Sonntag, 17. Mai 2015

Das Ästhetische ist keine Erkenntnis.


Chardin, Seifenblasen

Mit dem Schönen solle der Mensch nur spielen, und nur mit dem Schönen solle er spielen, schrieb Friedrich Schiller. Nur wenn er spielt, sei der Mensch ganz Mensch. Neben dem Stofftrieb, der auf Nützlichkeit geht und den er mit den Tieren teilt, zeichne den Menschen sein Spieltrieb aus.*

Schiller war ein Künstler, den die Begegnung mit der Transzendentalphilosophie beeindruckt, aber nicht zum Philosophen gemacht hat. Philosoph war Fichte. Er hat die Transzendentalphilosophie zu einem gewissen Abschluss gebracht. Der Nachwelt galt er, zu Unrecht, als Stifter eines sog. Deutschen Idealismus, aber die Zeitgenossen hielten ihn für den Philosophen der Jenaer Romantik.** Neben den Erkenntnistrieb, der die physischen Bedürfnisse befriedigt und zuerst um dieser und nicht um der Erkenntnis willen da ist, setzt er den ästhetischen Trieb. Er entwirft Bilder um ihrer selbst willen: „das [vom ästhetischen Trieb] entworfene Bild würde nicht minder gefallen, wenn es leer wäre, und es gefällt nicht mehr, weil es zufälligerweise zugleich Erkenntnis enthält.“***

Das Gefallen am, das Geschmacksurteil über das Bild ist ohne Verhältnis zu dem, was im Bild von diesem oder jenem gemeint werden könnte. Das ästhetische Vermögen hat es nicht mit der Bedeutung des Bildes – und ob in ihm Dinge vorgestellt werden – zu tun, sondern mit seiner Erscheinung. Ob die Anschauung des Bildes irgend ein Wissen mitteilt, ist in ästhetischer Hinsicht gleichgültig, denn damit hat sie gar nichts zu tun. Wobei ganz ohne Belang ist, ob das Bild in künstlerischer Absicht entworfen oder in zweckfreier Betrachtung empfangen wurde.

Einen andern Sinn kann das ästhetische Anschauen in transzendentalphilosophischer Auffassung nicht haben. Die spätere Vereinnahmung des Schönen durch das Logische bei Hegel war, wie jede „hermeneutische“ Auffassung der Kunst, eine dogmatische, metaphysische Inversion. Sie prägt bis heute das Normalbewusstsein. Natürlich; denn die transzendentale Auffassung ist nicht normal, sondern künstlich. Bis auch sie normal wird, muss auf der Welt noch viel geschehen, und nicht nur im Denken.

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*) s. Fr. Schiller, Die ästhetische Erziehung des Menschen…, [mehrere Ausgaben]
**) Er hat in Jena mit den Schlegels unter einem Dach gewohnt.
***) Über Geist und Buchstab in der Philosophie. In einer Reihe von Briefen in: SW VIII, S. 281


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