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Skurril: Kakadus als Schlagzeuger
Trommelsoli zeugen von verblüffend menschenähnlichen musikalischen Fähigkeiten
Trommel-Serenade für die Damen
Doch Tiere, die mit Hilfe eines Werkzeugs Musik machen und einen Rhythmus schlagen, sind rar. Das einzige bekannte Beispiel ist der in Nordaustralien heimische Palmkakadu (Probosciger aterrimus). Die Männchen produzieren Trommelsoli, um ihre Weibchen zu beeindrucken. Wie erstaunlich geschickt und begabt diese Vögel dabei als Schlagzeuger sind, enthüllen nun Beobachtungen von Robert Heinsohn von der Australian National University in Canberra und seinen Kollegen.
Die Biologen hatten 18 wilde Palmkakadu-Männchen sieben Jahre lang gefilmt. Dadurch gelang es ihnen erstmals, die Vögel ausgiebig bei der Vorbereitung und Durchführung ihrer Schlagzeugsoli zu beobachten. Dabei zeigten sich gleich mehrere bemerkenswerte und erstaunlich menschenähnliche Eigenschaften der Kakadu-Trommler und ihrer Musik.
Maßgeschneiderte Trommelstöcke
Das erste erstaunliche Merkmal: Die Vögel suchen sich gezielt geeignete Trommelstöcke für ihre Schlagzeug-Soli. Meist nutzen sie einen Stock, den sie eigens vom Baum abbeißen und auf eine Länge von rund acht Zentimetern zurechtknabbern. Manchmal tut es jedoch auch der trockene, längliche Samenstand einer Pflanze.
Regelmäßiger Takt mit individuellen Stil
Die zweite Überraschung: Die Analyse aufgezeichneter Trommelsoli enthüllte erstaunliche rhythmische Fähigkeiten der Palmkakadus. "Die Schlagsequenzen sind nicht zufällig, sondern erzeugen einen regelmäßigen Takt, ähnlich wie er in der menschlichen Musik zu finden ist", berichten die Forscher. Häufig wechselten die Vögel nach einer kurzen Pause das Tempo und produzierten so wiederholte, individuell verschiedene Trommel-"Strophen".
"Die einzelnen Palmkakadus haben demnach ihre eigenen, in sich konsistenten Trommelmuster – ganz ähnlich wie menschliche Musiker Noten und Rhythmus eines Stücks individuell interpretieren", so die Wissenschaftler. "Möglicherweise vermitteln diese individuellen Trommelkompositionen den Artgenossen Informationen über den Trommler."
Dem Menschen ähnlicher als jedes andere Tier
Nach Ansicht der Forscher sind die musikalischen Fähigkeiten der Palmkakdus damit einzigartig im Tierreich: "Sie zeigen Fähigkeiten, die zwar einzeln schon bei anderen Tieren beobachtet worden sind, die aber in Kombination bisher nur vom Menschen bekannt sind", konstatieren Heinsohn und seine Kollegen. "Die Palmkakadus sind die einzige Art, die spezifische Werkzeuge herstellt, um den Sound zu verstärken und damit einen regelmäßigen Rhythmus zu schlagen."
Die Palmkakadus sind damit die bisher engste Entsprechung zum perkussiven Musikmachen menschlicher Kulturen, so die Forscher. "Und sie stützt Darwins Annahme, dass ein regelmäßiger Takt über die Artgrenzen hinweg eine zutiefst ursprüngliche ästhetische Vorliebe ist."
Einen entscheidenden Unterschied zum Menschen gibt es allerdings: Bei unseren Vorfahren war das Trommeln meist mit Tanzen, Feiern und anderen Gruppenaktionen verbunden. Beim Palmkakadus ist es ein striktes Solo. (Science Advances, 2017; doi: 10.1126/sciadv.1602399)
(AAAS, 03.07.2017 - NPO)
Nota. - Man möchte meinen, der Sinn fürs Ästhetische sei das Specificum humanum. Nach Schönheit geht nur der Mensch.
Wie steht es aber mit der Musik? Manche Anthropologen meinen, die menschliche Musik habe ihren Ursprung im Vogelgesang - mindestens, was die melodische Seite anlangt.
Wie ist es aber mit dem Trommelrhythmus der Palmkakadus?
Zunächst einmal: Kakadu-Männchen können nicht singen. Die Weibchen der anderen Vogelarten auch nicht. Vogelmännchen brauchen ihren Gesang nämlich für die Balz.
Ziergarten eines Laubenvogels.
Palmkakadus machen daher Musik mit einem Hilfsmittel; statt auf die Melodie, setzen sie auf den Rhythmus, statt mit der Kehle musizieren sie mit Trommelstöcken. Wie die Sänger suchen auch die Schlagzeuger nach ihrem individuellen Ausdruck - und wie ein meschlicher Künstler. Und jeder versucht sein Glück allein.
Warum? Sie konkurrieren um dieselben Weibchen, es ist ein Wettbewerb, es trägt den Charakter des Spiels: Es kann auch misslingen, es kann passieren, dass sein Nest leerbleibt. Zugrunde geht er daran nicht, fast ist es ein Luxus, der ihm entgeht. Und fast möchte man sagen: Viel was anderes war zur Entstehung menschlicher Kunst und Ästhetik auch nicht nötig.
Da fällt mir ein: Ein vergleichbares, fast spektakuläreres Phänomen sind die pazifischen Laubenvögel: Die legen vor ihren Nestern Ziergärten an, um die Weibchen anzulocken. Ob sie auch nicht singen können? Einige sogar besonders gut. Da scheint es der reine Überfluss zu sein, der den ästhetischen Sinn herausfordert - ganz wie bei uns.
Der große Unterschied ist freilich: Die Menschen sind bei einem einmal erreichten Punkt nicht stehengeblieben.
PS. Bei besagten Laubenvögeln singen wohl auch die Weibchen - und die Männchen können ihnen damit also nicht sonderlich imponieren. Sind sie deshalb darauf verfallen, ihre Lauben mit bunten Gärten zu zieren?
Wie eigentlichen Ästheten seien die Weibchen, denn die seien es, die die Hervorbringungen der Männchen schätzen, meint einer der Forscher: Die Männchen produzierten nur einfach drauflos. - Da muss ihm noch unversehrt die Politische Korrektheit selig die Feder geführt haben. Wenn die Männchen vielleicht auch nicht selber beurteilen, was sie da von sich geben - irgendetwas von sich geben müssen sie schon, sie müssen etwas formen. Die kreative Performance wäre ästhetisch also unerheblich gegen den stillen Genuss der RezipientInnen? - Ästhetik ist wohl nix für Naturforscher.
JE
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