Montag, 14. November 2016

Was vom Künstler bleibt, wenn die Kunst versandet.


aus nzz.ch, 10.11.2016, 18:21 Uhr 

Der Kunstmarkt und seine Opfer 
Wer nennt sich denn heute noch Künstler? 
Auf dem Kunstmarkt will alles immer höher hinaus – niemand fragt nach der Kunst, die auf dem Müll landet. 

von Christian Saehrendt

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Jochen Ebmeier


Nota. - Früher, als die Kunst sich als ein zünftiger Beruf zu etablieren und neben der Wissenschaft zu einer besonderen gesellschaftlichen Instanz aufzuwerfen begann, wurde Künstler, wer die Regeln der Kunst gelernt hatte. Das blieb so, bis Kunst mit einem großen K zu einer Sache der Avantgarde wurde; van Gogh war Autodidakt, jetzt kam es auf Genie an und nicht auf Handwerk. Daneben wird die Akademische Malerei zu einem eigenen Fach, das sich stets seinen Marktanteil bewahrt, aber öffentlich als Kitsch und Gebrauchskunst verrufen ist. 

A propos Marktanteil: Als Kunst erstmals für einen freien, bürgerlichen Markt entstand, wo ein Gulden so gut war wie ein anderer, nämlich in Hollands Goldenem Zeitalter, hatte es ein erstes Großaufgebot an autodidaktisch dilettierenden Künstlern gegeben, der steigenden Nachfrage folgte rasch das passende Angebot.

Vorher war es klar: Künstler ist, wer einer Gilde angehört und in der Werkstatt eines etablierten Meisters die nötige Fertigkeit erworben hatte. Ein bürgerliches Auskommen war ihm sicher, und wer höher hinaus wollte, musste zu Hofe gehen. Da konnte man aber auch tief fallen.

Mit der Scheidung von Avantgarde und Kunstgewerbe muss sich der Künstler, der auf diesen Namen Wert legt, durch sein Werk rechtfertigen: "Ist das denn noch Kunst?" Doch ein Werk, das diese Frage nicht hervorruft, wird bald in der Versenkung verschwinden, Kunst muss riskiert werden, die spezifische Lebensform des Künstlers ist La Bohème. Merke bei der Gelegenheit: Vor dem neunzehnten Jahrhundert war es eine unausgesprochene Selbstverständlichkeit: Kunst ist, was Künstler machen; heute klingt es wie ein verwegenes Paradox. 

Es trifft sich nämlich, dass, was ein Künstler ist, mittlerweile nicht minder in Frage steht, als was Kunst ist. Das Tafelbild ist aufgebraucht, der Künstler definiert sich nicht mehr durch sein Werk, sondern durch seine wech- selnde Sichten auf das Problem "Was kann man heute noch malen?" Spitzenkunst, das Aktuellste vom Aktu- ellen, ist Showbiz und Entertainment, sie bringt dem, der richtig gezockt hat, unvorstellbare Summen ein; aber keine Rechtfertigung durch sein Werk.
JE

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