aus Tagesspiegel.de,
Diese Königin der Kunst
Ein Ereignis: In Wörlitz sind „Unbekannte Schätze“ der klassizistischen Malerin Angelika Kauffmann zu entdecken.
St. Peter, links, und St. Paul, beide 1758
Schon als junges Mädchen war sie ihrem Vater mit ihrem zeichnerischen Talent aufgefallen. Angelika reiste zur weiteren Ausbildung früh nach Italien und England, wo sie in London ab 1766 mit 25 Jahren ein eigenes Atelier betrieb: vom königlichen Hof mit Aufträgen bedacht und als Miterneuerin der britischen Historienmalerei 1768 eine von zwei Frauen unter den 22 Gründungsmitgliedern der Royal Academy. Später wurde Kauffmann noch von den Akademien in Bologna, Florenz, Rom und Venedig aufgenommen und alsbald von London bis Neapel zum oft auch von männlichen Konkurrenten beargwöhnten Star der Szene. Herder, der sie wie Goethe in Rom besuchte, nannte Kauffmann 1789, im Jahr der Französischen Revolution, „diese zarte Seele“, eine „liebe Madonna“ – und „vielleicht die kultivierteste Frau in Europa“.
Winckelmann
Die zarte Seele, die eine allgemein bewunderte Bibliothek besaß und in deren Salon in Rom neben dem Italien-Reisenden Goethe oder dem Dichter Karl Philipp Moritz auch die Malerfreunde Philipp Hackert und Tischbein verkehrten, war zudem eine emanzipierte Kauffrau. Die Künstlerin und Networkerin mit Auftraggebern in ganz Europa darf als damals wohl reichste Frau gelten, die allein von ihrer Hände und ihres Geistes Arbeit lebte.
Seit diesem Wochenende wird Angelika Kauffmann nun mit zahlreichen zum Teil noch nie öffentlich gezeigten Gemälden und Druckgraphiken in einer außergewöhnlichen Ausstellung im „Luisium“, dem einstigen Wohnhaus der Fürstin Louise von Anhalt-Dessau, direkt neben dem Schloss im Park des Wörlitzer Garten- und Wasserreichs präsentiert. Ein Ereignis, eine gute Fahrstunde von Berlin.
Vor zwanzig Jahren gab es zuletzt eine größere Kauffmann-Schau, damals in Düsseldorf und München. Seitdem wurden manche verschollen geglaubte Werke der Künstlerin wiederentdeckt oder durch Zu- oder Abschreibungen der Authentizität neu bewertet. Eine maßgebliche Rolle spielt dabei die Kunsthistorikerin Bettina Baumgärtel, Leiterin der Gemäldegalerie im Museum Kunstpalast in Düsseldorf und dort verantwortlich für das „Angelika Kauffmann Research Project“, das an einem Werkverzeichnis der in Rom begrabenen, dort auch im Pantheon gewürdigten Künstlerin arbeitet.
Lady Elizabeth Foster 1785
90 der 150 Gemälde stammen von einem ungenannten Sammler
Baumgärtel schätzt das gesamte Oeuvre Angelika Kauffmanns auf etwa 2500 Werke, davon gut 800 Ölbildnisse. Doch vieles gilt als verschollen, selten tauchen noch Originale im Kunsthandel auf und müssen, wie Baumgärtel sagt, in den letzten Jahren vermehrt von Kopien und Fälschungen geschieden werden. Die Düsseldorfer Kunsthistorikerin ist nun Kuratorin der Wörlitzer Ausstellung, die 2019 ans Vorarlberg Museum Bregenz weiterzieht und zugleich wohl eine Basis bedeutet für eine von Baumgärtel kuratierte Werkschau 2020 in London.
Das Besondere in Wörlitz: Ein lieber ungenannter österreichischer Sammler (gleichfalls aus dem Vorarlberger Raum), der in den letzten fünfundzwanzig Jahren die weltweit größte private Kollektion von Werken und Dokumenten Angelika Kauffmanns aufgebaut hat, er ist auch ein Liebhaber von Wörlitz: dieses zur Zeit der Aufklärung und eines neuen europäischen Kulturbewusstseins dank der Fürstin Louise und ihres kunstsinnigen wie sozialpolitisch engagierten Ehemanns Leopold III. zu einem Juwel gewordenen Schloss- und Gartenreichs. Louise war eine Freundin und Förderin Angelikas, sie saß ihr in Rom als Bildungsreisende Modell – und ihr so entstandenes Porträt gehört in Wörlitz zum festen Bestand.
Goethe
Der erwähnte ungenannte Sammler indes hat zusammen mit Familienmitgliedern für die im doppeltem Plural „Unbekannte Schätze aus Vorarlberger Privatsammlungen“ annoncierte Ausstellung etwa 90 von knapp 150 Exponaten zur Verfügung gestellt. Fast alle werden zum ersten Mal gezeigt. Dazu gehören außer etlichen Ölbildern auch eine Mehrzahl der oft kopierten und variierten, im Original aber nur vierzig überlieferten Radierungen mitsamt einer hier ausgelegten Radiernadel aus Kauffmanns Besitz. Oder als Dokumente Briefmanuskripte der Künstlerin und eine zu Lebzeiten gefertigte Abschrift ihres Testaments. Die Erfolgreiche hatte ihre eigene Sammlung (zu der auch ein Leonardo gehörte) sowie weitere Preziosen großzügig an ärmere Verwandte, Freunde und Bedürftige vermacht. Kauffmann selbst, die in jungen Jahren einem Heiratsschwindler aufgesessen war und, schnell geschieden, sich erst als Enddreißigerin mit dem 14 Jahre älteren venezianischen Maler Antonio Zucchi in einem Zweckbündnis vermählte, hatte keine eigenen Kinder. Und wie schon ihr Künstler-Vater erkannte auch Zucchi das überlegene Talent Angelikas an, er verstand sich vornehmlich als Gehilfe, der für die Gattin sogar als Buchhalter tätig war. Damals ein höchst ungewöhnlicher Fall.
Eigentlich ist Angelika Kauffmanns Leben und Werk, anders als bei manchen späteren Schwestern im Künstlerinnengeist – ob Camille Claudel, Paula Modersohn-Becker oder Frida Kahlo – eine ganz ungebrochene Erfolgsgeschichte. Doch nicht nur Goethe hat bei seiner Freundin auf Augenhöhe auch den Schatten der Melancholie wahrgenommen.
Selbst, 1770-75
Schon beim Entree der im Obergeschoss des (noch auf Jahre hinaus sonst wegen Sanierung geschlossenen) Luisiums beginnenden Ausstellung begegnet man der leisen Schwermut vor allem vieler Frauengestalten. Kauffmann stellt sie sehr häufig mit leicht geneigtem, ins Profil gewendeten Kopf dar und fast immer nur mit dem berühmten Halblächeln, das seit „Mona Lisas“ Zeiten Porträts gerne in einer geheimnisvollen Schwebe hält. Bei Kauffmann, die natürlich Botticelli, Raffael und auch Rembrandt studiert hat, paart sich die weichzeichnende Empfindung mit dem beseelten Blick, selbst auf Körper. Ein Schmelz, der nur selten, wie bei einem halbnackten Blütenmädchen („Flora“) aus der Vorarlberger Sammlung, auch ins leicht Süßliche gleitet.
Weitere Leihgaben aus London, Wien und Berlin
Man erkennt den Barock und Klassizismus in der eigenen schwebenden Eleganz verbindenden Kauffmann-Touch sogleich bei einem Hauptwerk, „Amor und Psyche“, in dem eigentlich zwei feminine Körper, Gesichter, Seelen einander zu trösten scheinen. Das Meisterwerk von 1792, das hier ursprünglich im Schlafzimmer der Fürstin Louise hing (den Rahmen zimmerte der Kollege Tischbein persönlich), es wurde in den 1980er Jahren von Erben des Hauses Anhalt-Dessau in die Schweiz verkauft. Das wäre heute unter dem neuen Kulturgutschutzgesetz kaum noch möglich. Jetzt ist es vom Kunsthaus Zürich erstmals seit zehn Jahren wieder ausgeliehen worden.
Die in Zusammenarbeit auch mit dem Kauffmann-Museum im idyllischen Schwarzenberg im Bregenzer Wald zustande gekommen Schau kann darüber hinaus mit weiteren Leihgaben prunken: aus London, Wien, aus einer finnischen Sammlung oder auch der Berliner Gemäldegalerie mit ihrer berühmten, aus weiblicher Perspektive so unspekulativ keuschen „Bacchantin“. Zu den Raritäten gehören in einem eigenen Raum für Kauffmanns Illustrationen literarischer Stoffe etwa zwei Entwurfzeichnungen in Sepia zu Goethes auf der Italienreise geschriebenem „Egmont“. Oder man sieht von der 17-jährigen Angelika ihre frühreifen Ölporträts der Apostel Petrus und Paulus aus der Zeit, in der sie mit ihrem Vater Johann Joseph Kauffmann bereits die Kirche im heimatlichen Schwarzenberg/Vorarlberg mit Fresken ausgemalt hatte.
Was zudem nicht fehlt, ist Angelika Kauffmanns letztes Gemälde „Schwanengesang“ und „Maria Magdalena in der Wüste“, 1807 in Rom kurz vor ihrem Tod gemalt und jetzt erstmals ausgestellt. Diese Königin der Kunst spiegelt sich in der Heiligen Sünderin, mit einem hellsichtig verdunkelten Blick zum Himmel.
Der Schauspieler David Garrick
Nota. - Dies erklärt sowohl ihren großen Erfolg zu Lebzeiten als auch das rasche Vergessen nach ihrem Tod: Sie traf viel zu genau den Geschmack ihrer Zeit. Rokoko-Klasssizismus, ja - aber mythische und Historienszenen wie das Kopfbild waren die seltene Ausnahme in ihrem Werk (oder nur in der Überlieferung?); die weit überwiegende Masse sind perfekte Porträts nach dem Vorbild des hier abgebildeten Joshus Reynolds; konventioneller gar als jener, der immerhin nicht verschmähte, seine Porträts mit profanen Landschaften auszustatten. Angelica Kauffmann bevorzugt immmernoch stereotype Ideallandschaften. Und Genreszenen oder Rustikales kommen bei ihr schon gar nicht in Frage. Als sich der Geschmack Europas weiterentwickelt hatte, fanden nicht einmal mehr die Kunsthistoriker etwas an ihrem Werk, das sie als etwas wenigstens formal Besonderes herausstellen konnten.
Dies kann ich mir zum Schluss nicht verkneifen: Selbst von Seiten der üblichen Verdächtigen habe ich bis heute nicht gehört, dass sie habe "kämpfen müssen", weil sie "eine Frau" war. Das hat ganz offenbar ihrem Erfolg in keinem Moment entgegengestanden; vielleicht trifft sogar das Gegenteil zu.
JE
Bildnis eine Lady als Vestalin
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen