Freitag, 28. Dezember 2018

Der ästhetische Zustand - gehirnphysiologisch.

aus scinexx                                                                                                                       van Gogh, Sternennacht

Gute Kunst wirkt nach 
Unser Gehirn reagiert in überraschender Weise auf gute Kunst.

Tiefgehender Eindruck: Was passiert in unserem Gehirn, wenn wir ein Kunstwerk betrachten? Diese Fragen haben nun Forscher erstmals mittels Hirnscans beantwortet – und Überraschendes entdeckt. Denn bei Bildern, die wir als besonders beeindruckend empfinden, schaltet sich ein Hirnnetzwerk ein, dass normalerweise nur unser Innenleben steuert. Lässt uns das Bild dagegen kalt, bleibt auch dieses „Default Mode Netzwerk“ stumm. 

Schönheit liegt nicht nur im Auge des Betrachters, sondern vor allem im Gehirn. Denn erst die Reaktion unseres Denkorgans entscheidet, ob ein ästhetischer Reiz bei uns Wohlgefühl auslöst oder nicht. Studien zeigen, dass gleich mehrere Netzwerke im Gehirn reagieren, wenn wir etwas als schön empfinden. Auch unser Belohnungszentrum ist beteiligt und ruft das besonders Glücksgefühl hervor.

Blick ins Gehirn beim Kunstgenuss

Doch gerade bei der Betrachtung eines Kunstwerks bleibt unser Eindruck oft nicht statisch, sondern verändert sich mit der Dauer des Anschauens. Stellen wir uns vor, wir betrachten van Goghs „Sternennacht“ zum ersten Mal. Vielleicht fällt uns zuerst das Vorherrschen der Farbe Blau auf. Dann schauen wir genauer hin und entdecken die Sterne und die Farbringe um sie herum. Schließlich nehmen wir das kleine Dorf und seine Details wahr. Dabei wirkt das Blau des Himmels immer noch nach.

Was im Gehirn bei einer solchen Kunsterfahrung abläuft, haben nun Amy Belfi von der Missouri University of Science and Technology näher untersucht. Für ihre Studie baten die Forscher ihre Probanden, sich jeweils 15 Sekunden lang ein Kunstwerk auf dem Bildschirm anzuschauen. Während dieser Zeit zeichnete ein funktioneller Magnetresonanz-Tomograf (fMRT) die Hirnaktivität der Teilnehmer auf.

Netzwerk fürs Innenleben

Das Ergebnis war überraschend: Immer dann, wenn die Probanden ein Bild als besonders bewegend oder beeindruckend empfanden, wurde in ihrem Gehirn das sogenannte Default Mode Netzwerk (DMN) aktiv. Dieses Netzwerk jedoch feuert normalerweise vor allem dann, wenn wir uns der inneren Nabelschau hingeben – wenn wir tagträumen, geistig abschalten oder auch in leichtem Schlaf liegen.

Normalerweise müsste daher die Aktivität des Default Mode Netzwerks sinken, wenn wir ein Bild betrachten. Denn dann verarbeitet das Gehirn vornehmlich äußere ästhetische Reize. Tatsächlich blieb das DMN auch immer dann stumm, wenn die Studienteilnehmer ein Kunstwerk anschauten, das sie nicht attraktiv fanden, wie die Forscher berichten. 

Überraschende Aktivität 

Anders aber ist es, wenn ein Kunstwerk uns besonders gefällt: „Finden wir ein Kunstwerk ästhetisch ansprechend, werden Teile des DMN wieder aktiv, obwohl der Fokus auf der Außenwelt – dem Kunstwerk – liegt“, berichtet Koautor Edward Vessel vom Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik. Unser Default Mode Netzwerk bleibt dann über die gesamte Zeit der Betrachtung aktiv.
 
Nach Ansicht der Forscher belegt dies, dass die Wirkung eines besonders beeindruckenden Kunstwerks erst durch die Kombination äußerer Reize und innerer Reaktionen zustande kommt. Unsere Aufmerksamkeit ist dabei einerseits auf die Außenwelt, andererseits auf unser Innenleben gerichtet. „Wir konnten beobachten, dass dieser Hirnzustand relativ selten eintrat und wahrscheinlich ein Merkmal für bewegende ästhetische Erfahrungen ist“, sagt Belfi. (NeuroImage, 2018; doi: 10.1016/j.neuroimage.2018.12.017)

Quelle: Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen