Freitag, 3. November 2017

Kitsch und politische Kunst.

 
Picasso, Massacre
 
Schlechter Geschmack ist nur Mangel an gutem. Aber Kitsch ist mehr. Zunächst einmal ist er die Indienstnahme des Schönen, das "ohne Interesse gefällt", für - Interessen. Das Schöne ist nur schön, solange es keinem Zweck dient. Genauer gesagt: so- lange es so aussieht, als ob es keinem Zweck diente. Darum gibt es Stufen des Kitsches: Das unerfahrene Auge - das des Kin- des zum Beispiel - erkennt den Zweck dahinter weniger leicht als ein gebildeter Blick. Dem reicht es schon, dass man der Schönheit die Mühsal ansieht, die ihre Produktion gekostet hat; im klassischen Ballet zum Beispiel und auf der Opernbühne. (Als Kunst schätzt er dann vorzüglich die Perfektion, mit der die Künstler ihren Kraftakt überspielen.)

Das also stimmt: Kunst, die im Dienst von Politik steht, wird unvermeidlich Kitsch - wenn sie ihn nicht agitproppig über- schreit. Woher dieser Unterschied? Derjenige Zweck, dem das Schöne am liebsten unterworfen, und der darum auch am liebsten übersehen wird, ist das Selbstgefallen. Dient das Werk außer einem politischen Zweck noch dem Selbstgefallen der Betrachter, wird der Kitsch perfekt. Und dann wird der politische Zweck ganz unwichtig. Und umgekehrt: Wenn die politi- sierte Kunst den Betrachter nicht in Selbstgefallen wiegt, sondern zu Kampf und Todesmut aufstachelt, mag sie immer noch von schlechtem Geschmack sein, aber sie heißt dann nicht Kitsch, sondern Agitprop.

Nein, weltliche und Kirchenfürsten waren nicht nur ausnahmsweise Kenner und Förderer der Künste. Denn dadurch ver- herrlichten sie ihre Herrschaft. Erst in bürgerlichen Zeiten muss die Politik sich vorm Volk legitimieren. Zuvor reichte es aus, dass sie sich darstellte, zur Schau stellte, denn legitimiert war sie durch höhere Mächte. Das war bei den Usurpatoren in den italienischen Renaissancefürstentümern nicht mehr selbstverständlich, denn die gegnerische Adelspartei wartete schon auf die nächstbeste Gelegenheit, und so nahm die Selbstinszenierung selber kämpferische Züge an. Schleimig und buhlend wird die politische Indienstnahme der Kunst erst in der Epoche der Volksherrschaften. Der Kitsch ist eine Erscheinung der bürgerli- chen Gesellschaft, wie allerdings auch die Avantgarde. Und seither ist Geschmack auch nicht mehr eine Frage der höheren oder geringeren Bildung, sondern Teil der jeweiligen Weltanschauung.
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