Lysipp, Eros
Anschauen ist ein sich-Verlieren im ganz-Andern. Das ist seine Versuchung; es ist im Plato'schen Sinn erotisch.
Problematisch wird es beim bildenden Künstler. Seiner Einbildungskraft hat ein Bild vorgeschwebt, in dem er sich verloren hat. Aber er will es wiedergeben. Er muss es von sich absondern, um es fassen zu können. Doch sobald er es gefasst hat, ist es kein wirklich Anderes mehr; er müsste es so fassen, dass es, ungeachtet seiner Vertrautheit mit ihm, allen Andern als 'ganz anders' vorkommt. Und das ist sein formales, sein künstlerisches Problem: Er kann sich an die Ausarbeitung seiner Wiedergabe nicht heranmachen ohne Berechnung.
Es gab bildende Künstler, deren Bilder so aussehen, als habe mit der Berechung ihre bildnerische Produktion angefangen und die Anschauung sei aus einem fertigen Repertoire an irgendeiner Stelle nur herbeigezogen worden. Ich denke, um nicht viel Ärger zu riskieren, an William Bouguereau: Die einen sagen, es sei akademisch, die andern sagen, es ist Kitsch.
Kunst wäre es, wenn seine Einbildungskraft ihm ein Bild hat vorschweben lassen, das, nachdem es durch den Fleischwolf sei- ner tastend-bestimmenden Experimente gegangen ist, doch immer noch so stark geblieben wäre, dass es die Einbildungskraft der andern so dazu versucht, sich in ihm zu verlieren, wie er es tat, bis er sich ans reflektierende Wiedergeben gemacht hat.
Ein Künstler ist er, wenn es ihm gelang, aus seinem Herzen eine Mördergrube zu machen, ohne dass jeder es sehen kann.
Es gibt aber auch solche, die von vorn bis hinten nur bluffen.
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