Mittwoch, 18. Dezember 2013

Knipsen und fotografieren.

aus NZZ, 14. 12. 2013                                                                                          Hermann Heid, Viehauktion in Wien, um 1871

Eine Art Esperanto
Beim urheberrechtlichen Schutz von Bildern tut eine neue Praxis not.  


Von Peter Herzog 

Das schweizerische Urheberrechtsgesetz (URG) schützt Werke der Fotografie, wenn diese dem Kriterium der «geistigen Schöpfung individuellen Charakters» genügen. Wert und Zweck eines Werkes sollen dabei unerheblich sein. Da sich das Medium Fotografie in mancherlei Hinsicht von Gemälden unterscheidet, gilt es herauszufinden, wann und unter welchen Bedingungen der gemalten Bildern meist grosszügig gewährte Urheberrechtsschutz auch für Fotografien Gültigkeit haben sollte. Wir stellen nämlich immer wieder fest, dass dies rechtsprechenden Organen grosse Probleme bereitet. Es gilt also, Abgrenzungskriterien zu finden, die es erlauben würden, Schützenswertes vom nicht Schützenswerten zu trennen.

Die NZZ hat mir rückwirkend die Verbreitung ihrer Inhalte untersagt. Ich werde sie nach und nach von meinen Blogs löschen  Jochen Ebmeier
Paul Freiberger Im Springturm, um 1931.



Rudolf Koppitz Komposition , 1925




 Instagram


Instagram


Werner Bischof, In den Anden um Cusco, Peru, 1954 (Magnum)


Dr. Peter Herzog leitet als Jurist zusammen mit seiner Frau Ruth Herzog die in Basel domizilierte Fotosammlung Fondation Herzog.

 René Burri, Rio de Janeiro, 1960 (Magnum)


Nota.

Das ist eine reife Leistung: Er schreibt über das Urheberrecht, ohne das Wort Internet auch nur zu gebrauchen. Da ist das Urheberrecht zum Urheber einer ganz neuen, Abmahnindustrie genannten Gewerbeart geworden. Ich bin Blogger, ich weiß, wovon ich rede. Und da spielt die Frage, ob es sich bei dem Foto um eine «geistige Schöpfung individuellen Charakters» handelt, gar keine Rolle.

Keine Rolle spielt auch, und das ist der eigentliche Skandal, ob es sich um eine gewerbliche Nutzung des Fotos handelt. Wer ein Foto, das ihm nicht gehört, klaut und ins Internet stellt, um einen Gewinn zu machen, den nicht er, sondern ein anderer verdient hat, wird zur Kasse gebeten - das ist einsichtig und völlig in der Ordnung. Wer dem andern, der mit seinem Foto einen Gewinn machen wollte, den Gewinn beeinträchtigt, indem er sein Foto ebenfalls benutzt, sollte ihm den Ausfall ersetzen - das versteht sich ebenso von selbst (wenn es auch schwieriger darzustellen ist).

Das wäre auch kein Problem, wenn es eben nicht inzwischen das Internet gäbe. Denn dort trifft die Annahme, dass die Veröffentlichung eines Bildes eo ipso eine Verwertung darstellt, nicht mehr zu. Solange veröffentlichen drucken bedeutete, war das anders. Denn da war unweigerlich ein Gewerbebetrieb im Spiel, dessen Inanspruchnahme mit Geld bezahlt wurde. Das Veröffentlichen eines Bildes, Foto oder Gemälde, war in jedem Fall eine "gewerbliche Nutzung". 

Das ist beim Veröffentlichen im Internet nicht notwendig der Fall. Gibt es mehr gewerbliche oder mehr nichtgewerbliche Websites? Das wird sich kaum auszählen lassen. Dass es mehr nichtgewerbliche als gewerbliche Blogs gibt, lässt sich allerdings vermuten. Im Einzelfall, um den es bei einem gerichtlichen Verfahren geht, ist es aber unschwer festzustellen. 

Andererseits ist auch nichtmehr still vorauszusetzen, dass der Erstveröffentlicher im Internet auch der Eigentümer des Bildes ist, noch dass er dabei einen gewerblichen Zweck verfolgt, den man durch eine Zweitveröffentlichung beeinträchtigen könnte. Es ist nicht einmal vorauszusetzen, dass der Eigentümer des Bildes, sofern er auch der Erstveröffentlicher ist, eine Zweitveröffentlichung nicht gewünscht hat! Massenhaft gibt es Spaßfotos, politisch-weltanschaulich-ästhetisch getönte Bilder, sogar Selbstporträts, die geradezu in der Erwartung gepostet werden, dass sie ihre Runde um die Welt machen. Ob oder ob nicht, sieht man den Bildern selber nicht an. Für den Eigentümer, der eine Weiterverbreitung seines Bildes - und da spielt es überhaupt keine Rolle, ob es ein 'Werk' oder nur was Geknipstes ist - nicht wünscht, ist es ein Leichtes, es mit einem entsprechenden Vermerk zu versehen. Wer dem dann zuwider handelt, wird sich über eine Abmahnung nicht beklagen dürfen.

Denn aus welcher Quelle das Bild ursprünglich kam, einer gewerblichen oder nichtgewerblichen Website, ist den Bildern auch nicht mehr anzusehen, wenn man sie nämlich über eine Suchmaschine gefunden hat. Die Erwartung an einen Blogger oder Betreiber einer Website, in jedem Einzelfall den Eigentümer des Bildes zu ermitteln und die Erlaubnis zu einer Weiterverwendung einzuholen, ist vertretbar, wenn er damit einen Gewinn machen will. Wenn ihm die Mühe zuviel ist, kann er seinen Gewinn ja anderswo suchen. Für eine Website oder ein Blog, das nichtgewerblich aus didaktischen, ästhetischen oder gar wissenschaftlichem Interesse betrieben wird, liefe es praktisch darauf hinaus, die Milliarden oft ganz außerordentlichen Bilder, die im Internet kursieren, vorsichtshalber überhaupt nicht mehr zu nutzen, weil er sich sonst eine Flut von Abmahnungen auf den Hals laden könnte.

Oder erleben muss, dass seine Blogs von einer gesichts- und namenlosen Vorsehung unwiderbringlich gelöscht werden.

Sie ahnen es, lieber Leser:  Ich habe Ihnen soeben erzählt, wie und weshalb mein knappes Dutzend Blogs, das am Ende fünfzehnhundert bis zweitausend Besucher täglich hatte, von der Firma Gugel aus dem Netz genommen worden ist (wie ich annehme, denn eine eigentliche Begründung habe ich bis heute nicht erhalten). Diejenigen unter Ihnen, die von dort den Weg zu diesen meinen neuen Blogs gefunden haben, werden mir zugeben: Das war ein Verlust nicht nur für mich. So etwas sollte künftig nicht mehr möglich sein.
JE





Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen