Montag, 26. Juni 2017

Wie Mondriaan zu Mondrian wurde.

 Bei der Arbeit, Auf den Feldern 1899

Hundert Jahre "De Stijl" - das wird noch Anlass zu vielen Aussttellungen geben. Heute berichtet Georg Imdahl in der FAZ von der Piet-Mondrian-Ausstellung des Gemeentemuseums in Den Haag. Daraus hier ein paar Stellen:

"Die Utopien der Moderne sind gescheitert. Doch an kaum etwas anderem arbeitet sich die zeitgenössische Kunst noch immer so leidenschaftlich und ergiebig ab wie an der gescheiterten Moderne, ihren Folgen und ihren künstlerischen Wortführern (bei einer jüngeren Documenta galt sie gar als „unsere Antike“). 

Geinrust Farm in Watery Landscape, 1905

Tatsächlich hat Mondrian manches beschworen, was heute nicht mehr als konsensfähig gelten dürfte. Etwa die Überwindung eines zufälligen, unberechenbaren, nach seinen Worten „tragischen“ Lebens durch Kunst im Zeichen größtmöglicher Reinheit. Oder seine Hymne auf die Großstadt, publiziert in einer der ersten Ausgaben der Künstlerzeitschrift „De Stijl“, die vor hundert Jahren von Mondrians Künstlerkollegen Theo van Doesburg begründet wurde und übers Jahr hinweg Anlass für eine Reihe niederländischer Gedenkausstellungen bietet: In der „Weltstadt“ sei die Natur „entwirrt und durch menschlichen Geist geordnet“, daher sei sie der Ort, von dem aus sich künftig das „mathematisch künstlerische Temperament entwickelt“. ...
  
Mill of Heeswijk Sun,  c. 1905


Auch Mondrians pragmatische, konkret verstandene Vorstellungen für eine künftige Ausgestaltung der Welt hätten sich nicht verwirklicht, "was man nicht bedauern muss: dass etwa das Bild an der Wand überflüssig werde, wenn sich die Prinzipien der neuen Kunst – des Neoplastizismus – auf Architektur und Innendesign ausbreiten würden. ...

„Die Entdeckung Mondrians“ heißt die Bilderschau in schöner Doppeldeutigkeit, weil damit nicht nur der Weg gemeint ist, auf dem Mondrian sich selbst erfand. Ebendiese Entwicklung selbst, so behauptet die umfangreiche Retrospektive im Gemeentemuseum, gelte es jetzt überhaupt erst umfassend zu entdecken – als wäre Piet Mondrian nicht der bestbekannte Moderne des 20. Jahrhunderts, ein Synonym gleichsam für die avantgardistischen Ideale von Innovation und Fortschritt.

 Apple Tree in Flower 1912

Als Plein-Air-Maler hat er angefangen, durchaus im Bewusstsein des holländischen Erbes, ohne alle mathematischen oder urbanistischen Seitenblicke.

Mondrian ging schon stramm auf die Vierzig zu, als er die Abstraktion entdeckte. Was sich in seiner Entwicklung bis etwa 1905 feststellen lässt: Wenn Mondrian den Malkasten am Fahrradlenker befestigte und sich ins Grüne aufmachte, hatte er ein festes Konzept nicht im Gepäck. Er probierte aus, was das Motiv vor seinen Augen anbot: vom flächig-tüpfelnden Gestus für den Obstgarten bis zur räumlichen Tiefe des Waldstücks. All das war, seiner späteren Rhetorik zufolge, eine in ihrer Gestalt noch höchst zufällige, sprich „tragische“ Welt. Als er dann aber Jan Toorop und den von ihm geprägten Luminarismus kennenlernt (wie die impressionistische Strömung in den Niederlanden geheißen wurde), hellt sich Mondrians Palette auf, die Farben fangen an zu leuchten, die Flächen vibrieren. Nun wird Mondrians Werk eigenständig.
wann?

Doch erst dank der Konfrontation mit dem Kubismus entwickelt er in Paris nach 1910 eine eigene ungegenständliche Welt. Das kubistische Programm, den Gegenstand in der Fläche aufzufächern und vielansichtig zu machen, interessiert ihn nicht. Es gilt ihm als Vehikel, Perspektive und Tiefe aus dem Raum zu verbannen und die Fläche des Bildes hervorzukehren, was schließlich – 1917 – zu einer traumhaft schönen Konstellation pastellfarbener, schwebender Rechtecke führt und 1919 zu den bahnbrechenden „Schachbrettbildern“: Hier malt Mondrian das Raster in Reinform und damit eine der folgenreichsten Setzungen in der Kunst des vorigen Säkulums. Fast jeder Künstler seit Mondrian hat das Raster irgendwann in sein Oeuvre eingespeist, als hätte er es neu erfunden. ...

 Broadway Boogie Woogie

Zum Schluss kommt der Berichterstatteer auf das letzte Bild Mondians zu sprechen, den Victory Boogie Woogie, den Mondrian 1944 unvollendet hinterließ. Ganz anders als der Autor des FAZ sehe ich das Bild als ein Zeugnis dafür, dass die Ungegenständlichkeit zwar eine notwendige und unvermeidliche, aber eben doch eine Sackgasse der Malerei gewesen ist, und eigentlich keiner hat die so konsequent zu Ende geführt wie Mondrian. Doch an den Boogie.Woogie-Bildern erkennt man: Es war ein Ende.
JE 
 Victory Boogie Woogie (1942-44)

Die Entdeckung Mondrians. Den Haag, Gemeentemuseum, bis zum 3. September. Der Katalog ist auch in deutscher Sprache erhältlich und kostet 25 Euro.

Dienstag, 20. Juni 2017

Amerikanische Avangarde im Museum Barberini.

aus Tagesspiegel.de, 19. 6. 2017                                                                             Marsden Hartley, Bergsee, Herbst, um 1910

 "Von Hopper bis Rothko" im Museum Barberini  
Die unbegrenzte Landschaft
Hopper, Pollock, O’Keeffe: Das Museum Barberini in Potsdam zeigt die Sammlung von Duncan Philipps - und Amerikas Weg in die Moderne. 

von

Nach dem mit 320 000 Besuchern überwältigenden Erfolg der Eröffnungsausstellung des Potsdamer Museums Barberini darf man, da am Wochenende die zweite Sonderausstellung eröffnet hat, auf ein nur wenig nachlassendes Besucherinteresse rechnen. Denn „Von Hopper bis Rothko. Amerikas Weg in die Moderne“ bietet, wie schon die vorangehende Impressionismus-Schau, Malerei vom Feinsten. Großartige Bilder, die man je nach Geschmack einzeln oder im Ganzen genießen mag, ohne ein aufgeschlagenes Lehrbuch zu erwarten.

Clyfford Still („1950 B“), links, und Adolph Gottlieb („Equinox“, 1963)

Denn die hier gezeigte Amerika-Kollektion verdankt sich dem subjektiven Geschmack eines einzelnen Sammlers, mag das von ihm gestiftete Museum auch weiterhin erwerben und den Anfangsbestand des Stifters mittlerweile um ein Vielfaches übertreffen. Duncan Phillips, der 1886 geborene Sohn aus wohlhabendem Hause, konnte seine Neigung zum Beruf und seinen Beruf zur Grundlage seiner Sammlung machen. Er studierte Kunst in Yale, wurde Kunstkritiker und wandte sich seiner Gegenwart zu, der amerikanischen Malerei zu einer Zeit, da sie im Vergleich zur europäischen Kunst nichts galt. Gewiss, Phillips sammelte auch Europäisches, und das auf allerhöchstem Niveau; aber seine Liebe, seine selbst auferlegte Verpflichtung fühlte er gegenüber den Künstlern seiner Gegenwart.

Bildergebnis für Diebenkorn phillips collection
Richard Diebenkorn, Berkeley No. 12
 
Bis zu seinem Tod im Jahr 1966 hielt Phillips die Zügel in der Hand. Insofern ist das von ihm bereits 1921 gestiftete und in der elterlichen Villa in Washington eingerichtete Museum das Zeugnis eines einzelnen Mannes – so wie es für die europäische Moderne das lediglich ein Jahr später geöffnete Haus des Sammlers Albert Barnes in Philadelphia wurde. 

Barberini-Museumsdirektorin Ortrud Westheider sprach bei der Vorbesichtigung denn auch davon, dass es zu Beginn von Phillips’ Sammeltätigkeit „keinen Markt, keine Bücher, keinen Kanon, keine Galerien“ gegeben habe – was so pauschal denn doch nicht stimmt. Aber wichtig ist das in ihrer Ausführung versteckte Wort „Kanon“: Eine solche allgemein anerkannte und auf einer Entwicklungsgeschichte beruhende Rangordnung amerikanischer Kunst gab es in der Tat nicht. Phillips sammelte, was er für wichtig erachtete, von Künstlern, deren Bekanntschaft er suchte, um ihr Werk verstehen, ihre Stärken erkennen zu können.

Georgia O'Keeffe, Kirche in Ranchos Nr. II  (1929)
 
Wer also „die“ Geschichte der amerikanischen Kunst im Museum Barberini erwartet, ist in Potsdam an der falschen Adresse. Auf acht Räume, vier Mal je ein großer und ein kleiner hintereinander, verteilt sich die Ausstellung mit 68 Werken von 50 Künstlern. Wenige sind mit zwei, und nur Arthur Dove ist mit fünf (kleinformatigen) Werken vertreten. Das Einzelwerk zählt, es steht für sich und den Künstler, sonst nichts. Aus der Phillips-Sammlung eine Lehranstalt des Weges zur Abstraktion zu machen, wie es immer wieder anklingt, geht am Kern des Phillips’schen Sammelns vorbei: einzelne Künstler und ihre Kunst zu würdigen, nicht aber, wie es in Phillips’ späten Lebensjahren von einer übermächtig gewordenen Kunstkritik unternommen wurde, die gesamte Kunst auf die Nachkriegs-Abstraktion hinzubiegen.

Milton Avery Schwarze See, 1959

Die erste Barberini-Ausstellung lief unter dem Titel „Impressionismus. Die Kunst der Landschaft“, und ähnlich hätte die zweite heißen können. Denn Amerika ist Landschaft. Macht man sich die Bedeutung der Landschaft für das US-amerikanische Selbstverständnis, für das Erlebnis der Künstler, für die reale Gegenwart noch im Hier und Heute bewusst, löst sich die Gegenüberstellung von „gegenständlicher“ und „abstrakter“ Malerei erstaunlich weitgehend auf. Die Ausstellung beginnt verhalten mit gemalten Landschaften (darunter überflüssigerweise zwei europäische), geht kraftvoll zum Kapitel „Urgewalten. Natur als Ausgangspunkt der Moderne“ über und findet nach Ausführungen zur Zwischenkriegszeit – Phillips’ eigener „Pionierzeit“ – in den drei Kapiteln zur Nachkriegskunst ihren mehr oder minder ungegenständlichen Endpunkt.

 Winslow Homer, Rowing home, 1890

Winslow Homer malte Ende des 19. Jahrhunderts die Urgewalt des Meeres; er zog sich an die raue Küste von Maine zurück. Rockwell Kent, hierzulande kaum bekannt, bildet mit seinen Ansichten einsamer Gegenden eine Brücke in die Zwischenkriegszeit. Da entdeckte Georgia O’Keeffe die Wüstenlandschaften von Neu-Mexiko für sich, vor allem aber machte sie die Entdeckung, dass sie das Große klein und das Kleine groß malen konnte: In Potsdam stehen dafür das Gemälde von Herbstlaub (1925) und eines der Rückansicht der aus Lehm erbauten Kirche von Taos (1929).

Edward Hopper, „Sonntag“ (1926)
Edward Hopper,  Sonntag (1926)
Ende der dreißiger Jahre beginnt Jackson Pollock, ungegenständlich zu malen. Seine kleinformatige, aber in seinem Oeuvre ungemein wichtige „Komposition“ leitet zu den Großformaten von Clyfford Still, Philip Guston, Robert Motherwell über. An den ihnen gewidmeten, geradezu von Farbmaterie verdichteten Saal, schließt sich der kleine Raum mit eher lyrischer Farbfeldmalerei an. Aber auch das ist, mit den Augen der amerikanischen Künstler gesehen, Landschaft.
Jackson Pollock, Composition, um 1940
 
Deutlicher noch wird das bei dem großartigen, hierzulande noch immer weit unterschätzten Wahl-Kalifornier Richard Diebenkorn (1922-1993), der sein künstlerisches Ur-Erlebnis vor den Bildern von Henri Matisse hatte: Die aber sah er als junger Soldat eben in der Phillips Collection. Später malte er das Spiel des Sonnenlichts in seinem Atelier als Landschaft so wie die, die er, sonnenbeschienen, durchs Fenster draußen sah.

In einer solchen, von der Bedeutung der Landschaft geprägten Perspektive bleibt die urbane Malerei der Zwischenkriegszeit außen vor. Sie ist bei Phillips, gut, aber bei Weitem nicht herausragend vertreten. Das Barberini wirbt mit Edward Hoppers „Sonntag“ von 1926. Das Bild ist, in all seiner Melancholie, geradezu die Essenz des Hopper’schen Lebenswerkes. Ähnlich trostlos ist der zweite Hopper,  „Einfahrt in die Stadt“ von 1946, doch damit hat es sein Bewenden. Charles Sheelers hoch bedeutendes Kleinformat geht neben Großansichten zweitrangiger New-York-Maler nahezu unter. Nein, dieses Kapitel, das doch Stadt „als Landschaft“ vorführen könnte und müsste, hält im Niveau nicht stand.


Edward Hopper, Approaching Citiy, 1948 

Phillips sammelte, man muss es konstatieren, eben auch wenig prägende Maler, wie etwa Walt Kuhn oder Guy Pène du Bois. Zum Kanon taugt seine Sammlung nicht. Sie hat Stärken und Leerstellen, sie hat einen großen Auftakt und ein noch größeres Finale, und sie lässt erahnen, was die USA im Innersten bewegt: ihre unbegrenzte, als unbegrenzt gedachte und empfundene Landschaft.

Potsdam, Museum Barberini, bis 3. Oktober. Täglich geöffnet. Katalog bei Prestel, 29,95 €, www.museum-barberini.com

Sonntag, 18. Juni 2017

Die amerikanische Tradition.


Der Impressionismus hat die Malerei in Amerika womöglich tiefer geprägt als in Europa. Immerhin haben ihn sich die Amerikaner so weit zu eigen gemacht, dass sie es im Tonalismus zu einer nationalen Sonderform gebracht haben. Überhaupt hat er dort nie den flüchtigen ätherischen Charakter gehabt wie bei den Franzosen, er stand nicht im Dienst des Augenblicks, sondern der heimischen Selbstvergewisserung; viel entschiedener als der europäische ist der amerikanische Impressionismus Landschaftsmalerei.

Man kann sagen, vor dem Impressionismus-Tonalismus haben die amerikanischen Maler mehr oder minder originell die Malerei der Düsseldorfer Akademie nachgeahmt - die nationalen Besonderheiten verdanken sich den lokalen Motiven. Doch den Impressionismus haben sie sich zu eigen gemacht. Seither gibt es in Amerika eine künstlerische Tradition. Während euro- päische Maler bis ins Mittelalter zurückschauen können, müssen Amerikaner bei Singer-Sargent, Childe-Hassam, Metcalf und Chase anknüpfen - und bei Twachtman und Inness.










Alle Bilder von Ernest Lawson (American, 1873-1939).  




Samstag, 17. Juni 2017

Bonnard.

Pierre Bonnard, Junge Frau bei einer Lampe

Ein Faible für Felix Vallotton habe ich schon lange, und so habe ich schließlich auch nach den anderen Nabis geschaut. Merk- würdig beeindruckt bin ich bis heute von Édouard Vuillard. Doch überhaupt nicht aussehen kann ich eigentlich seinen guten Freund Pierre Bonnard: mitten auf der schiefen Ebene von Degas zu Kees van Dongen.

Aber eben finde ich das obige Bild! Das ist richtig gut (und nichtmal eine Landschaft).





Freitag, 16. Juni 2017

Wie die Faust aufs Auge.


Simon Kenny, On a day like this.

Gestern habe ich einen Eintrag gepostet, wo ich den Künstlern, die nicht wissen, was sie malen sollen, geraten habe, sich im reichen Motivvorrat der Landschaft zu bedienen. Und heute habe ich prompt einen Maler gefunden, dessen Bilder dazu passen wie die Faust aufs Auge. Mir wäre lieber gewesen, ich würde weniger pompös bestätigt. Er fertigt seine Stücke seri- enmäßig an, lässt sie von einer Versandfirma zu standardisierten Preisen online vertreiben, sie sind ultramanieriert und nicht alle hart am Rand zum Kitsch: Manche sind darüber hinaus.

Aber schlecht sind sie nicht, man kann sie lange ansehen. Ich bin recht in Verlegenheit.


Simon Kenny, Aftermath

Simon Kenny, In To the Breach

Simon Kenny Turbulence

 Simon Kenny

Simon Kenny Driften..

Donnerstag, 15. Juni 2017

Wenn man nicht weiß, was man malen soll

...und es sich doch nicht verkneifen kann:

 Albert Goodwin (British, 1845 - 1932)  


Alfred Helberger (German, 1871-1946), Sonnenuntergang, 1936.


Birger Sandzen (1871-1954) Summer Landscape, 1912 


Casey-Klahn, Remnant-Snow


Kim Casebeer, Curve in the Road 


Frank Auerbach (British, b. 1931)   Primrose Hill, Spring Sunshine   (1961–64)


George Carlson, Fragment of Light, 2010

Die Landschaft ist ein unerschöpfliches Reservoir von Motiven und man kann draus machen, was einem gefällt. 
Man darf allerdings nicht originell sein wollen.




Dienstag, 13. Juni 2017

Nein, das sollte man nicht malen, selbst wenn einem sonst nichts einfällt.










Titus Kaphar was born in 1976 in Kalamazoo, Michigan. He currently lives and works between New York and Connecticut, USA.

Das ist nicht originell, das ist aus den Fingern gesaugt und an den Haaren herbeigezogen. Das hat so noch keiner gemacht? Aber mehr oder weniger dasselbe, wenn auch völlig anders, haben sie schon zu Tausenden gemacht, einer ausgefallener und noch ein bisschen bemühter als der andre. Da kriegt der Betrachter Schwielen auf der Hornhaut.

Merke: Im Ästhetischen gibt es keinen Gesinnungsbonus.