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1. Felderviereck im Staat Mato Grosso, Brasilien 1966.
2. Der Stern von Montady, Département Hérault, Frankreich 1972
3. Erntemuster in der Pampa, Argentinien, 1967.
4. Fischfallen in der Laguna de Bay auf Luzon, Philippinen, 1969.
5. Linsen vor der Ernte in Whitman County, Washington, USA 1988
6. Miniatur-Oase in der Souf Region der Sahara, Algerien 1972
7. Sicheldüne der Tengger-Sandwüste in der Wüste der Gobi
8. Tundra Permafrost
9. versalztes Weizenfeld bei Katanning, Westaustralien,
10. Weizenanbau bei Caparroso in Navarra, Spanien 1995.
11. Winterliches Jauche- und Mistbild bei Rochester, Minnnesota, USA 1981
12. Kirschenburg in Tartlau, Siebenbürgen
Tinguely
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Ich kann nichts dafür,
Jochen Ebmeier
Ich glaube, wenn ich malen könnte und wirklich wollte, aber nicht wüsste, wie ichs anfangen soll, dann würde ich mir an Stephen Magsig ein Vorbild nehmen. Ab da ist alles möglich, und es wird sich finden.
aus Badische Zeitung, 02. Februar 2019 Akrobatenfamilie mit einem Affen (1905)
Der Verwandlungskünstler
"Der junge Picasso": Die Fondation Beyeler eröffnet die große Ausstellung zur Blauen und Rosa Periode.
Von
Volker Bauermeister
Als der junge Spanier im Jahr 1900 Paris besuchte, war auf der
Weltausstellung ein ehrgeiziges Werk von ihm zu sehen. "Letzte
Augenblicke". Doch war er bereit, dieses und überhaupt alles zu
vergessen, was seine frühreife Malerei ausgemacht hatte. Ein
atemberaubender Neuanfang; noch eben im Pariser Musée d’Orsay war dies
zu erleben. Jetzt am Sonntag eröffnet der Schweizer Kooperationspartner
Beyeler die große Ausstellung "Der junge Picasso". Kurator Raphaël
Bouvier hat Zeugnisse dieses Aufbruchs in die Moderne in eine
eindrucksvolle Reihe gebracht.
Aus Pablo Ruiz wird (mit der Übernahme des Familiennamens der Mutter)
Pablo Picasso. Und der erweist sich als Verwandlungskünstler nicht nur
in dem Moment. Das oft zitierte Sich-Neuerfinden, ihm wird es zur
Praxis. Sechs Jahre – von 1901 bis 1906 – überblicken wir in Riehen.
Gleich am Anfang wird da einer sichtbar, auf den stürzen van Gogh wie El
Greco, Toulouse-Lautrec, Degas, Manet oder Gauguin ein. Er ist offen
für alle. Als er im Mai 1901 zum zweiten Mal nach Paris kommt, geht es
darum, eine Ausstellung beim Händler Vollard zu stemmen. Der
bildhungrige Picasso bewährt sich unter Produktionszwang. Als
Verdauungsathlet steht der erst 19-Jährige da. Ein verblüffter Kritiker
erklärt, der junge Mann, in seiner "stürmischen Gangart", habe noch kaum
Zeit gehabt, einen "persönlichen Stil" zu finden.
Dies holt der prompt nach. Die grellen Reflexe des Nachtlebens blendet
er aus, die Bildbühnen taucht er allesamt in Blau. Anstelle von
fiebriger Erotik: lastende Stille. Armut, Krankheit, dumpfer Rausch. Mit
der Blauen Periode provoziert Picasso als Maler des Elends. Er sagt,
dass sein Freund Casagemas sich umbrachte, habe ihn zum Blau gebracht.
Es hat eine lange Schrecksekunde gebraucht. Und das kalte Blau ist eben
auch eine bedachte Entscheidung. Von Mitgefühl sprechen Bilder wie "Die
Beerdigung Casagemas’", doch sind sie höchst kunstvoll in der
Übertreibung: stilisiert, ja manieriert im Detail.
Beerdigung Casagemas
Ein Selbstbildnis von Ende 1901 zeigt im Nachtblau den Künstler mit
blassem Teint und durchdringendem Blick. Das ist kein exaltierter
Auftritt, wie noch kurz zuvor. Hier beansprucht einer schlicht
selbstbewusst, schon ein Großer zu sein in seinem Metier. Er scheut den
Vergleich selbst mit Velázquez nicht. Von dem Bildnis sagt der Biograph
John Richardson, es sei "vielleicht das schönste Werk, das Picasso bis
zu diesem Zeitpunkt geschaffen" habe.
La vie 1903
Zwei Jahre später gelingt ihm in Barcelona – er pendelt zwischen Spanien
und Paris – ein Hauptwerk der Blauen Periode. Mit "La Vie" übermalt er
"Letzte Augenblicke". Eine Sterbeszene ersetzt er durch eine Art
Atelierbild. Ein junges nacktes Paar konzentriert das Thema der
Umarmung. Die Figur der Mutter mit Kind basiert auf den Studien im
Pariser Frauengefängnis. In eine düstere Muttergottes verwandelt sie
sich. An Versuchen, die noch durch Bilder-im-Bild inhaltlich aufgeladene
Szene zu entschlüsseln, hat es nicht gefehlt. Ist es eine grüblerische
Selbstbetrachtung? Fest steht, dass Picasso in dem entblößten jungen
Mann im Zentrum noch einmal den unglücklichen Casagemas sieht – und
dass Vorentwürfe an der Stelle ein Selbstbildnis zeigten. Der Hinweis
auf Gauguin und dessen "Woher kommen wir?" bezeichnet treffend das Maß
der Verrätselung. Auf Durchschaubarkeit ist der Bildautor nicht aus.
"Einen versteckten Sinn zu entdecken, mag anderen vorbehalten sein",
weist Picasso die Deutung ab: "Für mich ist ein Bild die Botschaft
selbst." Artifizielle Dichte ist das Ergebnis.
Deux femmes au bar, 1902
Es ist die Welt der Artisten, der Gaukler, mit der sich Picasso
identifiziert. Die Figuren des Zirkus bevölkern die neuen Bildräume in
Rosa. Er zeigt sie abseits der Manege, selbstvergessen, wie verloren.
Wie zart das Netz ist, das ihr Leben sichert! In "Akrobat und junger
Harlekin" gleiten die Phasen des Blau und des Rosa ineinander [siehe unteren Artikel]. In der
elegischen Stimmung klingt die Tristesse nach. Der Harlekin ist ein sich
selbst noch ganz ungewisses Wesen, der Akrobat erinnert an den
ausgezehrten Blinden der Radierung "Das karge Mahl".
L'équilibriste sur la balle, 1905
Die "Frau im Hemd" ist 1905 zwar noch blau getönt, doch schon in einer
Weise empfunden, als wäre sie rosa. Es ist die Freundin Madeleine in
ihrer fein gezeichneten Verletzlichkeit. Die "Akrobatenfamilie mit einem
Affen" wurde auch schon im Blick auf Madeleine gedeutet. Jedenfalls
stellt sich das Mutter-Kind-Motiv hier auf einer anderen als der
freudlosen blauen Ebene dar. Und all die Paare und Gruppen in der Zeit
sind doch auch Phantasien der zärtlichen Verankerung des einen Menschen
im andern.
Frau im Hemd 1905
Seit dem Frühjahr 1904 wohnt Picasso im Bateau-Lavoir, dem desolaten
Atelierhaus am Montmartre, das eine Spielstätte der Pariser Bohème war.
Er hatte in der Stadt ein Lebenszentrum gefunden. Doch eine
künstlerische Wende leitet ein Aufenthalt in Spanien ein, im
Pyrenäendorf Gósol, im Sommer 1906. Er reist an mit seinem Rosa und dem
Klassizisten Ingres im Kopf, mit Bildgedanken von sanfter Schönheit, die
sich in den "Zwei Brüdern" aus dem Basler Kunstmuseum niederschlagen.
Und doch kommen hier in Gósol neue, gegensinnige Formcharaktere zur
Geltung. Der Klassizismus verkehrt sich in einen rauen Primitivismus.
Picasso sucht Bildsubstanz mit Formkraft aufzuladen. Fernande – die
Lebensgefährtin an der Stelle Madeleines – ist das Gesicht und der
prägende Körper dieser und der nächst anschließenden Zeit.
Deux frères, 1906 [Es gibt mehrere Versionen]
Ein großformatiger "Sitzender Frauenakt" mutet wie eine aus der
Malfläche unwillkürlich hervor gestülpte Skulptur an. Ein Selbstbildnis
mutiert dem Maler zum massiven Ereignis der Form. Und es war auch
plausibel, wenn er sich in den Pyrenäen verstärkt zur plastischen Arbeit
hingezogen fühlte.
Femme nue assise les jambes croisees,1906
Die Figuren, die er modelliert und schnitzt, wirken
aus dem stofflichen Volumen heraus. Den Kopf eines alten Mannes schleift
er zum Rundling. In Gósol waren ihm die alt-iberischen Skulpturen näher
als in Paris, wo er sie im Louvre entdeckt hatte.
Er ist Mitte zwanzig. Und er versteht es, den Eindruck zu wecken, dass
die Bildwerke sich selbst generieren. Nach allem, was die Ausstellung
bietet, nach der tiefernsten Parade in Blau und dem feinen Sentiment der
Gaukler, markiert die "Femme" aus dem Umfeld der "Demoiselles
d’Avignon" einen hauseigenen Beyeler’schen Fixpunkt am Schluss: eine
furios gemalte Introduktion in die Strukturen des Kubismus. Dies
Frauenbild lässt Weg und Wendungen vergessen, die es bis hierhin
brauchte. So setzt sich Bildbewusstsein in Szene.
Was andere Picasso gaben: Es diente ja immer seiner eigenen Verwandlung.
Er macht daraus seins. Jetzt verdaut er Cézanne, samt El Greco und
Afrika, und es kommt wieder etwas bis dato Ungesehenes heraus.
Fondation Beyeler, Riehen/Basel. "Der junge Picasso" vom 3. Februar bis 26. Mai, täglich 10–18, Mi bis 20 Uhr.
Parallel zu "Der junge Picasso" bietet die
Sammlungsausstellung "Picasso Panorama", mit Werken aus dem Fundus der
Fondation und einer Reihe von Dauerleihgaben, bis zum 5. Mai einen
weiten Blick über das Œuvre.
Nur einen Tag später legt dieselbe Zeitung nach:
aus Badische Zeitung, 03. Februar 2019 in Paris 1904
Ein berührendes Hochamt
Die Fondation Beyeler feiert den Jungen Picasso der Blauen und Rosa Periode.
"Als ich Kind war, sagte meine Mutter: 'Wenn du Soldat wirst, wirst du General werden. Wenn du ein Mönch wirst, wirst du schließlich Papst
werden.' Stattdessen habe ich es als Maler versucht und wurde Picasso. "
"Dies ist die ambitionierteste, größte und teuerste Ausstellung in der
Geschichte der Fondation Beyeler", sagte deren Direktor Sam Keller bei
der Eröffnung im Riehener Privatmuseum, dessen Untergeschoss aufwendig
in ein Belle-Epoque-Café samt Bühne und Bar verwandelt wurde. Vier Jahre
und sieben Millionen Euro hat es gekostet, schwer erhältliche Bilder
aus Blauer und Rosa Periode zusammenzutragen. Picasso ist die größte
Marke der Kunstgeschichte, und sie hat ihren Preis. Der Eintritt ist um
ein Drittel teurer, der Gratiszugang für unter 25-Jährige ausgelaufen.
Ein eigener Picassoshop erwartet die Besucherströme.
Akrobat und junger Harlekin, 1905
Bei Picasso verschärft sich aber auch eine Frage, die sich überall
stellt, wo Künstler der Klassischen Moderne in immer teureren
Ausstellungen die Museen füllen sollen: Wie stellt man die
Sehgewohnheiten wieder auf Null? Wie kann man Picassos Blauer und Rosa
Periode, seit den 50er Jahren ein Deko-Phänomen von Poster bis Film,
wieder erleben statt konsumieren? Indem man wieder von vorne beginnt?
Das geht hier erstaunlich gut auf. Zwar gibt es keine Werke aus der
Wunderknabenperiode, als das Kind Pablo Alte Meister virtuos kopierte.
Die von Raphaël Bouvier konzipierte Ausstellung steigt in Paris ein, wo
Pablo Ruiz y Picasso, begeistert vom Leben der Bohème, den Cafés und
Bordellen, schillernd und schrill das Nachtleben malt, mal im Stile
Toulouse-Lautrecs, dann mit den breiten leuchtenden Strichen Van Goghs.
An Selbstbewusstsein mangelt es ihm nicht. 1901 inszeniert sich der
Maler stolz als Künstler: "Ich Picasso"
Le Bâteau Lavoir
Dann steht man plötzlich vor diesen beiden so fremd wirkenden Bildern.
An einer kalten, graublauen Mauer steht eine Trauergemeinde um einen
offenen Sarg. Die Gesichtszüge des Toten sind ausgelöscht, wie die der
meisten Trauernden. Im zweiten Bild liegt der Tote im Laken auf dem
Friedhofsgrund, in Schwarz gehüllte Trauernde um ihn. Weiter oben strebt
ein weißes Pferd gen Himmel, eine Nackte klammert sich an den dunklen
Reiter. Weitere Frauen scheinen aus den Bordellen Paris’ gekommen zu
sein, um der "Beschwörung" beizuwohnen.
Évocation (Enterrement de Casagemas) 1901
Eine Beschwörung auch des Schmerzes um den toten Freund Casagemas, aus dem der Mythos Picasso ersteht. Die Blaue
Periode beginnt.
"Eine innere Notwendigkeit" sei es im Herbst 1901 gewesen, seine
Farbpalette auf kühle Blau- und Grautöne zu reduzieren, sagt Picasso
später. Das nächste Selbstporträt zeigt einen gealterten, hageren Mann
mit Bart in einem bleiernen Nichts. Und es entstehen tief berührende
Bilder vom Rande der Gesellschaft, wo der Glanz der Bohème nicht mehr
wärmt. Die "Elende", die Trinkerinnen, der ausgemergelte
"Mistelverkäufer" mit den langen Extremitäten. Blinde, Alte, Schwache,
eine in Blau gefrostete Welt von Leid und Melancholie. Nicht immer frei
von symbolistischer Konvention. Wie im monumental inszenierten "La Vie",
das sinnliche Liebe, Mitgefühle und Entbehrung der Mutterschaft
gegenüberstellt.
Die Absinthtrinkerin
In den folgenden Jahren entfalten Picassos Bilder den Zauber und die
große Zartheit, die ihn berühmt machen wird. Mit der Hinzunahme von
Rosatönen wendet er sich der Welt des Zirkus zu, doch er malt die
Harlekine und Akrobaten (fast) nie auf der Bühne, sondern als
ausgezehrte Künstler, die einen hohen Preis für ein Leben jenseits der
Konvention bezahlen. Bilder wie die "Akrobatenfamilie" mit dem Affen von
1905 [s. Kopfbild] sind mitfühlend und zart, aber ohne Botschaft. Für sie wird
Picasso global geliebt, sie kommunizieren universal und ohne Vorwissen.
Une famille de saltimbanques, 1905
1906 verweilt Picasso über den Sommer im Pyrenäendorf Gósol. Dort malt
er die rosaroten Brüder und weitere Akte und Szenen aus dem einfachen
Leben. Entscheidend aber wird die Entdeckung der archaischen Kunst.
Picasso greift zu Fundhölzern, die er grob bearbeitet und aus denen er
Frauenköpfe mit vereinfachten Zügen schnitzt. Sein Sohn Claude sagte im
Rahmen der Ausstellungseröffnung: "Wenn mein Vater sich in eine Ecke
gemalt hatte, griff er zur Skulptur. So konnte er durch das schwarze
Loch gehen und den nächsten Schritt tun."
Clown und junger Akrobat, 1905
Der zeigt sich ab Herbst 1906 zurück in Paris: Die Figuren werden robust
und gedrungen, Züge und Formen vereinfachen sich radikal, sie wirken
typisiert. Im Winter malt Picasso einen sitzenden Frauenakt – er malt
bald überhaupt vor allem Frauen und Frauenkörper –, dem er geometrische
Formen einschreibt, im Frühjahr 1907 eine Nase im Profil, das Gesicht
frontal. Die Revolution, die kurz darauf mit den "Demoiselles d’Avignon"
beginnt, steht kurz bevor: Die Zergliederung der Körper, die
Gleichzeitigkeit mehrerer Perspektiven, der Kubismus.
Le harem, Gosol 1906
Später sollte der alte Picasso im Rückblick sagen: "Die Blaue und Rosa
Periode waren die Paravents, hinter denen ich sicher war. Im Schutz
meines Erfolgs habe ich tun können, was ich wollte, alles was ich
wollte." In acht weiteren Sälen deutet die Fondation Beyeler mit 40
Gemälden, darunter 30 eigenen, an, welch radikale Wege Picasso zu gehen
bereit war. Und man versteht, was Claude Picasso als "wichtigste
Lektion" bezeichnet, die ihn sein Vater lehrte: "Man muss Risiken
eingehen."
Die Fondation Beyeler ist ein Haus, das Kunst liebt und auch hier auf
Dokumente, Materialien, Skizzen verzichtet. Das gibt den Räumen etwas
von einem Hochamt. Die kunstgeschichtliche Expertise bündelt ein
reichhaltiger Katalog. Die Ausstellung lässt allein die Bilder sprechen.
Les Demoiselles de (la Rue) d'Avignon, 1907
Nota. - Das "Genie der Moderne" hat ihn der Leiter der Kunstredaktion in der Neuen Zürcher genannt, und hat damit voll ins Schwarze getroffen; allerdings in einem ganz andern Sinn, als er denkt. Das Genie der Moderne ist, dass zum obersten Sinnstifter der Markt geworden ist. Seit im Goldenen Zeitalter in Amsterdam ein Kunstmarkt entstand, wird auch in der Bildenden Kunst der Tausch den Wert bestimmen, aber seine Vollendung fand das erst im 20. Jahrhundert, und Blut und Fleisch wurde es in Pablo Ruiz, der früh erkannte, dass er es mit dem Namen nicht weit bringen würde, und sich nach seiner Mutter Picasso nannte.
Ich nutze die Gelegenheit, einmal zu schreiben, was ich davon halte, und damit soll's auch gut sein.
Dass er gar nicht malen konnte, werde ich nicht sagen, die frühe Pariser Sachen sind ja nicht schlecht, ab er eine Jahr- hundertbegabung offenbaren sie nicht gerade, weder in Zeichnung, Farbgebung, Verhältnis der Massen noch gar - in der Motivik. Harlekins und Akrobaten, na schön. Aber immer wieder? Fällt ihm sonst nichts ein?
Eben: Das ist das Problem. Es ist zeitgenössische Genremalerei, sowas geht beim Publikum, das ist nicht zu verschmähen. Das kann einer aufgeben, dem die Bilder nur so in den Kopf schießen und der einen großen gestalterischen Drang hat. Der wird meinen, ums Publikum kannst du dich immer noch kümmern, erst musst du mal wissen, wo's lang geht. Das ist nicht Picassos Fall. Der sichert sich zuerst sein Publikum, wo's lang geht, wird man sehen. Auf jeden Fall muss man interessant sein. Wo ein Deutscher sagt, 'der macht sich wichtig', sagt der Franzose: il fait l'intéressant, zwei Nationalcharaktere kommen da zur Sprache und machen verständlich, wieso neben den Fauves unsere Expressionisten so bierenst wirken.
Seinen Stil hat er längst gefunden, was immer sonst geraunt wird: Es ist die Manier. Der Stil arbeitet heraus, worauf es dem Künstler ästhetisch ankommt; das andere kann er vernachlässigen. Die Manier arbeit heraus, was dem Publikum auffallen soll. Und wenn es sonst nichts anderes ist als eine andere Farbe, Rosa anstelle von Blau. Das generiert auch gleiche ein Marketingkategorie: Rosa Periode, das davor wird ipso facto zur Blauen Periode, wirklich intéressant!
Die Manier hat freilich - zumal, wenn sie Erfolg hat - den Nachteil, dass bald alle ein Stück davon in der Wohnung haben, und dann muss Neues her. Eine andere Manier eben.
Die Blaue und Rosa
Periode waren die Paravents, hinter denen ich sicher war. Im Schutz
meines Erfolgs habe ich tun können, was ich wollte, alles was ich
wollte, wird er oben zitiert. Aber tatsächlich hat er hinterm Paravent seines Erfolges verschleiern können, dass er in Wahrheit gar nichts wollte; jedenfalls nicht künstlerisch, da war ihm eins so gut wie das andere. Dass der Erfolg mal nur nicht nachließ - das war 'alles, was er wollte'. Und da er früh zu üben begonnen hatte, schaffte er's bis über den Tod. Ist er Risiken eingegangen? Sagen wir mal: Er hat genial gezockt.
Dass das alles nichts taugt, werde ich nicht sagen, ich bin ja nicht blöd; manches ist sogar ganz gut, aber das sind n icht unbedingt die berühmtesten Sachen (die Frau im Hemd oben z. B.). Doch Furore gemacht hat er mit den immer wieder brandneuen Manieren, damit hat er Epoche gemacht, er hat einen Maßstab gesetzt, und wenn einer verantwortlich ist für den Zustand der Gegenwartskunst und für die Erwartungen des Markts, dann ist er es, das kann kein Dalí ihm streitig machen; Kunst ist Bluff, der sich bezahlt macht.
Dass er der bedeutendste Maler des 20. Jahrhunderts wäre, glaubt ja wohl keiner im Ernst.
JE