Hundert Jahre "De Stijl" - das wird noch Anlass zu vielen Aussttellungen geben. Heute berichtet Georg Imdahl in der FAZ von der Piet-Mondrian-Ausstellung des Gemeentemuseums in Den Haag. Daraus hier ein paar Stellen:
"Die Utopien der Moderne sind gescheitert. Doch an kaum etwas anderem arbeitet sich die zeitgenössische Kunst noch immer so leidenschaftlich und ergiebig ab wie an der gescheiterten Moderne, ihren Folgen und ihren künstlerischen Wortführern (bei einer jüngeren Documenta galt sie gar als „unsere Antike“).
Geinrust Farm in Watery Landscape, 1905
Tatsächlich hat Mondrian manches beschworen, was heute nicht mehr als konsensfähig gelten dürfte. Etwa die Überwindung eines zufälligen, unberechenbaren, nach seinen Worten „tragischen“ Lebens durch Kunst im Zeichen größtmöglicher Reinheit. Oder seine Hymne auf die Großstadt, publiziert in einer der ersten Ausgaben der Künstlerzeitschrift „De Stijl“, die vor hundert Jahren von Mondrians Künstlerkollegen Theo van Doesburg begründet wurde und übers Jahr hinweg Anlass für eine Reihe niederländischer Gedenkausstellungen bietet: In der „Weltstadt“ sei die Natur „entwirrt und durch menschlichen Geist geordnet“, daher sei sie der Ort, von dem aus sich künftig das „mathematisch künstlerische Temperament entwickelt“. ...
Mill of Heeswijk Sun, c. 1905
Auch Mondrians pragmatische, konkret verstandene Vorstellungen für eine künftige Ausgestaltung der Welt hätten sich nicht verwirklicht, "was man nicht bedauern muss: dass etwa das Bild an der Wand überflüssig werde, wenn sich die Prinzipien der neuen Kunst – des Neoplastizismus – auf Architektur und Innendesign ausbreiten würden. ...
„Die Entdeckung Mondrians“ heißt die Bilderschau in schöner Doppeldeutigkeit, weil damit nicht nur der Weg gemeint ist, auf dem Mondrian sich selbst erfand. Ebendiese Entwicklung selbst, so behauptet die umfangreiche Retrospektive im Gemeentemuseum, gelte es jetzt überhaupt erst umfassend zu entdecken – als wäre Piet Mondrian nicht der bestbekannte Moderne des 20. Jahrhunderts, ein Synonym gleichsam für die avantgardistischen Ideale von Innovation und Fortschritt.
Apple Tree in Flower 1912
Als Plein-Air-Maler hat er angefangen, durchaus im Bewusstsein des holländischen Erbes, ohne alle mathematischen oder urbanistischen Seitenblicke.
Mondrian ging schon stramm auf die Vierzig zu, als er die Abstraktion entdeckte. Was sich in seiner Entwicklung bis etwa 1905 feststellen lässt: Wenn Mondrian den Malkasten am Fahrradlenker befestigte und sich ins Grüne aufmachte, hatte er ein festes Konzept nicht im Gepäck. Er probierte aus, was das Motiv vor seinen Augen anbot: vom flächig-tüpfelnden Gestus für den Obstgarten bis zur räumlichen Tiefe des Waldstücks. All das war, seiner späteren Rhetorik zufolge, eine in ihrer Gestalt noch höchst zufällige, sprich „tragische“ Welt. Als er dann aber Jan Toorop und den von ihm geprägten Luminarismus kennenlernt (wie die impressionistische Strömung in den Niederlanden geheißen wurde), hellt sich Mondrians Palette auf, die Farben fangen an zu leuchten, die Flächen vibrieren. Nun wird Mondrians Werk eigenständig.
wann?
Doch erst dank der Konfrontation mit dem Kubismus entwickelt er in Paris nach 1910 eine eigene ungegenständliche Welt. Das kubistische Programm, den Gegenstand in der Fläche aufzufächern und vielansichtig zu machen, interessiert ihn nicht. Es gilt ihm als Vehikel, Perspektive und Tiefe aus dem Raum zu verbannen und die Fläche des Bildes hervorzukehren, was schließlich – 1917 – zu einer traumhaft schönen Konstellation pastellfarbener, schwebender Rechtecke führt und 1919 zu den bahnbrechenden „Schachbrettbildern“: Hier malt Mondrian das Raster in Reinform und damit eine der folgenreichsten Setzungen in der Kunst des vorigen Säkulums. Fast jeder Künstler seit Mondrian hat das Raster irgendwann in sein Oeuvre eingespeist, als hätte er es neu erfunden. ...
Broadway Boogie Woogie
Zum Schluss kommt der Berichterstatteer auf das letzte Bild Mondians zu sprechen, den Victory Boogie Woogie, den Mondrian 1944 unvollendet hinterließ. Ganz anders als der Autor des FAZ sehe ich das Bild als ein Zeugnis dafür, dass die Ungegenständlichkeit zwar eine notwendige und unvermeidliche, aber eben doch eine Sackgasse der Malerei gewesen ist, und eigentlich keiner hat die so konsequent zu Ende geführt wie Mondrian. Doch an den Boogie.Woogie-Bildern erkennt man: Es war ein Ende.
JE
Doch erst dank der Konfrontation mit dem Kubismus entwickelt er in Paris nach 1910 eine eigene ungegenständliche Welt. Das kubistische Programm, den Gegenstand in der Fläche aufzufächern und vielansichtig zu machen, interessiert ihn nicht. Es gilt ihm als Vehikel, Perspektive und Tiefe aus dem Raum zu verbannen und die Fläche des Bildes hervorzukehren, was schließlich – 1917 – zu einer traumhaft schönen Konstellation pastellfarbener, schwebender Rechtecke führt und 1919 zu den bahnbrechenden „Schachbrettbildern“: Hier malt Mondrian das Raster in Reinform und damit eine der folgenreichsten Setzungen in der Kunst des vorigen Säkulums. Fast jeder Künstler seit Mondrian hat das Raster irgendwann in sein Oeuvre eingespeist, als hätte er es neu erfunden. ...
Broadway Boogie Woogie
Zum Schluss kommt der Berichterstatteer auf das letzte Bild Mondians zu sprechen, den Victory Boogie Woogie, den Mondrian 1944 unvollendet hinterließ. Ganz anders als der Autor des FAZ sehe ich das Bild als ein Zeugnis dafür, dass die Ungegenständlichkeit zwar eine notwendige und unvermeidliche, aber eben doch eine Sackgasse der Malerei gewesen ist, und eigentlich keiner hat die so konsequent zu Ende geführt wie Mondrian. Doch an den Boogie.Woogie-Bildern erkennt man: Es war ein Ende.
JE
Victory Boogie Woogie (1942-44)
Die Entdeckung Mondrians. Den Haag, Gemeentemuseum, bis zum 3. September. Der Katalog ist auch in deutscher Sprache erhältlich und kostet 25 Euro.
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