Sonntag, 17. Mai 2015

Die höchstpreisigsteste Kunst aller Zeiten.

aus nzz.ch, 17. 5. 2015

Rekordpreis für Picasso in New York
Das hat nichts mit Kunst zu tun
Die unselige Verquickung von Kunst und Geld: Picassos Rekordbild von 1955 ist zwar ein Meisterwerk. Das gilt aber auch für Nabakovs im selben Jahr erschienene «Lolita», deren Wert rein ideell blieb. 

Kommentar von Philipp Meier

Was war der letzte Preisrekord nochmals? Ach ja, das war im November 2013 für ein Triptychon von Francis Bacon. 142 Millionen Dollar brachten die drei Porträtstudien zu Lucian Freud damals: ungefähr 47 Millionen pro Leinwand – geradezu ein Schnäppchen, könnte man denken, angesichts der neuerlichen Rekordpreise, die nun aus New York vermeldet werden. Dort erzielte ein Bild Picassos 179 Millionen Dollar, eine Bronzeplastik von Alberto Giacometti brachte es auf 141 Millionen. Auch hier erinnert man sich noch: Im Bereich der Plastik war es im Februar 2010, als Giacomettis «Schreitender Mann» mit 104,3 Millionen Dollar einen Rekordpreis für ein plastisches Kunstwerk aufstellte. Und natürlich war Picasso zuvor mit seinem surrealistischen Aktbild von 1932, das 2010 gar 106,5 Millionen einspielte, lange der Rekordhalter überhaupt auf dem Auktionsmarkt – bis dann Munch (2012: 119 Millionen) und eben Bacon kamen. Private Transaktionen mit Klimt (2006: 135 Millionen), Pollock (2006: 140 Millionen) und de Kooning (2006: 137,5 Millionen) hatten diese Auktionspreise indes bereits zuvor relativiert.

Wer solche Zahlen herunterleiert, mögen sie noch so beeindrucken, hat allerdings das Feld der Kunst längst verlassen. Hier geht es nicht mehr um Kunstwerke. Geld richtig anzulegen, mag zwar eine Kunst für sich sein in Zeiten der Negativzinsen. Im obersten Preissegment des Kunstmarkts ist aber auch dies kein wirkliches Kunststück. Auktionshäuser spielen dabei die Verwertungsmaschinen, auch wenn sie sich durch ihren Umgang mit Ikonen der klassischen Moderne gerne nobilitiert wähnen. Geld adelt bekanntlich nicht, und schon gar nicht in seiner unseligen Verquickung mit den Künsten. «Les femmes d'Alger» in der bunten Version von 1955 ist zwar zweifellos ein Meisterwerk. Dies gilt aber auch für Nabokovs im selben Jahr erschienene «Lolita» oder für James Deans «East of Eden» von 1955. Diese Werke haben Literatur- beziehungsweise Filmgeschichte geschrieben.

Es ist offenbar eine Frage des Trägermaterials, ob ein Kunstwerk zu Unsummen handelbar ist oder ob sein Wert rein ideeller Natur bleibt. Weil sie gebunden ist an Leinwand oder Bronze, haftet der bildenden Kunst heute jedenfalls etwas Schizophrenes an: Als Unikat ist sie gespalten in Materie und künstlerischen Inhalt. An der Biennale in Venedig jedenfalls wird dieser Tage über Letzteren debattiert – so ist doch zu hoffen.


Nota. - Das ist halb Kitsch, halb Faschingsdekoration. Ästhetisch kann ich dem gar nichts abgewinnen, aber in welcher Hinsicht denn sonst? Ich kann nur mit dem Kopf wackeln. Das habe ich ja schon mehrfach durchblicken lassen, dass ich an Picasso nicht entfernt so viel finden kann wie anscheinend der ganze Rest des Publikums. Ich werde mich nicht hinreißen lassen und sagen, der hat nix gekonnt. Gekonnt hätte er wohl schon was, das sieht man den frühen Stücken vor der Erfindung der kubistischen Masche an, aber so richtig umwerfend sind auch die nicht. Man hat schon da den Eindruck: Er kann, weiß aber nicht, was er soll. 

Dann hat er das Problem ein für alle Mal gelöst: Er soll das, was Furore macht und auf dem Markt brummt. Dalí hat man zeitlebens verhöhnt, weil er bloß hinterm Gelde herwär: Salvalí Dolar, und für eine steile Hype hätte er seine Großmutter verkauft! Ja, was soll man denn da von Picasso sagen? Alles Masche, alles Manier, jede Saison was Neues, immer nur Rummel. Und die Bilder? Gerade das Zeug aus den Fünfzigern ist mir ein Gräuel. Dalí muss man ja nicht mögen, es wurde gespöttelt, dessen Sachen hätten gar keine Aussage, die täten nur so tiefsinnig, außer der glatten, makellosen Form sei gar nix dran. Eine Aussage darf sich jeder selber denken (aber nicht bei Picassos Fiedenstauben), braucht er aber nicht, gottlob. Die Augen haben jedenfalls stets lange was zum Ansehen, das zählt, verstehen muss man nicht, es ist ja nur Kunst (- was ein künstlerischer Inhalt sein soll, werde ich in diesem Leben wohl nicht mehr begreifen). - Bei Picasso dagegen muss ich fast immer die Augen zumachen.

So, das habe ich gesagt und meinem Gewissen Ruhe beschert. 
JE

PS. Und dies erwarten Sie ja wohl von mir: Giacometti hat was getaugt, als er sich im Vorfeld der Surrealisten aufhielt, als er direkt bei ihnen war, wurde es schon ein bisschen trivial, und dann hat er nur noch seine Strichmännchen gemacht, eins wie das andere. Das mag man mögen, warum nicht. Aber 141 Millionen - sind die Leute nicht recht bei Trost? (Das haben Bacon und Richter nicht verdient, dass sie auch in der Liga spielen müssen.)


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