aus derStandard.at, 30. Jänner 2017, 13:40 Ritzzeichnung aus dem Abri Blanchard
38.000 Jahre alte Felskunst im Südwesten Frankreichs entdeckt
Rätselhafte Ornamente um eine Tierzeichnung erinnern an Funde aus anderen Regionen
Paris – Ein internationales Forscherteam hat im Südwesten Frankreichs ein 38.000 Jahre altes Kunstwerk entdeckt. Die Ritzzeichnung auf einer Steinplatte im Département Dordogne müsse zu den ältesten Felszeichnungen Europas gezählt werden, schreiben die Forscher um Raphaëlle Bourrillon (Oxford University) und Randall White (New York University).
Die Darstellung zeigt nach Interpretation der Archäologen einen stilisierten Auerochsen, der von mehreren auffälligen Punktreihen umgeben ist. Solche Ornamente sind auch aus anderen Fundstätten bekannt, etwa aus der Höhle von Chauvet und von Funden auf der Schwäbischen Alb.
Unklare Bedeutung
Die Verbreitung der Technik und die thematische Ähnlichkeit der Darstellungen ließen auf eine überregionale Bedeutung schließen, so die Forscher im Fachblatt "Quaternary International". Wofür die Muster stehen, ist allerdings unklar. Sie sind jedenfalls fast immer um oder neben Abbildungen von Tieren zu sehen.
Gleichzeitig weisen die Ornamente der verschiedenen Fundorte auch Eigenheiten auf, was Ausdruck der Entwicklung regionaler Identitäten sein dürfte. "Die Entdeckung wirft ein neues Licht auf die regionale Ausprägung von Kunst in ganz Europa zu einer Zeit, in der sich der moderne Mensch über den Kontinent verbreitete", sagte White.
"Nach ihrer Ankunft aus Afrika ließen sich die modernen Menschen in West- und Mitteleuropa nieder und verfügten zunächst über große Gemeinsamkeiten in ihrer grafischen Ausdrucksweise", so der Forscher. Mit der Zeit entstanden dann regionale Unterschiede. Die Fundstätte im Tal des Flusses Vézère ist schon seit Anfang des 20. Jahrhunderts bekannt. Neue Ausgrabungen einer teilweise eingestürzten Höhle brachten das Kunstwerk ans Licht. (red.)
Abstract
Quaternary International: "A new Aurignacian engraving from Abri Blanchard, France: Implications for understanding Aurignacian graphic expression in Western and Central Europe"
aus scinexx aus Hohle Fels, Schwäbische Alb
Frankreich: 38.000 Jahre alte Felskunst entdeckt
Rätselhafte Punkte erweisen sich als überraschend weit verbreitetes Motiv
Schon die ersten Vertreter des Homo sapiens in Europa hinterließen vor rund 40.000 Jahren ihre Kunst an Höhlenwänden und auf Felsbrocken. Diese Kunst der Aurignacien-Kultur reicht von Handabdrücken über einfache Tierfiguren bis hin zu halbabstrakten Darstellungen von Körperteilen und rätselhaften Punktreihen.
Auerochs mit Punkten
Jetzt haben Raphaelle Bourillon von der University of Oxford und ihre Kollegen ein weiteres Beispiel dieser seltsamen Punktreihen entdeckt – eines der bisher ältesten bekannten Kunstwerke mit diesem abstrakten Motiv. Sie entdeckten das Kunstwerk auf einer Steinplatte im Felsuntertand Abri Blanchard in der Dordogne.
Die rund 38.000 Jahre alte Ritzzeichnung zeigt einen stilisierten Auerochsen, der von Punktreihen umgeben ist. "Dieses Bild zeigt signifikante technische und thematische Ähnlichkeiten mit der Höhle von Chauvet, die sich auch in anderen Felszeichnungen aus dem Abri Blanchard finden", berichten die Forscher. "Die geordneten Punktreihen finden sich in Chauvet, in Süddeutschland und auf einigen andern Objekten aus dem Abri Blanchard und den umgebenden Aurignacien-Stätten."
Auffallende Gemeinsamkeiten
Was diese Punkte bedeuten, ist bisher völlig unklar. Während sie in der Hohle-Fels-Höhle in der Schwäbischen Alb in Form von roten Doppelreihen auftreten, sind sie in der Höhle von Chauvet und auch im Felsunterstand Abri Blanchard eher gruppenweise zu sehen und stehen meist in der Nähe von Tierfiguren.
Das häufige Auftreten dieser Punktsymbole spricht nach Ansicht der Forscher dafür, dass sie für unsere Vorfahren eine große Bedeutung hatten – auch wenn diese bisher nicht entschlüsselt wurde. "Die Entdeckung der neuen Felsbilder wirft ein neues Licht auf die Muster und Ornamentation zu einer Zeit, als die ersten Menschen sich in Europa verbreiteten", sagt Koautor Randall White von der New York University.
Obwohl die verschiedenen Gruppen der ersten Homo sapiens weit entfernt voneinander lebten, nutzen sie demnach sehr ähnliche Motive, die durch regional typische Eigenheiten ergänzt wurden. Möglicherweise stützt dies die Theorie, dass unsere Vorfahren die Fähigkeit zur Kunst und erste Motive schon aus Afrika mitbrachten. (Quaternary International, 2017; doi: 10.1016/j.quaint.2016.09.063)
(New York University, 30.01.2017 - NPO)