Himmel voller Hoffnung
Der Mönch ist wieder da: Zwei Hauptwerke von Caspar David Friedrich sind nach umfassender Restaurierung neu zu entdecken, in der Alten Nationalgalerie in Berlin.
Von Bernhard Schulz
Zwei Gemälde, die zum Kernbestand deutscher Kunst gehören – das ist das Bildpaar „Mönch am Meer“ und „Abtei im Eichwald“. Caspar David Friedrich, der 1774 in Greifswald geborene und später in Dresden lebende Maler, hat sie 1809/10 geschaffen und sogleich auf die Berliner Akademie-Ausstellung gegeben. Dort erwarb sie der preußische König Friedrich Wilhelm III. auf Bitten des erst 15-jährigen Kronprinzen, der alsbald der bedeutendste Förderer der (nord-)deutschen Romantik in Kunst und Architektur werden sollte.
Mit der Berliner Ausstellung, dem Ankauf und der Überführung ins Berliner Schloss, ja schon während ihrer Entstehung im Dresdner Atelier, beginnt eine Rezeptionsgeschichte, die kaum ihresgleichen hat. So sehr Friedrich auch ab den 1830er Jahren in Vergessenheit geriet, so lebendig blieben durch zahlreiche Schriftzeugnisse die beiden, mit 110 auf 171 Zentimetern eindrucksvollen Gemälde. Eindrucksvoll aber waren und sind sie durch ihren Bildgegenstand, den man so zuvor nicht gesehen hatte: ein einsamer Mönch vor der unendlichen Weite von Himmel und Meer, und eine Kirchenruine inmitten alter, kahler Bäume vor einem bedrohlich düsteren Himmel.
Als Friedrich wiederentdeckt wurde, waren die Bilder von Firnis überzogen
War der Himmel tatsächlich so bedrohlich gedacht, war der Himmel über dem Mönch so grau? Man nahm es für selbstverständlich. Als Friedrich mit der Berliner „Jahrhundertausstellung“ von 1906 wiederentdeckt wurde, waren die Werke des 1840 verstorbenen Künstlers von nachgedunkelter Firnis überzogen. Restaurierungen seither hatten an der Atmosphäre des Bildpaares wenig geändert, sie dienten zuallererst dazu, mechanisch verursachte Schäden zu heilen.
Winterlich, nicht trostlos. Caspar David Friedrichs Gemälde „Abtei im Eichwald“.
Das ist nun anders, so grundlegend anders, dass man von einer Neuentdeckung der beiden Gemälde sprechen muss. In dreijähriger Arbeit haben Kristina Mösl und Francesca Schneider von den Staatlichen Museen zu Berlin die beiden Gemälde von Grund auf restauriert, und sie haben eine fabelhafte Arbeit geleistet; finanziert zur Gänze von der „Alfried Krupp von Bohlen und Halbach“-Stiftung. Was wir jetzt in den beiden Gemälden sehen, kommt dem nur zu vermutenden Originalzustand von 1810 so nahe wir nur irgend denkbar.
Die gern als Hoffnungslosigkeit, ja Todeserwartung gedeutete Düsternis, so der erste und wichtigste Eindruck, ist geschwunden. Verursacht hatten sie die bis zu sieben Schichten Firnis, die im Laufe der Zeit aufgepinselt worden waren und ganze Teilflächen des darunterliegenden Farbauftrags verdeckt hatten. Der Himmel über dem Mönch ist jetzt ein zartes Blau, ein Himmelsblau, das ebenso die Transparenz der dünnen Farbschichten erkennen lässt, wie es ikonografisch als Transzendenz zu deuten ist: Der Mönch, von Friedrich selbst in einer seiner raren Schriften als „törichter Mensch“ beschrieben, steht vor dem „unerforschlichen Jenseits“, das „nur im Glauben gesehen und erkannt“ werden kann.
Friedrich hat Landschaftsmalerei an der Dresdner Akademie gelehrt. Diese Bezeichnung greift zu kurz, denn seit jeher wird erkannt, wie bedeutungsgeladen seine Bilder sind. Allein um der präzisen Ausdeutung willen war die Restaurierung dringend notwendig. Jetzt erst wurden die beiden Schiffe entdeckt, die Friedrich im „Mönch“-Bild angelegt hat, zu beiden Seiten der Figur, von den Elementen schräg ins Meer gedrückt. Ähnlich verhält es sich bei der „Abtei“, deren perspektivische Fluchtung von der ruinösen Westfassade der Abtei bis zum Chorbau im Hintergrund erst jetzt zu erkennen ist. Und der Himmel ist mit einem Mal mit zartem Rosa aufgehellt.
Friedrichs Meisterwerke sind in der Alten Nationalgalerie von weiteren Kostbarkeiten umgeben
Helmut Börsch-Supan, dem die Friedrich-Forschung viel verdankt, hat dessen Kunst mit dem Wort „Landschaft als Sprache“ prägnant beschrieben. Diese Bilder sprechen. Um sie erneut zur vollen Aussage zu bringen, haben die Restauratorinnen die Gemälde so gründlich wie nie zuvor analysiert. So konnten sie nachweisen, dass die Leinwände beider Gemälde vom selben Stoffballen stammen und unmittelbar aneinanderlagen. Die feine Technik Friedrichs ist nachvollziehbar, so der Gebrauch von Smalte – „ein mit Kobalt gefärbtes körniges Glaspulver“ –, um die besondere Leuchtkraft der Himmelspartien zu erzielen, oder die feine Vorzeichnung, die der Künstler im „Abtei“-Bild exakt übernommen, beim „Mönch“ hingegen in wesentlichen Details verworfen hat. In der Alten Nationalgalerie sind nun diese beiden Hauptwerke der hiesigen, weltgrößten Friedrich-Sammlung nebeneinander zu sehen, umgeben von weiteren Kostbarkeiten von der Hand Friedrichs, ergänzt um eine ausführliche Dokumentation der Restaurierung.
Caspar David Friedrich ist längst zum wohl beliebtesten Maler der deutschen Romantik geworden. Seine Bilder nicht nur zu überfliegen, sondern sich in sie zu versenken ist die größte Herausforderung an das Publikum.
Die Sonderschau zur Restaurierung läuft bis 22. Mai. Alte Nationalgalerie, Di - So 10 -18 Uhr, Do 10 -20 Uhr.
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