Freitag, 22. April 2016

Das Reindekorative wird ästhetisch unterschätzt.



Übrigens ist das rein Dekorative stärker in Verruf, als ihm zukommt. Die allererste Kunst, die allererste ästhetische Betätigung der Menschen soll nach inzwischen allgemeiner Auffassung die Körperbemalung gewesen sein, und zwar wohl am Anfang als bloßer Schmuck, soziale und wohl hauptsächlich totemistischen Bedeutungen werden erst nach und nach dazugekommen sein. (Die ersten Bemalungen - schon bei Homo erectus in Südafrika - werden aus bloßem Auftragen von Ocker bestanden haben, doch so oder anders: eine Form werden sie wohl gehabt haben, anders geht es nicht.)

Als sich die Kunst vom Körper und mit der Zeit ganz aus dem Alltäglichen gelöst und zum Kult verselbständigt hat, ist im Alltagsgebrauch der Wunsch nach Schmuck und Verschönerung übriggeblieben, und wenn's nur Bänder waren, die man in die Keramik ritzte. Das hatte, anders als die Kultgegenstände, keinen andern Zweck als 'ohne Interesse zu gefallen', und bedeutete gar nichts. In einem ganz spezifischen Sinn ist der volkstümliche Wunsch nach Dekoration eine viel 'nachhaltigere' Quelle des Ästhetischen als die bedeutende Kunst mit höherem Anspruch.

Dass letzthin die Trivialkunst immer weiter und womöglich tiefer in die Hohe Kunst eindringt, die ihrerseits nicht mehr recht weiß, was sie eigentlich noch malen und in Töne setzen soll, erscheint dadurch in einem ganz andern Licht und wirkt wie eine historische Richtigstellung.

Gefallen muss es einem deswegen ja noch nicht.

 

Es hat auch seinen tieferen Sinn, dass man, als die Kunst abstrakt zu werden begann, sogleich verstand, dass Design nunmehr eine eigene Kunstgattung war.





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