Dienstag, 14. April 2015

Die Kunst im Leben.

Velázquez,  Triumph des Bacchus

Einstmals muß die Kunst der Künstler ganz in das Festebedürfniß der Menschen aufgehen: der einsiedlerische und sein Werk ausstellende Künstler wird verschwunden sein: sie stehen dann in der ersten Reihe derer, welche in Bezug auf Freuden und Feste erfinderisch sind.
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Friedrich Nietzsche, Fragmente I[81]


Nota. - Anfangs ist Kunst eine sonntägliche Angelegenheit. Sie steht in einem bestimmten Gegensatz zur Arbeit und hat eine spezifische Nähe zu Müßiggang und Spiel. Der eigentümlich Stoff der Kunst, das Ästhetische, ist noch ganz den Zwecken des Werktags unterworfen. Sie steht am Rande der Gesellschaft; ihr gegenüber, am andern Ende, steht sie Wissenschaft. Im neunzehnten Jahrhundert, mit dem Aufkommen der großen Industrie, beginnen sie beide, die Gewissheiten des täglichen Lebens zu untergraben. An beiden Rändern entsteht hinter den langen Kolonnen der Marktgänger eine Avantgarde.

In dem Maße, wie die Arbeit aufhört, Sinn des Lebens zu sein, hört die Kunst auf, ihr polemisch entgegenzustehen; sie wird unanstößig und die Avangarde geht selber zu Markte. Gemalt und gebildhauert wird nur noch für Milliardäre. Das verwaiste Ästhetische muss sich andere Fürsorger suchen. Das wird ihm so schwer vielleicht nicht fallen, denn mit der Entwertung der Arbeit verblassen deren Zwecke, und das Ästhetische sickert in den Alltag ein. Da bringt es nicht immer Meisterwerke hervor, vieles ist richtiger Mist, und dann ist abfällig von Massenkultur die Rede, oft nicht zu Unrecht, aber wer will an die Masse höhere Anforderungen stellen als an die Eliten?


Es wird wohl nie der Werktag zum Festtag und niemals ein jeder zum Künstler werden. Aber die Finder und Erfinder des Ästhetischen werden ein breiteres (und mannigfaltigeres) Publikum finden als die früheren Eliten.


Wie anspruchsvoll die Massen sind, hängt dann freilich davon ab, was ihnen von den Könnern geboten wird.


JE, 18. 2. 2014 




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