Freitag, 22. Januar 2016

Caspar David Friedrich restauriert in Berlin.


aus Tagesspiegel.de, 22. 1. 2016

Himmel voller Hoffnung


Von 

Zwei Gemälde, die zum Kernbestand deutscher Kunst gehören – das ist das Bildpaar „Mönch am Meer“ und „Abtei im Eichwald“. Caspar David Friedrich, der 1774 in Greifswald geborene und später in Dresden lebende Maler, hat sie 1809/10 geschaffen und sogleich auf die Berliner Akademie-Ausstellung gegeben. Dort erwarb sie der preußische König Friedrich Wilhelm III. auf Bitten des erst 15-jährigen Kronprinzen, der alsbald der bedeutendste Förderer der (nord-)deutschen Romantik in Kunst und Architektur werden sollte.



Mit der Berliner Ausstellung, dem Ankauf und der Überführung ins Berliner Schloss, ja schon während ihrer Entstehung im Dresdner Atelier, beginnt eine Rezeptionsgeschichte, die kaum ihresgleichen hat. So sehr Friedrich auch ab den 1830er Jahren in Vergessenheit geriet, so lebendig blieben durch zahlreiche Schriftzeugnisse die beiden, mit 110 auf 171 Zentimetern eindrucksvollen Gemälde. Eindrucksvoll aber waren und sind sie durch ihren Bildgegenstand, den man so zuvor nicht gesehen hatte: ein einsamer Mönch vor der unendlichen Weite von Himmel und Meer, und eine Kirchenruine inmitten alter, kahler Bäume vor einem bedrohlich düsteren Himmel.

Als Friedrich wiederentdeckt wurde, waren die Bilder von Firnis überzogen

War der Himmel tatsächlich so bedrohlich gedacht, war der Himmel über dem Mönch so grau? Man nahm es für selbstverständlich. Als Friedrich mit der Berliner „Jahrhundertausstellung“ von 1906 wiederentdeckt wurde, waren die Werke des 1840 verstorbenen Künstlers von nachgedunkelter Firnis überzogen. Restaurierungen seither hatten an der Atmosphäre des Bildpaares wenig geändert, sie dienten zuallererst dazu, mechanisch verursachte Schäden zu heilen.


Winterlich, nicht trostlos. Caspar David Friedrichs Gemälde „Abtei im Eichwald“.

Das ist nun anders, so grundlegend anders, dass man von einer Neuentdeckung der beiden Gemälde sprechen muss. In dreijähriger Arbeit haben Kristina Mösl und Francesca Schneider von den Staatlichen Museen zu Berlin die beiden Gemälde von Grund auf restauriert, und sie haben eine fabelhafte Arbeit geleistet; finanziert zur Gänze von der „Alfried Krupp von Bohlen und Halbach“-Stiftung. Was wir jetzt in den beiden Gemälden sehen, kommt dem nur zu vermutenden Originalzustand von 1810 so nahe wir nur irgend denkbar.

Die gern als Hoffnungslosigkeit, ja Todeserwartung gedeutete Düsternis, so der erste und wichtigste Eindruck, ist geschwunden. Verursacht hatten sie die bis zu sieben Schichten Firnis, die im Laufe der Zeit aufgepinselt worden waren und ganze Teilflächen des darunterliegenden Farbauftrags verdeckt hatten. Der Himmel über dem Mönch ist jetzt ein zartes Blau, ein Himmelsblau, das ebenso die Transparenz der dünnen Farbschichten erkennen lässt, wie es ikonografisch als Transzendenz zu deuten ist: Der Mönch, von Friedrich selbst in einer seiner raren Schriften als „törichter Mensch“ beschrieben, steht vor dem „unerforschlichen Jenseits“, das „nur im Glauben gesehen und erkannt“ werden kann.

Friedrich hat Landschaftsmalerei an der Dresdner Akademie gelehrt. Diese Bezeichnung greift zu kurz, denn seit jeher wird erkannt, wie bedeutungsgeladen seine Bilder sind. Allein um der präzisen Ausdeutung willen war die Restaurierung dringend notwendig. Jetzt erst wurden die beiden Schiffe entdeckt, die Friedrich im „Mönch“-Bild angelegt hat, zu beiden Seiten der Figur, von den Elementen schräg ins Meer gedrückt. Ähnlich verhält es sich bei der „Abtei“, deren perspektivische Fluchtung von der ruinösen Westfassade der Abtei bis zum Chorbau im Hintergrund erst jetzt zu erkennen ist. Und der Himmel ist mit einem Mal mit zartem Rosa aufgehellt.

Friedrichs Meisterwerke sind in der Alten Nationalgalerie von weiteren Kostbarkeiten umgeben

Helmut Börsch-Supan, dem die Friedrich-Forschung viel verdankt, hat dessen Kunst mit dem Wort „Landschaft als Sprache“ prägnant beschrieben. Diese Bilder sprechen. Um sie erneut zur vollen Aussage zu bringen, haben die Restauratorinnen die Gemälde so gründlich wie nie zuvor analysiert. So konnten sie nachweisen, dass die Leinwände beider Gemälde vom selben Stoffballen stammen und unmittelbar aneinanderlagen. Die feine Technik Friedrichs ist nachvollziehbar, so der Gebrauch von Smalte – „ein mit Kobalt gefärbtes körniges Glaspulver“ –, um die besondere Leuchtkraft der Himmelspartien zu erzielen, oder die feine Vorzeichnung, die der Künstler im „Abtei“-Bild exakt übernommen, beim „Mönch“ hingegen in wesentlichen Details verworfen hat. In der Alten Nationalgalerie sind nun diese beiden Hauptwerke der hiesigen, weltgrößten Friedrich-Sammlung nebeneinander zu sehen, umgeben von weiteren Kostbarkeiten von der Hand Friedrichs, ergänzt um eine ausführliche Dokumentation der Restaurierung.

Caspar David Friedrich ist längst zum wohl beliebtesten Maler der deutschen Romantik geworden. Seine Bilder nicht nur zu überfliegen, sondern sich in sie zu versenken ist die größte Herausforderung an das Publikum.

Die Sonderschau zur Restaurierung läuft bis 22. Mai. Alte Nationalgalerie, Di - So 10 -18 Uhr, Do 10 -20 Uhr.


 vor der Restaurierung



Dienstag, 12. Januar 2016

Ziggy Stardust.




Den Tod von David Bowie kann ich nicht unerwähnt lassen, das werden Sie verstehen. Ein Freund und daher Kenner der Popmusik bin ich aber nicht, ich habe mich seinerzeit nur von einem außerordentlichen Ereignis auf Abwege locken lassen. Ästhetisch beurteilen kann ich Bowie eigentlich nicht, mit andern Worten: Das war alles nicht recht nach meinem Geschmack. Ich habe aber auch sicher nicht genügend Acht gegeben, das werde ich nachholen müssen.

Doch was alle hervorheben, kann ich nicht unkommentiert lassen: Er war ein Chamäleon. Über Imagebuilding als Kunst-form hatte ich ein bisschen was zu sagen. Der einsame (sic) Meister in dem Fach war Der Größte Star Aller Zeiten. Als sein Gegenentwurf hat sich Madonna zu profilieren versucht  indem sie jede Saison ein neues Image probierte. Mit dem Ergebnis, dass sie bis heute kein Profil gewonnen  hat.


Der wahre Gegenentwurf war David Bowie. Er hat sich gehäutet wie sonst keiner, und doch ist er mit jedem Mal immer mehr David Bowie geworden. Der war einer von denen, die alles können. Aber  was die Tragik auch der bildenden Künstler in unserer Zeit ist  nicht wissen, was sie sollen.




Mittwoch, 6. Januar 2016

Ironisch und naiv.


Ein Diskurs – discorso –  spielt sich auf ein und derselben semantischen Ebne ab: X ist, Modus ponens. In einer Rede, wo sich die erste und die zweite semantische Ebene regelmäßig abwechseln – x ist; dass x ist –, ist das der Diskurs. Der Logiker mag sagen: Das lässt sich ins Unendliche steigern. Der Semantiker wird sagen: Ab einem bestimmten, nämlich je zu bestimmenden Punkt wird es unüberschaubar, und hört daher auf, ein Diskurs zu sein; findige Köpfe mögen mehrere Diskurse herauslesen, die einander durchkreuzen, aber das ist dann kein Diskurs mehr, sondern ein Bild, das der Interpretation harrt und, anders als der Diskurs, nicht ein deutig ist. Weil und sofern der Diskurs eindeutig ist, lässt er sich begreifen, und dafür ist er da.

Die Kunst argumentiert nicht mit Begriffen, sondern bringt Bilder zur Anschauung. Doch ist Anschauung selber schon eine (allererste) Reflexion: ‚Ich sehe‘ ist schlechterdings nicht trennbar von ‚Ich sehe dieses‘. Frei steht mir aber die Reflexion: ‚Was ist dieses?‘ Frei in dem Sinn, dass ich ohne weiteres darauf verzichten kann.

Die diskursive Rede dient eo ipso – anders käme sie nicht vor – der Mitteilung. Die Anschauung eines Kunstwerks dient zunächst einmal nicht der Mitteilung. Geschähe sie von vorherein um der Mitteilung willen, wäre sie nicht Anschauung. (Das ist der ursprüngliche ästhetische Sündenfall der Kunstkritik: Sie ist in ihrem Wesen absichtlich.) Dem ästhetischen Betrachter steht aber frei, ob er das Kunststück nicht auch auf einer zweiten semantischen Ebene anschauen will; nämlich ironisch.

Einen Künstler und einen Betrachter, der diese Dimension nicht von vornherein im Auge hat, nennen wir naiv.

8. 10. 2015





Montag, 4. Januar 2016

Kunst als gesellschaftliche Instanz.


R. Mengs Apollo Mnemosyne und die neun Musen

"Wann und wie die Kunst ins Spiel kommt, das ist das Geheimnis, für das eine Erklärung gesucht werden muss, und zwar eine, die auch nüchterner Betrachtung einigermaßen standhält. An solchen Erklärungen fehlt es bis heute." Das bekümmert mich wohl, dass Peter Meyer gar keine Notiz von mir nimmt, wo ich ihm doch längst die Ehre erwiesen habe, aber mein kleiner Blog erfährt nicht dieselbe Beachtung wie die NZZ, das habe ich mir fast schon gedacht.

Mit andern Worten, ich habe eine solche Erklärung vorgetragen. Aber anders als P. Meyer verlege ich die Entstehung von Kunst nicht in die Rezeption, sondern in die Produktion der Werke. Genauer gesagt, nicht in die Rezipienten, sondern in die Produzenten. Das ist gar keine philosophische Frage. Ganz pragmatisch besehen, lässt sich 'das Kunsterleben' einer amor-phen Menge Publikum einfach nicht objektivieren. Anders ist es mit den Künstlern. Dass Die Kunst im Abendland seit der Renaissance eine gesellschaftliche Instanz geworden ist, ebenso und zur selben Zeit wie auf dem Gegenpol Die Wissenschaft, ist ein kulturgeschichtliches Faktum, das kein Laie bestreiten wird, und wie die Akteure der Wissenschaft sind die Akteure der Kunst zu einem gesellschaftlich, nämlich durch den Markt bestimmten Stand geworden. Das lässt sich objektivieren und in ganz nüchterne Worte fassen. Auf die Frage, ob Jeff Koons Puppy in Bilbao ein Kunstwerk ist, ist das keine Antwort, aber das Auszählen der Leute, die bei seinem Anblick ein Kunsterlebnis hatten, gäbe sie auch nicht; von der Qualität und Intensität des Erlebens gar nicht zu reden. Dass Jeff Koons dem Stand der Künstler angehört, und wie!, ist jedoch ein harter Fakt.

Doch dies gebe ich zu: Der unübersehbare und offenbar elementare Zusammenhang der Kunst mit dem Ästhetischen wird durch meine Erklärung noch ein ganzes Stück geheimnisvoller als durch die von Peter Meyer. Aber das soll sie ruhig, das ist mir recht.