aus derStandard.at, 4. April 2018, Hl. Hieronymus in der Einöde, um 1525; Detail
Cranach-Ausstellung in
Innsbruck:
Seelenkerker und Paradies zugleich
Das Motiv des Heiligen Hieronymus in der Wildnis steht im Zentrum der
Schau im Tiroler Landesmuseum
von Anne
Katrin Feßler
Innsbruck – Wie ein Kätzchen umstreicht er die Beine des Heiligen,
schlummert miezengleich zu seinen Füßen oder schlabbert Wasser von einem
Teich, wobei ihm die Mähne wie die Schlappohren eines Hundes ins Nass
hängt. Warum der Löwe, Attribut des heiligen Hieronymus, als
schmusezahmes Tierchen dargestellt wird, dafür gibt es eine Erklärung:
Der Gelehrte und Theologe aus dem fünften Jahrhundert soll dem Leu einen
Dorn aus der Pranke gezogen haben, worauf das Tier ihm treu ergebener
Gefährte wurde.
Hl. Hieronymus in der Einöde vor 1512
Im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum kann man diese netten Viechereien
nun in der Ausstellung Cranach natürlich. Hieronymus in der Wildnis
nachvollziehen. Siebzehnmal hat Renaissancekünstler Lucas Cranach der
Ältere – mal mit, mal ohne Werkstatt – den heiligen Hieronymus als Büßer
in der Einöde gemalt, so zumindest der aktuelle Forschungsstand. Neben
dem Cranach aus eigener Kollektion zeigt das Museum vier weitere dieser
Tafelbilder – ergänzt durch allerlei Vergleichswerke, etwa von Albrecht
Dürer oder dem Südtiroler Meister Marx Reichlich.
Hl. Hieronymus in der Einöde, um 1525
Hieronymus, der sich in Rom Studien der Rhetorik und Philosophie
gewidmet hatte, ist vor allem dafür bekannt, dass er als Eremit in
Syrien lebte. Er sah die Wüste als Ort der Buße an, beschrieb diesen als
"Kerker für mein sündiges Fleisch". Hieronymus war ein Modeheiliger
jener Zeit, der Büßer in der Landschaft ein Lieblingsthema des 16.
Jahrhunderts, was erklärt, warum Cranach d. Ä. derart oft und kreativ
dasselbe Thema variierte.
Hl. Hieronymus in felsiger Landschaft um 1515
Ob das Sujet allerdings mehr das Askeseverlangen jener Tage befriedigte
oder man eher an der Idee, in der völligen Abgeschiedenheit Inspiration
zu finden, Gefallen fand, ist der Wissenschaft unklar. Um 1515 zeigte
Cranach den Heiligen jedenfalls an einem aus Steinen und Holz
improvisierten Tisch. Die Einsamkeit sollte der Eremit in einem anderen
Brief auch "Paradies" nennen.
Hier die komplette Kompositon des Hieronymus in der Einöde aus dem
Ferdinandeum.
Es kreucht, fleucht, sprießt
Wer sich aufgrund der Prominenz der Marke Cranach eine große
Präsentation erwartet hat, dem sei verraten, dass es sich vielmehr um
eine Kabinettausstellung handelt. Kein Fehler, denn der Fokus
ermöglicht, sich auch der von Malern jener Zeit begierig ergriffenen
Chance zu widmen, die Natur rund um den heiligen Hieronymus
darzustellen. Und so kreucht, fleucht und sprießt es in den Malereien,
dass es eine Wonne ist: vom Eichhörnchen über Biber bis zu Falken,
Finken und drolligen Fabelwesen. Neben dem üppigen Blattwerk der Bäume
wohl keine wüstentypische Flora und Fauna. Cranach übertrug, das
erläutert Helena Pereña im zur Lektüre empfohlenen Katalog, die Wüste in
den mitteleuropäischen Wald, also auch eine Wildnis. Die verwandelte
sich vom spätmittelalterlichen Ort voller Bedrohungen, Dämonen,
Außenseiter allmählich zu einem paradiesischen Rückzugsort. Famos.
Der büßende hl. Hieronymus, 1502
Bis 7. 10.
Link
Tiroler Landesmuseum
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