Mittwoch, 25. Dezember 2013

Wenzel Hollar in Straßburg.

aus Badische Zeitung, 13. 12. 2013                                                                                                            Mainmündung

Die Liebe zum Wasser
"Kupferner Herbst": Der barocke Grafiker Wenzel Hollar in einer Straßburger Schau.

von Hans-Dieter Fronz 


Er war der Fleißigsten und künstlerisch Sorgfältigsten einer, aber am Ende seines Lebens stand er nahezu nackt da. Wenzel Hollar starb so arm, dass seine letzten Worte die Bitte an den Gerichtsvollzieher gewesen sein sollen, ihm nicht auch noch das Sterbebett zu pfänden. So jedenfalls ist es überliefert. Der ganze ungeheure Arbeitseifer – neben rund 400 Zeichnungen existieren von seiner Hand über 3000 Radierungen und Kupferstiche–, die vielen Ortswechsel und Reisen auch, sie trugen ihm am Ende nicht viel mehr ein als ein beachtliches Renommee zu Lebzeiten und den Nachruhm, einer der besten Grafiker des 17. Jahrhunderts gewesen zu sein. Ökonomisch schöpften andere den Rahm dessen ab, was er mit Zeichenstift und Radiernadel schuf.

 

Das Straßburger Kupferstichkabinett nennt über 160 druckgrafische Werke Hollars sein eigen. Einen Querschnitt daraus bietet eine Ausstellung im Musée des Beaux-Arts. Deutlich wird nicht nur Hollars thematische Vielseitigkeit – neben Landschaften und Veduten weist sein Œuvre Porträts und Illustrationen der Kleidermode verschiedener Regionen, Seestücke oder Tierdarstellungen auf. Deutlich wird auch die geradezu wissenschaftliche Neugier für alle Erscheinungen der sichtbaren Welt. Hollars unglaubliche zeichnerische Präzision in der Umsetzung der Motive dokumentiert fast jedes einzelne Blatt.


Eine Radierung von Jan Meyssens aus dem Jahr 1649 zeigt uns den Künstler, wie er, Anfang vierzig, stolz das buchdeckelgroße Porträt einer Dame vorweist – eine Radierung, wie die auf dem Tisch liegenden Arbeitsinstrumente bedeuten. Hollar lebte zu dieser Zeit in Anvers. 1607 in Prag geboren, ging er nach einem Zerwürfnis mit seinem Vater mit zwanzig Jahren auf Reisen, die ihn nach Stuttgart und 1629 nach Straßburg führten; in der Münsterstadt blieb er bis im Folgejahr. Weitere Stationen waren Frankfurt, wo er bei Matthäus Merian in die Lehre ging, Köln und Amsterdam. 1636 schloss er sich dem Gefolge des Diplomaten und Kunstsammlers Lord Thomas Howard an und lebte fortan mit Unterbrechungen in London, wo er 1677 starb.

 

 

Die Flügel der Phantasie und die naturalistischen Zügel 

Dass Hollar bei seinen Reisen mit Vorliebe Flussläufen wie Neckar, Main und Rhein folgte, findet eine motivische Entsprechung im Werk. Auffällig, dass er bei seinen Veduten regelmäßig Ansichten mit Fluss oder Strom sucht. Die Ausstellung zeigt zahlreiche Uferszenen in Straßburg, aber auch in Städten wie Köln, Bonn oder "Cobolentz" . Fast ließe sich sagen, eine Landschaft ohne Flusslauf sei für Hollar unvollständig – zumindest eine Wasserspiege- lung muss her wie in einer Ansicht von Kloster Groenendaal bei Brüssel. In "Die Fähre im Dorf" liegen im Bild-
vordergrund idyllisch kleine Boote am Ufer des Flusses. Die bauchige Schiffsform hat es Hollar auch sonst angetan. In "Seeschlacht" von 1665 kämpfen zwei feindliche Galeeren gegeneinander – und gegen das stürmisch bewegte Meer, wie auch zwei abgetakelte Galeonen in der Radierung "Das Meer", die eine Folge von sechs Miniaturen mit maritimen Motiven beschließt. Hollars Liebe zum feuchten Element ließe sich bis in seinen "flüssigen" Strich als Zeichner wie als Radierer beobachten. Mit Vorliebe auch lockert er die rechtwinklige Geometrie der Architektur seiner Stadtansichten durch üppig quellende Wolkenformationen auf. In "Der Jäger" nach einem Gemälde des flämischen Landschafters Lodewijk de Vadder wirken die in kurvigen Parallelschraffuren am Himmel treibenden Wolken wie Wasserwirbel.


In seinen Tierdarstellungen wie der Profilansicht eines Esels oder dem von oben gesehenen toten Maulwurf arbeitet Hollar akribisch nach der Natur; wo das Naturvorbild fehlt wie in dem "Löwen" von 1645, darf er die naturalistischen Zügel ein wenig lockern und der eigenen Phantasie folgen. Die Mähne des liegenden Tiers mit lang herabhängendem Seitenhaar und Löckchen über der Stirn dürfte nach der Frisurenmode der Zeit ausgeführt sein. Diese und die Kleidermode bilden Radierfolgen wie "Aula Veneris" oder "Portraits de femmes en médaillon" ab. Ein schönes posthumes Porträt von Anne Boleyn oder ein Bildnis von Charles II. zeigen Personen der Zeitgeschichte. Und neben zwei Darstellungen der vier Jahreszeiten – eine hat Straßburg zum Schauplatz – wartet die Ausstellung mit einigen von Hollar gravierten Stadtplänen auf: Brotarbeiten, wiewohl die Bezeichnung auch hier wohl eine euphemistische sein dürfte.

Musée des Beaux-Arts, Palais Rohan, 2 Place du Château, Straßburg. Bis 5. Januar, Mittwoch bis Montag 10–18 Uhr. 

 

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