Freitag, 25. Oktober 2013

Er hat ja SO recht!


Der Beschluss, an die Stelle des Palastes der Republik dort, wo früher das hohenzollernsche Stadtschloss stand, keinen zeitgenössischen Neubau, sondern eine Replik von Andreas Schlüters Barockbau zu setzen, war DIE Blamage einer ganzen Epoche. Doch im Ernst konnte an dieser politisch wie städtebaulich exponierten Stelle unmöglich das gebaut werden, was dort hingehören würde: eine anschauliche Darstellung des eben herrschenden Geistes der Zeit.

Denn wie hätte die aussehen können? 

So 


oder so;
 
eine Wahl zwischen Perst und Cholera und jedenfalls eine, die in spätestens zehn Jahren eine Diskussion entfachen würde, ob man das Ding nicht besser abreißen soll. 

Man mag es drehen und wenden, wie man will: Die Rekonstruktion des 1950 gesprengten Hohenzollern- schlosses war von allen denkbaren noch das geringste Übel.

Aus historischen Gründen? Ach, lassen wir das. Sein wir demütig und bescheiden uns mit dem irdisch Naheliegenden: wie es aussieht! 

Und da muss man ja wohl nüchtern feststellen: Der Schlüterbau mag baugeschichtlich - was weiß denn ich? - ein Markstein sein. Aber das Schönste und kulturgeschichtlich Bedeutendste am alten Hohenzollernschloss war der Ostflügel - das, was von der kurfürstlichen Residenz zu Cölln übriggeblieben war.

um 1685

Nur stand dessen Rekonstruktion in keinem Augenblick zur Diskussion. Fehlte es an Unterlagen, die einen Nachbau ermöglicht hätten? Nicht einmal Fotografien scheint es von dem wunderschönen Renaissancebauwerk zu geben,* allenfalls ein paar Ausschnitte:

 Apothekerflügel

Da also ein Disneyland à la Frankfurter Altstadt nicht in Frage kam, hat sich der Architekt Frank Stella, so stelle ich es mir vor, gedacht: Woll'n wir die Gelegenheit nutzen und den Barlinern und Barlinerinnen mal zeigen, was sie gekriegt hätten, wenn wir ihnen was Zeitgenössiches hingestellt hätten anstelle einer Hollywoodkulisse:

 Ostflügel, aktuelle Planung nach Frank Stella

Ja, das wär schlimm.

Aber das muss nicht sein, meint der Architekt Stefan Braunfels. Man kann aus der Not eine Tugend machen, wie es in der Geschichte des Städtebaus schon immer geschehen ist, und einen Gesamtentwurf nachtragen, wo anfangs gar keiner war:
 

aus Der Tagesspiegel,  25.10.2013

Berliner Stadtschloss Light  
Stararchitekt fordert Verzicht auf Ostfassade


vom Fernsehturm aus

Stellas Ostfassade? "Gibt es in Italien auch auf Friedhöfen, für die Urnen"

Ganz beiläufig kann er ganz schön boshaft sein, der ganz in schwarz gekleidete Baumeister: Ja, in Italien gebe es viele Fassaden wie die Ostfassade des Schlosses von Franco Stella: „auf den Friedhöfen – da werden Urnen reingestellt“. Die modernistische Tristesse der vierten, zum Fernsehturm und Rathaus gebende Rückseite des Schlosses fiel auch den Bauherren auf. Überarbeitet hat der Schlossarchitekt seinen Entwurf. Ist nun alles gut?


Nein, meint Braunfels, und macht aus weniger mehr. Er lässt die Ostfassade einfach weg, und verwandelt mit diesem Kunstgriff den Innenhof in einen Stadtplatz: drei schlütersche Barockfassaden geöffnet, mitten in der Stadt. Zum Blickfang wird der u-förmige Bau dadurch von Fernsehturm und Rotem Rathaus aus, die der Architekt durch einen Grünstreifen an das Schloss anbindet. Eine Flaniermeile wie Unter den Linden schwebt ihm vor. Und ein Kulisse, die dem Schloss einen zweiten Vorplatz verschafft.

 zum Fernsehturm hin
100 Millionen Euro weniger würde das Schloss kosten, wenn der modernistische Riegel wegbliebe. Sagt Braunfels, der ohnehin eine Explosion der Baukosten für das Schloss voraussagt, auf eine Milliarde statt der angekündigten 590 Millionen Euro. Das traurige Schicksal öffentlicher Bauten eben. Aber dann sagt Braunfels auch, dass „das Kosteneinsparungsargument vielleicht das Unwichtigste ist“ und dass er es vor allem gebracht habe, um Aufmerksamkeit zu erregen.

Braunfels ist ein Überzeugungstäter - es geht ihm um die Stadt

Sagt man so etwas? Überzeugungstäter wie Braunfels höchstens. Er ist davon überzeugt, dass es um die Stadt gehen muss und nicht um „autistische Einzelbauten“, wie sie typisch in der „Moderne“ seien. „Für uns alle ist aber der öffentliche Raum wichtiger als das Gebäude selber.“ So gesehen sind Fassaden der Häuser die Innenwände von Plätzen, Straßen, ja des öffentlichen Raums überhaupt – und eben nicht vor allem Außenwände eines Gebäudes. In diesem Sinne ließe die Öffnung des Schlüterhofes nach Osten eine der schönsten in Deutschland entstandenen barocken Fassaden im öffentlichen Raum aufblitzen – „und jeder würde sofort das Schloss kapieren“.

Die Blaupause seines Entwurfs, der also weniger eine architektonische als ein städtebauliche Vision ist, sind die Champs-Élysées, der Prachtboulevard von Paris, der seine Existenz einem Unglücksfall verdankt. Erst seitdem das „Tuilerien-Schloss“, ein Flügel des Louvres, abgebrannt war, und eben nicht rekonstruiert wurde, öffnet sich die frühere königliche Trutzburg auf die Stadt und schafft ein Blickachse, die über den Triumphbogen heute bis zum Hochhausviertel „La défense“ reicht.

Blick über den Louvre, die Tuilerien und den Triumphbogen nach La Défense

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Architekt Braunfels schlägt vor, die umstrittene Ostfassade beim Schloss-Neubau wegzulassen. Was halten Sie von der Idee?

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Im kleinerem Maßstab entstünde mit dem Braunfelschen Vorschlag ein ähnlicher Anziehungspunkt, der ganz beiläufig auch noch das Problem lösen würde, wie mit Marx-Engels- und Rathaus-Forum umzugehen wäre. Eine plumpe historisierende Wiedererstellung früherer Blöcke wäre ausgeschlossen, weil der neue Boulevard quer über dem alten Stadtgrundriss verliefe, um das Schloss mit dem Fernsehturm zu verbinden. Am Rand dieser Achse könnten neue Blöcke geschaffen werden, auch entlang der Querstraßen, die vom Boulevard in bestehende Quartiere hineinführen. Das wäre „der tiefere Sinn“, wie Braunfels sagt, der den „Wiederaufbau der Schlüterschen Fassaden rechtfertigen würde“. 


Nota.

Geld spielt in Berlin keine Rolle. Da kann der Herr Braunfels lange mit geringeren Kosten argumentieren. Städtebauliche Argumente? Ästhetische gar?? Der Herr Braunfels weiß wohl nicht, wo er sich befindet. Wir sind hier in Berlin, da muss er sich wohl erst noch dran gewöhnen.
JE


*) Ach was erzähl ich denn! Da ist ja ein Foto mit dem Renaissancebau links unten:

Sehen Sie sich das genau an - dann erkennen Sie, dass der Stella-Entwurf eine reine Verlegenheitslösung ist; ein Fake, weil man für eine zeitgenössische Fassade nicht den Mut oder richtiger: keine passenden Ideen hat.


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