aus St. Louis. Der datierte und signierte Hl. Serapion“ gilt als Probestück des Künstlers für einen großen Auftrag für die Casa Grande de la Merced Calzada (Mecedarier Kloster). Im Gegensatz zu einigen Zeitgenossen - vor allem Bildhauern - lag Zurbarán nichts daran, die Drastik des Martyriums durch das Zeigen von Wunden hervorzustreichen. Mit größter Würde und Präzision schildert Zurbarán die letzten Momente des einfachen Mönchs. Das caravaggieske Licht modelliert den Körper des Heiligen genauso überzeugend wie dessen weißen Habit. Zurbaráns Farbmeisterschaft zeigt sich u. a. in der Modulation von Weißtönen. Im Zeitalter der Gegenreformation nutzten viele Klöster die Überzeugungskraft von Bildern und beauftragten Künstler wie Zurbarán mit Zyklen zu ihren Ordensgründern, wichtigen Märtyrern und heiligen Jungfrauen. Für die private Andacht schuf der Maler ikonische Werke wie das Agnus Dei“ (Lamm Gottes), die symbolisch aufgeladene Darstellung eines gefesselten Lammes mit Heiligenschein, und Das Haus von Nazareth, häusliche Szenen aus der Kindheit Mariae.


Christus und Maria  

Zurbarán am Hof in Madrid und als Maler von modebewussten Jungfrauen

Diego Velázquez lud seinen Freund Zurbarán 1634 ein, an den Dekorationen für den Königssaal (auch „Reichssaal“) im neuen Buen Retiro Palast mitzuarbeiten. Dieser Auftrag ermöglichte Zurbarán, sich von seinen monastischen Auftraggebern zu lösen und sich mit mythologischen Szenen zu beschäftigen. Neben einer Serie zu den Arbeiten des Herkules (Prado) führte er zwei großformatige Historien aus, die in bemerkenswert realistischem Stil ausgeführt wurden. Damit haben die Gemälde einen Sonderstatus im Werk Zurbaráns, der als „Maler der Mönche“ bezeichnet wurde. Seine Autorschaft wurde trotz Quellen von Palomino und Ponz bald vergessen und erst wieder 1945 zweifelsfrei belegt. Neben diesem höfischen Auftrag arbeitete Francisco de Zurbarán nur noch an der Dekoration eines Schiffs, dessen Bau König Philipp IV. zu Ehren des heiligen Ferdinand, König von Kastilien und Leon befahl.


Herkules und Zerberus, 1643

Zurück in Sevilla malte Zurbarán ab 1636 wieder für Klöster und Pfarrkirchen. Seine weiblichen Heiligen wirken wie Andalusierinnen mit fast profanem Charme, während die verfeinerte Eleganz ihrer Kleider sie als „göttliche Porträts“ erscheinen lassen. Die seit dem Frühwerk skulptural aufgefassten Figuren zeigen eine subtile Verbindung zwischen Realismus und Mystik. Die Heilige Casilda“ (um 1635, Museo Thyssen-Bornemisza, Madrid) war die Tochter des Morisken-Königs von Toledo, Abu al-Hasan Yahya al-Mamun. Als sie zum Christentum konvertierte, begann sie die verfolgten und inhaftierten Christen im Kerker ihres Vaters zu besuchen und mit Essen zu versorgen. Als sie eines Tages dabei erwischt wurde, verwandelten sich die Brote in den Falten ihres Gewandes auf wundersame Weise in Blumen. Der hohe Gerad an Realismus - vor allem was die Stoffe und die Juwelen anlangt - verliehen dieser Figur eine starke Präsenz und Monumentalität. Nach seiner Reise nach Madrid im Jahr 1634 verfeinerte Zurbarán den Umgang mit Farbe noch mehr, wie auch die Heilige Apollonia (um 1636-1640, Louvre) zeigt.


Hl. Casilda

Juan de Zurbarán – eine Neuentdeckung

Zurbaráns Sohn Juan starb mit nur 29 Jahren vermutlich an der Beulenpest (1649). In der Ausstellung werden seine höchst seltenen Stillleben mit jenen seines Vaters verglichen. Im Jahr 1938 wurde im Kiewer Khanenko Museum ein Stillleben gereinigt, die Signatur von Juan de Zurbarán (1620–1649) und die Datierung 1640 gefunden. Seither wurde ein kleines Œuvre des jung verstorbenen Künstlers gefunden, nur drei Stillleben sind signiert und datiert. Mit Ausnahme von zwei großen Altären für die Rosenkranz-Bruderschaft in Carmona in der Nähe von Sevilla schuf Juan de Zurbarán ausschließlich Stillleben. Erst jüngst erzielten sie hohe Preise am internationalen Kunstmarkt.


Juan de Zurbarán, Sillleben mit chinesischer Schale

Schon das früheste datierte Traubenstillleben (1639, Privatsammlung) des Neunzehnjährigen zeigt die malerischen Fähigkeiten. Im Gegensatz zu seinem Vater orientierte sich Juan de Zurbarán deutlich an flämischen und italienischen Vorbildern. Dramatische Beleuchtung und extremes Chiaro-scuro setzen die „barockeren“, weil prunkvolleren Inszenierungen von Juan de Zurbarán von den „einfachen“ Stillleben seines Vaters ab. Das 1985 erstmals präsentierte Stillleben mit Apfelkorb und Quitten (um 1645, Museu Nacional d’Arte de Catalunya) zeigt eine Beeinflussung des Künstlers durch den Madrider Stilllebenmaler Juan van der Hamen y León (1596–1631). Die aus wenigen, genau beobachteten Früchten bestehenden Kompositionen wirken dennoch monumental und machten ihren Schöpfer einst berühmt. Ein Werk signierte er sogar mit dem vornehmen „Don“ und heiratete 1641 Mariana de Quadros, die Tochter eines Rechtsanwalts in der Real Audiencia von Sevilla. Die Pestepidemie 1649 beendete frühzeitig die kurze Karriere des talentierten Malers.


Juan de Zurbarán, Stillleben mit Äpfeln und Orangen

Auch Juans Vater Francisco schuf nur wenige Stillleben, das einzige signierte befindet sich im Norton Simon Museum in Pasadena. In den Ausstellungen in Madrid und Düsseldorf ist das späte Stillleben mit Keramik und Schale (1650–1655, Museu Nacional d’Art de Catalunya) zu sehen. Vater und Sohn konzentrierten ihre Aufmerksamkeit auf Details und qualitätsvolle Ausführung, die stilistisch an neapolitanische Stillleben, deren realistische Texturen und dramatische Licht-Schatten-Wirkungen anschließen. Thema und Motive kamen den lebensechten Darstellungsweisen der beiden Künstler entgegen.

Das südamerikanische Abenteuer

Die in den Jahren 1638 und 1639 entstandenen Zyklen für Klöster gelten als die Höhepunkte von Zurbaráns Werk. Dazu gehört der Zyklus für die Hieronymiten von Guadalupe in Caceres, der sich noch vor Ort befindet, und jener für die Kartäuser in Jerez de la Frontera, der im 19. Jahrhundert zerteilt wurde. Nach 1640 konzentrierte sich Zurbarán auf Serien von stehenden Figuren, beginnend mit den Aposteln von Lissabon (1633) und gefolgt von Arbeiten für den südamerikanischen Kunstmarkt. Letztere führten fast zum Ruin des Künstlers, da er kein Geld für die nach Amerika geschickten Gemälde erhielt.


Hl. Bartholomäus, Lissabon

Wie andere Kaufleute auch musste Zurbarán seine Waren dem Kapitän eines Handelsschiffs übergeben, der es an einen Meistbietenden verkaufen sollte. Das Risiko blieb beim Maler, da er die Bezahlung erst nach der Rückkehr dieses Schiffes aus der Neuen Welt erhielt. Ob der wirtschaftliche Niedergang Sevillas oder die Konkurrenz durch den jungen Sevillaner Maler Bartolomé Esteban Murillo (1617–1682) - oder auch beide Gründe - für den Export der Gemälde verantwortlich waren, muss offen bleiben. Während der 1640er-Jahre arbeitete die Zurbarán-Werkstatt immer öfter für den amerikanischen Markt. Im Jahr 1647 bestellte beispielsweise die Schwester Oberin des Klosters La Encarnacion in Lima Gemälde für die Kirche, die sie mit 2.000 Pesos (16.000 Reales) auch bezahlte. Zwölf reitenden Caesaren hatte er nach Peru geschickt, und 1649 sandte Zurbarán eigene Gemälde, flämische Landschaften und Malutensilien nach Buenos Aires. Die Hinwendung zu den spanischen Kolonien begann nachweislich 1636, da sich Zurbarán 1640 in einem Rechtsstreit mit Kapitän Diego de Mirafuentes befand. Dieser hatte vier Jahre zuvor einige erstklassige Gemälde von Zurbarán in Kommission genommen, um sie in den amerikanischen Kolonien zu veräußern. Da der Kapitän diese Werke wohl zur Dekoration seines Schiffes verwendete, waren sie beschädigt und unverkäuflich. Wenn auch das Geschäft mit Mittel- und Südamerika lukrativ war, so waren die Risiken kaum abzuschätzen. Da die großen Aufträge für Klöster zurückgingen, beschäftigte sich Francisco de Zurbarán in seinen letzten Jahren zunehmend mit Andachtsbildern für eine gehobene Klientel.


Vision des hl. Pedro de Nolasco 1629

Kindlicher Charme und weiche Formen

Der Spätstil des Sevillaner Künstlers ist von einer Hinwendung zu einem süßeren und feineren Ausdruck gekennzeichnet. Einerseits ist er vom Geist der Gegenreformation getragen und andererseits mit der Entwicklung von Bartolomé Esteban Murillo (1617–1682) vergleichbar. Erst mit der internationalen Ausstellung zum 400. Geburtstag des Künstlers 1987/88 in Sevilla wurde diese Phase der künstlerischen Produktion einem weiteren Publikum bekannt.


aus der Kindheit Marias

Seither wird die weichere, hellere Erscheinung von Zurbaráns späten Werken geschätzt und, wie bereits oben erwähnt, mit der Auseinandersetzung mit dem jungen Malerstar Murillo erklärt. In seinen letzten Lebensjahren führte Zurbarán auch kleinformatigere Andachtsbilder für eine neue aristokratische Klientel aus. Die lebensnahe Darstellung erscheint noch mehr gesteigert, die dunklen Farben verdrängt, Formen und Licht weicher. Zu den außergewöhnlichsten Werken der Ausstellung zählt zweifellos der späte Johannes der Täufer (um 1659, Privatsammlung). Das querformatige Bild zeigt hinter der Hauptfigur eine tiefe, verblauende Flusslandschaft, in der rechts die Taufe stattfindet. In diesem Gemälde scheint sich der Spanier mit den Werke von Joachim Patinier (um 1480—1524) am Madrider Hof auseinandergesetzt zu haben. Das Spätwerk des seit Ende Mai 1658 in Madrid lebenden Künstlers ist von nahsichtigen Darstellungen heiliger Figuren, allen voran die Madonna mit Kind sowie die Kindheitsgeschichten von Maria und Jesus, bestimmt. Zu den Neuentdeckungen zählt Die mystische Vermählung der hl. Katharina (1660—1662, Privatsammlung Schweiz), die 2001 erstmals wieder Zurbarán zugeschrieben wurde. Das Werk dürfte identisch sein mit der „Mystischen Vermählung“, die sich noch nach Francisco de Zurbaráns Tod in dessen Werkstatt befand. Das wenige Jahre vor seinem Ableben entstandene Werk spiegelt die Hinwendung des Künstlers zu einer lichtvollen Palette, einer poetischen Atmosphäre und weichen Modellierung wider.


Museum Kunstpalast, Düsseldorf
10. 10. 2015 - 31. 1. 2016


Stillleben mit Tasse und Rose

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