Montag, 17. Juli 2017

Nachtrag zu Otto Freundlich.

 
Sphärischer Körper, 1924

Die Neue Zürcher bringt heute einen Bericht von Maria Becker zur Otto-Freundlich-Retrospektive in Basel. Daraus ein paar Stellen:

...Wie ein roter Faden zieht sich durch sein Leben, dass er Mitgliedschaften in künstlerischen und politischen Vereinigungen kündigte. Er war der Auffassung, dass seine Arbeit erst von künftigen Generationen verstanden werden könne.

Freundlich setzte selbst Zäsuren, um seine künstlerische Vision zu gestalten. So entstehen die Farbprismen seiner abstrakten Bilder seit den zwanziger Jahren aus einem persönlichen Erweckungserlebnis. Freundlich war fasziniert von der mystischen Strahlkraft und der Handwerkskunst der mittelalterlichen Glasfenster und wohnte 1914 ein halbes Jahr im Nordturm der Kathedrale von Chartres. ...

 Komposition um 1932.

Die Erfahrung von Chartres hatte Freundlich bewusstgemacht, dass er in seiner Kunst eine kosmische Ordnung gestalten wollte, die Architektur und Farbe verbindet. Es muss für ihn eine Befreiung und Öffnung gewesen sein, weg von der Erdenschwere und Dunkelheit der früheren Plastiken und Bilder. Die Prismen sind aufgesplitterte Formen der Welt. An ihnen wird eine Art Dechiffrierung der Erscheinungen sichtbar, hinter der nicht nur ein geistiges Prinzip, sondern naturwissenschaftliche Erkenntnisse stehen. Es war nicht so sehr eine Frage der Abstraktion, deren Dogmatik Freundlich nicht für sich in Anspruch nahm. Eher steht hinter den Bildern und Mosaiken der dreissiger Jahre ein Impuls, Materie in eine überpersönliche Vision zu transformieren.

Die visionäre Tendenz von Freundlichs Kunst zeigt sich allerdings nicht allein am Spätwerk. Sie ist ein Grundzug seines künstlerischen Antriebs. Die frühen Plastiken – Maskenporträts und archaisch anmutende, monumentale Köpfe – sind kraftvolle Arbeiten, die hinter dem malerischen Werk nicht zurückstehen. Geschlossenheit und ein fast tragisch grundierter Ausdruck sind ihnen eigen. Freundlich nahm – wie viele Künstler seiner Zeit – Einflüsse der aussereuropäischen Kunst in sein Schaffen auf, die sich mit kubistischen und expressiven Vorbildern verbinden. ...

Kosmisches Auge 1921

Nota. - Kunsthistorisch spielt es eine Rolle, ob sich ein Maler bei seiner ästhetischen Wahl von außerästhetischen thema- tischen und programmatischen Motiven hat leiten lassen oder nicht. Für die ästhetische Betrachtung kommt aber nur in Betracht, was jedermann mit eigenen Augen sehen kann, ohne vorher theoretische Manifeste studiert zu haben. Das gilt für Otto Freundlich genauso wie für Wassili Kandinsky.
JE

 

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