Freitag, 20. Januar 2017

Joel Shapiro im Kunstmuseum Winterthur.

Der amerikanische Bildhauer Joel Shapiro lässt sich gerne vom Zufall überraschen. Jede Arbeit könne auch anders aufgehängt werden, sagt der Künstler.
 aus Der Landbote, 11.01.2017

Zwischen Himmel und Erde 
Befreit von der minimalistischen Strenge, beginnen die farbigen Holzfiguren des Bildhauers Joel Shapiro zu tanzen und zu fliegen. Das Kunstmuseum Winterthur zeigt eine Werkauswahl des amerikanischen Künstlers.

von Adrian Mebold 

Der 1941 in New York geborene Joel Shapiro musste gestern auf dem Rundgang durch die Ausstellung lächeln, als er sich an sein einstiges Rebellen-Image erinnerte – ein Ruf, den er sich in den 1970er Jahren mit seiner Opposition gegen die Minimal Art zugezogen hatte. Das war damals beinahe ein heroischer Akt.
 

Denn der auch als New Yorker Kunstpapst amtierende Künstler Donald Judd (1928-1994) hatte seine Idee vom «specific object» zum künstlerischen Imperativ erhoben. Weder figurative Referenzen noch erzählerische Momente wurden geduldet.
 

Judds kunstheoretisches Machogehabe beeindruckte Shapiro offensichtlich wenig. Und dennoch spürt man etwas vom strengen Geist der Minimal Art in der fensterlosen «Kapelle» des Kunstmuseums-Erweiterungsbaus, wo zwölf geometrische Eisen- und Bronzegussobjekte direkt auf dem grauen Betonboden ausgelegt sind. Sie stammen aus den 1970er Jahren. Nicht nur von der Grösse her verweigerte der junge Shapiro seinen Stücken den Anspruch des Monumentalen. Sehr subtil unterlief er auch Judds Negation des Inhaltlichen, indem etwa ein Öffnung im Volumen auf eine Behausung anspielt. 



Auch die Emanzipation vom Diktat des flachen Bodens und der Ganzheitlichkeit wird subtil sichtbar gemacht. In der hintersten Ecke, beinahe versteckt und gelassen inszeniert, gelingt einer Miniaturskulptur die Metamorphose vom Block zur liegenden Figur mit abstraktem Torso, Beinen und Armen.
 

Das Miniformat ist keineswegs nur formal bedingt. Im Gespräch gesteht der Künstler, dass die Miniaturisierung, nicht nur in dieser Kleinskulptur, auch ein Ausdruck einer persönlichen Befindlichkeit sei. Später, im grösseren Massstab, lernte diese Bronze das Gehen und Tanzen und wurde schliesslich zur wichtigen Leitfigur, mit der Shapiro beachtliche Erfolge in Museen und Sammlungen weltweit feiert, auch im öffentlichen Raum, etwa beim Holocaust Memorial in Washington D.C.
 

Leidenschaft für Experimente
 

Im Ablauf der Ausstellung stösst man vermutlich erst zum Schluss auf diese frühe Werkphase, die – ohne Hintergrundinformation und als Kontrast zu den anderen drei Sälen – wie ein stimmungsmässiger Antiklimax wirkt. Geradezu beglückend sind nämlich die drei Haupträume bestückt, mit Ausnahme der als Fries angeordneten Reliefs alles Werke der letzten zehn Jahre.
 

Und sie zeigen einen Künstler mit einer höchst experimentellen, an die Avantgarde der Moderne erinnernden Haltung. Shapiro erkundet dabei den Umgang mit Materialien (Brettchen, Vierkanthölzer, Fäden, Draht), Farben (vielfach kaseinfarben) und vor allem die Erprobung verschiedener Präsentationsformen.

 
«Das Letzte, das ich anstrebe, ist, mich selbst zu langweilen», kommentiert Shapiro die Vielfalt seiner Raumcollagen. Nicht mit Hammer und Meissel aus Marmor gehauen, sondern mit seinen Händen und mit der Nagelpistole bewaffnet fügt er die buntfarbigen Holzstücke zu kompakten Assemblagen oder entwirft Szenerien mit intensiver erzählerischer Assoziationskraft. Museumsdirektor Dieter Schwarz erinnerte an Alberto Giacomettis surrealistisch inspirierte Mini-Bühnen.
 

Sich überraschen lassen
 

Bewegte Shapiro seine Skulpturen vom Boden weg und fixierte sie an der Wand, so erscheint die Hängung im Raum der radikalste und zugleich der spielerischste Schritt in einer an Überraschung reichen Entwicklung. Doch ganz anders als Calder spannt Shapiro seine abstrakten Konfigurationen, oftmals mehr fragile Raumzeichnungen als materielle Skulptur, an Fäden und Drähten zwischen Decke und Boden. Das ist so herrlich intuitiv gebastelt und entsteht aus dem Moment. Der Betrachter sieht gar ein fragiles Holzskelett gefährdet, als Shapiro in didaktischer Absicht daran demonstrieren will, wie er vorgeht. «Das lassen wir wohl besser bleiben», meint er mit einem komplizenhaften Lächeln. «Jede Arbeit könnte eigentlich auch anders aufgehängt werden. Ich mag die Kontingenz, die andere Möglichkeit, die mich dann selbst überrascht». 



Eine deutliche Absage an das Konzept der zwingenden Notwendigkeit. Schöner als im letzten Saal könnte man diese Offenheit nicht erleben, wo dünne, farbig bemalte Bretter wie zwischen Himmel und Erde aufgespannt sind, aufgewirbelt und getragen von einem zufälligen Windstoss.
 

Joel Shapiro: Floor Wall Ceiling. Kunstmuseum Winterthur, Museumstrasse 52. Bis 17. April.


 
aus nzz.ch,                                                   Study (20 Elements) 2004

Die Grazie der Marionette
Joel Shapiro zeigt im Kunstmuseum Winterthur eine Auswahl seiner Skulpturen – und manchmal spielt er ein bisschen Gott.

von Susanna Koeberle

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Jochen Ebmeier






 20 elements im Musé d'Orsay

Nota. - Calder, Bauhaus, Tinguely, ja und warum nicht Malevitsch! Das kommt einem alles in den Sinn, wenn man diese Sachen sieht, und mehr noch dem, der mehr kennt als ich. Ein Potpourri, nichts Eigenes, nichts Besonderes? Ja, schon. Aber was für die Augen, besser kann sich Kunst nicht rechtfertigen (vor Leuten, die das von ihr erwarten).


PS. Er malt auch, aber das gefällt mir nicht.
JE


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