Donnerstag, 14. Februar 2019

Georg Gerster, 30. April 1928 - 8. Februar 2019.

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1. Felderviereck im Staat Mato Grosso, Brasilien 1966.
2. Der Stern von Montady, Département Hérault, Frankreich 1972
3. Erntemuster in der Pampa, Argentinien, 1967.
4. Fischfallen in der Laguna de Bay auf Luzon, Philippinen, 1969.
5. Linsen vor der Ernte in Whitman County, Washington, USA 1988
6. Miniatur-Oase in der Souf Region der Sahara, Algerien 1972
7. Sicheldüne der Tengger-Sandwüste in der Wüste der Gobi
8. Tundra Permafrost
9. versalztes Weizenfeld bei Katanning, Westaustralien,
10. Weizenanbau bei Caparroso in Navarra, Spanien 1995. 
11. Winterliches Jauche- und Mistbild bei Rochester, Minnnesota, USA 1981
12. Kirschenburg in Tartlau, Siebenbürgen

Dienstag, 5. Februar 2019

Google+ macht dicht.


Tinguely
 
Liebe Leser,

über Google+ können Sie mich von nun an nicht mehr finden; Google+ macht dicht. Sie können meine Blogs natürlich über ihre URLs aufrufen, wenn es auch umständlich ist. Andernfalls müssten Sie mich auf Facebook oder Twitter besuchen, wenn's auch wehtut.

Ich kann nichts dafür,
Jochen Ebmeier





Montag, 4. Februar 2019

Stephen Magsig.










Ich glaube, wenn ich malen könnte und wirklich wollte, aber nicht wüsste, wie ichs anfangen soll, dann würde ich mir an Stephen Magsig ein Vorbild nehmen. Ab da ist alles möglich, und es wird sich finden. 



Sonntag, 3. Februar 2019

Das Genie der Moderne, allerdings.

Pablo Picasso: „Akrobatenfamilie mit einem Affen“ (1905)   | Foto: kunstmuseum göteborg
aus Badische Zeitung, 02. Februar 2019                                         Akrobatenfamilie mit einem Affen (1905)

Der Verwandlungskünstler 
"Der junge Picasso": Die Fondation Beyeler eröffnet die große Ausstellung zur Blauen und Rosa Periode. 

Von Volker Bauermeister

Volker BauermeisterAls der junge Spanier im Jahr 1900 Paris besuchte, war auf der Weltausstellung ein ehrgeiziges Werk von ihm zu sehen. "Letzte Augenblicke". Doch war er bereit, dieses und überhaupt alles zu vergessen, was seine frühreife Malerei ausgemacht hatte. Ein atemberaubender Neuanfang; noch eben im Pariser Musée d’Orsay war dies zu erleben. Jetzt am Sonntag eröffnet der Schweizer Kooperationspartner Beyeler die große Ausstellung "Der junge Picasso". Kurator Raphaël Bouvier hat Zeugnisse dieses Aufbruchs in die Moderne in eine eindrucksvolle Reihe gebracht. 

Aus Pablo Ruiz wird (mit der Übernahme des Familiennamens der Mutter) Pablo Picasso. Und der erweist sich als Verwandlungskünstler nicht nur in dem Moment. Das oft zitierte Sich-Neuerfinden, ihm wird es zur Praxis. Sechs Jahre – von 1901 bis 1906 – überblicken wir in Riehen. Gleich am Anfang wird da einer sichtbar, auf den stürzen van Gogh wie El Greco, Toulouse-Lautrec, Degas, Manet oder Gauguin ein. Er ist offen für alle. Als er im Mai 1901 zum zweiten Mal nach Paris kommt, geht es darum, eine Ausstellung beim Händler Vollard zu stemmen. Der bildhungrige Picasso bewährt sich unter Produktionszwang. Als Verdauungsathlet steht der erst 19-Jährige da. Ein verblüffter Kritiker erklärt, der junge Mann, in seiner "stürmischen Gangart", habe noch kaum Zeit gehabt, einen "persönlichen Stil" zu finden.



Dies holt der prompt nach. Die grellen Reflexe des Nachtlebens blendet er aus, die Bildbühnen taucht er allesamt in Blau. Anstelle von fiebriger Erotik: lastende Stille. Armut, Krankheit, dumpfer Rausch. Mit der Blauen Periode provoziert Picasso als Maler des Elends. Er sagt, dass sein Freund Casagemas sich umbrachte, habe ihn zum Blau gebracht. Es hat eine lange Schrecksekunde gebraucht. Und das kalte Blau ist eben auch eine bedachte Entscheidung. Von Mitgefühl sprechen Bilder wie "Die Beerdigung Casagemas’", doch sind sie höchst kunstvoll in der Übertreibung: stilisiert, ja manieriert im Detail.

 
Beerdigung Casagemas 

Ein Selbstbildnis von Ende 1901 zeigt im Nachtblau den Künstler mit blassem Teint und durchdringendem Blick. Das ist kein exaltierter Auftritt, wie noch kurz zuvor. Hier beansprucht einer schlicht selbstbewusst, schon ein Großer zu sein in seinem Metier. Er scheut den Vergleich selbst mit Velázquez nicht. Von dem Bildnis sagt der Biograph John Richardson, es sei "vielleicht das schönste Werk, das Picasso bis zu diesem Zeitpunkt geschaffen" habe.

 
La vie 1903 

Zwei Jahre später gelingt ihm in Barcelona – er pendelt zwischen Spanien und Paris – ein Hauptwerk der Blauen Periode. Mit "La Vie" übermalt er "Letzte Augenblicke". Eine Sterbeszene ersetzt er durch eine Art Atelierbild. Ein junges nacktes Paar konzentriert das Thema der Umarmung. Die Figur der Mutter mit Kind basiert auf den Studien im Pariser Frauengefängnis. In eine düstere Muttergottes verwandelt sie sich. An Versuchen, die noch durch Bilder-im-Bild inhaltlich aufgeladene Szene zu entschlüsseln, hat es nicht gefehlt. Ist es eine grüblerische Selbstbetrachtung? Fest steht, dass Picasso in dem entblößten jungen Mann im Zentrum noch einmal den unglücklichen Casagemas sieht – und dass Vorentwürfe an der Stelle ein Selbstbildnis zeigten. Der Hinweis auf Gauguin und dessen "Woher kommen wir?" bezeichnet treffend das Maß der Verrätselung. Auf Durchschaubarkeit ist der Bildautor nicht aus. "Einen versteckten Sinn zu entdecken, mag anderen vorbehalten sein", weist Picasso die Deutung ab: "Für mich ist ein Bild die Botschaft selbst." Artifizielle Dichte ist das Ergebnis.

Deux femmes au bar, 1902 

Es ist die Welt der Artisten, der Gaukler, mit der sich Picasso identifiziert. Die Figuren des Zirkus bevölkern die neuen Bildräume in Rosa. Er zeigt sie abseits der Manege, selbstvergessen, wie verloren. Wie zart das Netz ist, das ihr Leben sichert! In "Akrobat und junger Harlekin" gleiten die Phasen des Blau und des Rosa ineinander [siehe unteren Artikel]. In der elegischen Stimmung klingt die Tristesse nach. Der Harlekin ist ein sich selbst noch ganz ungewisses Wesen, der Akrobat erinnert an den ausgezehrten Blinden der Radierung "Das karge Mahl".

 
L'équilibriste sur la balle, 1905 

Die "Frau im Hemd" ist 1905 zwar noch blau getönt, doch schon in einer Weise empfunden, als wäre sie rosa. Es ist die Freundin Madeleine in ihrer fein gezeichneten Verletzlichkeit. Die "Akrobatenfamilie mit einem Affen" wurde auch schon im Blick auf Madeleine gedeutet. Jedenfalls stellt sich das Mutter-Kind-Motiv hier auf einer anderen als der freudlosen blauen Ebene dar. Und all die Paare und Gruppen in der Zeit sind doch auch Phantasien der zärtlichen Verankerung des einen Menschen im andern.

Frau im Hemd 1905


Seit dem Frühjahr 1904 wohnt Picasso im Bateau-Lavoir, dem desolaten Atelierhaus am Montmartre, das eine Spielstätte der Pariser Bohème war. Er hatte in der Stadt ein Lebenszentrum gefunden. Doch eine künstlerische Wende leitet ein Aufenthalt in Spanien ein, im Pyrenäendorf Gósol, im Sommer 1906. Er reist an mit seinem Rosa und dem Klassizisten Ingres im Kopf, mit Bildgedanken von sanfter Schönheit, die sich in den "Zwei Brüdern" aus dem Basler Kunstmuseum niederschlagen. Und doch kommen hier in Gósol neue, gegensinnige Formcharaktere zur Geltung. Der Klassizismus verkehrt sich in einen rauen Primitivismus. Picasso sucht Bildsubstanz mit Formkraft aufzuladen. Fernande – die Lebensgefährtin an der Stelle Madeleines – ist das Gesicht und der prägende Körper dieser und der nächst anschließenden Zeit.

Deux frères, 1906 [Es gibt mehrere Versionen] 

Ein großformatiger "Sitzender Frauenakt" mutet wie eine aus der Malfläche unwillkürlich hervor gestülpte Skulptur an. Ein Selbstbildnis mutiert dem Maler zum massiven Ereignis der Form. Und es war auch plausibel, wenn er sich in den Pyrenäen verstärkt zur plastischen Arbeit hingezogen fühlte.

Femme nue assise les jambes croisees,1906

Die Figuren, die er modelliert und schnitzt, wirken aus dem stofflichen Volumen heraus. Den Kopf eines alten Mannes schleift er zum Rundling. In Gósol waren ihm die alt-iberischen Skulpturen näher als in Paris, wo er sie im Louvre entdeckt hatte.

Er ist Mitte zwanzig. Und er versteht es, den Eindruck zu wecken, dass die Bildwerke sich selbst generieren. Nach allem, was die Ausstellung bietet, nach der tiefernsten Parade in Blau und dem feinen Sentiment der Gaukler, markiert die "Femme" aus dem Umfeld der "Demoiselles d’Avignon" einen hauseigenen Beyeler’schen Fixpunkt am Schluss: eine furios gemalte Introduktion in die Strukturen des Kubismus. Dies Frauenbild lässt Weg und Wendungen vergessen, die es bis hierhin brauchte. So setzt sich Bildbewusstsein in Szene.

Was andere Picasso gaben: Es diente ja immer seiner eigenen Verwandlung. Er macht daraus seins. Jetzt verdaut er Cézanne, samt El Greco und Afrika, und es kommt wieder etwas bis dato Ungesehenes heraus.


Fondation Beyeler, Riehen/Basel. "Der junge Picasso" vom 3. Februar bis 26. Mai, täglich 10–18, Mi bis 20 Uhr.
Parallel zu "Der junge Picasso" bietet die Sammlungsausstellung "Picasso Panorama", mit Werken aus dem Fundus der Fondation und einer Reihe von Dauerleihgaben, bis zum 5. Mai einen weiten Blick über das Œuvre.



Nur einen Tag später legt dieselbe Zeitung nach:

 
 

aus Badische Zeitung,  03. Februar 2019                                                          in Paris 1904

Ein berührendes Hochamt 

Die Fondation Beyeler feiert den Jungen Picasso der Blauen und Rosa Periode.  

"Als ich Kind war, sagte meine Mutter: 'Wenn du Soldat wirst, wirst du General werden. Wenn du ein Mönch wirst, wirst du schließlich Papst werden.' Stattdessen habe ich es als Maler versucht und wurde Picasso. " 

"Dies ist die ambitionierteste, größte und teuerste Ausstellung in der Geschichte der Fondation Beyeler", sagte deren Direktor Sam Keller bei der Eröffnung im Riehener Privatmuseum, dessen Untergeschoss aufwendig in ein Belle-Epoque-Café samt Bühne und Bar verwandelt wurde. Vier Jahre und sieben Millionen Euro hat es gekostet, schwer erhältliche Bilder aus Blauer und Rosa Periode zusammenzutragen. Picasso ist die größte Marke der Kunstgeschichte, und sie hat ihren Preis. Der Eintritt ist um ein Drittel teurer, der Gratiszugang für unter 25-Jährige ausgelaufen. Ein eigener Picassoshop erwartet die Besucherströme.
 
 
Akrobat und junger Harlekin, 1905

Bei Picasso verschärft sich aber auch eine Frage, die sich überall stellt, wo Künstler der Klassischen Moderne in immer teureren Ausstellungen die Museen füllen sollen: Wie stellt man die Sehgewohnheiten wieder auf Null? Wie kann man Picassos Blauer und Rosa Periode, seit den 50er Jahren ein Deko-Phänomen von Poster bis Film, wieder erleben statt konsumieren? Indem man wieder von vorne beginnt?

Das geht hier erstaunlich gut auf. Zwar gibt es keine Werke aus der Wunderknabenperiode, als das Kind Pablo Alte Meister virtuos kopierte. Die von Raphaël Bouvier konzipierte Ausstellung steigt in Paris ein, wo Pablo Ruiz y Picasso, begeistert vom Leben der Bohème, den Cafés und Bordellen, schillernd und schrill das Nachtleben malt, mal im Stile Toulouse-Lautrecs, dann mit den breiten leuchtenden Strichen Van Goghs. An Selbstbewusstsein mangelt es ihm nicht. 1901 inszeniert sich der Maler stolz als Künstler: "Ich Picasso"

 
Le Bâteau Lavoir 

Dann steht man plötzlich vor diesen beiden so fremd wirkenden Bildern. An einer kalten, graublauen Mauer steht eine Trauergemeinde um einen offenen Sarg. Die Gesichtszüge des Toten sind ausgelöscht, wie die der meisten Trauernden. Im zweiten Bild liegt der Tote im Laken auf dem Friedhofsgrund, in Schwarz gehüllte Trauernde um ihn. Weiter oben strebt ein weißes Pferd gen Himmel, eine Nackte klammert sich an den dunklen Reiter. Weitere Frauen scheinen aus den Bordellen Paris’ gekommen zu sein, um der "Beschwörung" beizuwohnen.

 
Évocation (Enterrement de Casagemas) 1901

Eine Beschwörung auch des Schmerzes um den toten Freund Casagemas, aus dem der Mythos Picasso ersteht. Die Blaue Periode beginnt.

"Eine innere Notwendigkeit" sei es im Herbst 1901 gewesen, seine Farbpalette auf kühle Blau- und Grautöne zu reduzieren, sagt Picasso später. Das nächste Selbstporträt zeigt einen gealterten, hageren Mann mit Bart in einem bleiernen Nichts. Und es entstehen tief berührende Bilder vom Rande der Gesellschaft, wo der Glanz der Bohème nicht mehr wärmt. Die "Elende", die Trinkerinnen, der ausgemergelte "Mistelverkäufer" mit den langen Extremitäten. Blinde, Alte, Schwache, eine in Blau gefrostete Welt von Leid und Melancholie. Nicht immer frei von symbolistischer Konvention. Wie im monumental inszenierten "La Vie", das sinnliche Liebe, Mitgefühle und Entbehrung der Mutterschaft gegenüberstellt.

Die Absinthtrinkerin

In den folgenden Jahren entfalten Picassos Bilder den Zauber und die große Zartheit, die ihn berühmt machen wird. Mit der Hinzunahme von Rosatönen wendet er sich der Welt des Zirkus zu, doch er malt die Harlekine und Akrobaten (fast) nie auf der Bühne, sondern als ausgezehrte Künstler, die einen hohen Preis für ein Leben jenseits der Konvention bezahlen. Bilder wie die "Akrobatenfamilie" mit dem Affen von 1905 [s. Kopfbild] sind mitfühlend und zart, aber ohne Botschaft. Für sie wird Picasso global geliebt, sie kommunizieren universal und ohne Vorwissen.

Une famille de saltimbanques, 1905

1906 verweilt Picasso über den Sommer im Pyrenäendorf Gósol. Dort malt er die rosaroten Brüder und weitere Akte und Szenen aus dem einfachen Leben. Entscheidend aber wird die Entdeckung der archaischen Kunst. Picasso greift zu Fundhölzern, die er grob bearbeitet und aus denen er Frauenköpfe mit vereinfachten Zügen schnitzt. Sein Sohn Claude sagte im Rahmen der Ausstellungseröffnung: "Wenn mein Vater sich in eine Ecke gemalt hatte, griff er zur Skulptur. So konnte er durch das schwarze Loch gehen und den nächsten Schritt tun."

Clown und junger Akrobat, 1905

Der zeigt sich ab Herbst 1906 zurück in Paris: Die Figuren werden robust und gedrungen, Züge und Formen vereinfachen sich radikal, sie wirken typisiert. Im Winter malt Picasso einen sitzenden Frauenakt – er malt bald überhaupt vor allem Frauen und Frauenkörper –, dem er geometrische Formen einschreibt, im Frühjahr 1907 eine Nase im Profil, das Gesicht frontal. Die Revolution, die kurz darauf mit den "Demoiselles d’Avignon" beginnt, steht kurz bevor: Die Zergliederung der Körper, die Gleichzeitigkeit mehrerer Perspektiven, der Kubismus.


Le harem, Gosol 1906

Später sollte der alte Picasso im Rückblick sagen: "Die Blaue und Rosa Periode waren die Paravents, hinter denen ich sicher war. Im Schutz meines Erfolgs habe ich tun können, was ich wollte, alles was ich wollte." In acht weiteren Sälen deutet die Fondation Beyeler mit 40 Gemälden, darunter 30 eigenen, an, welch radikale Wege Picasso zu gehen bereit war. Und man versteht, was Claude Picasso als "wichtigste Lektion" bezeichnet, die ihn sein Vater lehrte: "Man muss Risiken eingehen."

Die Fondation Beyeler ist ein Haus, das Kunst liebt und auch hier auf Dokumente, Materialien, Skizzen verzichtet. Das gibt den Räumen etwas von einem Hochamt. Die kunstgeschichtliche Expertise bündelt ein reichhaltiger Katalog. Die Ausstellung lässt allein die Bilder sprechen. 


Les Demoiselles de (la Rue) d'Avignon, 1907

Nota. - Das "Genie der Moderne" hat ihn der Leiter der Kunstredaktion in der Neuen Zürcher genannt, und hat damit voll ins Schwarze getroffen; allerdings in einem ganz andern Sinn, als er denkt. Das Genie der Moderne ist, dass zum obersten Sinnstifter der Markt geworden ist. Seit im Goldenen Zeitalter in Amsterdam ein Kunstmarkt entstand, wird auch in der Bildenden Kunst der Tausch den Wert bestimmen, aber seine Vollendung fand das erst im 20. Jahrhundert, und Blut und Fleisch wurde es in Pablo Ruiz, der früh erkannte, dass er es mit dem Namen nicht weit bringen würde, und sich nach seiner Mutter Picasso nannte.

Ich nutze die Gelegenheit, einmal zu schreiben, was ich davon halte, und damit soll's auch gut sein.

Dass er gar nicht malen konnte, werde ich nicht sagen, die frühe Pariser Sachen sind ja nicht schlecht, ab er eine Jahr- hundertbegabung offenbaren sie nicht gerade, weder in Zeichnung, Farbgebung, Verhältnis der Massen noch gar - in der Motivik. Harlekins und Akrobaten, na schön. Aber immer wieder? Fällt ihm sonst nichts ein?

Eben: Das ist das Problem. Es ist zeitgenössische Genremalerei, sowas geht beim Publikum, das ist nicht zu verschmähen. Das kann einer aufgeben, dem die Bilder nur so in den Kopf schießen und der einen großen gestalterischen Drang hat. Der wird meinen, ums Publikum kannst du dich immer noch kümmern, erst musst du mal wissen, wo's lang geht. Das ist nicht Picassos Fall. Der sichert sich zuerst sein Publikum, wo's lang geht, wird man sehen. Auf jeden Fall muss man interessant sein. Wo ein Deutscher sagt, 'der macht sich wichtig', sagt der Franzose: il fait l'intéressant, zwei Nationalcharaktere kommen da zur Sprache und machen verständlich, wieso neben den Fauves unsere Expressionisten so bierenst wirken.

Seinen Stil hat er längst gefunden, was immer sonst geraunt wird: Es ist die Manier. Der Stil arbeitet heraus, worauf es dem Künstler ästhetisch ankommt; das andere kann er vernachlässigen. Die Manier arbeit heraus, was dem Publikum auffallen soll. Und wenn es sonst nichts anderes ist als eine andere Farbe, Rosa anstelle von Blau. Das generiert auch gleiche ein Marketingkategorie: Rosa Periode, das davor wird ipso facto zur Blauen Periode, wirklich intéressant!

Die Manier hat freilich - zumal, wenn sie Erfolg hat - den Nachteil, dass bald alle ein Stück davon in der Wohnung haben, und dann muss Neues her. Eine andere Manier eben. 

Die Blaue und Rosa Periode waren die Paravents, hinter denen ich sicher war. Im Schutz meines Erfolgs habe ich tun können, was ich wollte, alles was ich wollte, wird er oben zitiert. Aber tatsächlich hat er hinterm Paravent seines Erfolges verschleiern können, dass er in Wahrheit gar nichts wollte; jedenfalls nicht künstlerisch, da war ihm eins so gut wie das andere. Dass der Erfolg mal nur nicht nachließ - das war 'alles, was er wollte'. Und da er früh zu üben begonnen hatte, schaffte er's bis über den Tod. Ist er Risiken eingegangen? Sagen wir mal: Er hat genial gezockt.

Dass das alles nichts taugt, werde ich nicht sagen, ich bin ja nicht blöd; manches ist sogar ganz gut, aber das sind n icht unbedingt die berühmtesten Sachen (die Frau im Hemd oben z. B.). Doch Furore gemacht hat er mit den immer wieder brandneuen Manieren, damit hat er Epoche gemacht, er hat einen Maßstab gesetzt, und wenn einer verantwortlich ist für den Zustand der Gegenwartskunst und für die Erwartungen des Markts, dann ist er es, das kann kein Dalí ihm streitig machen; Kunst ist Bluff, der sich bezahlt macht.


Dass er der bedeutendste Maler des 20. Jahrhunderts wäre, glaubt ja wohl keiner im Ernst.
JE