Samstag, 4. Juli 2015

So schmeckt der Name der Rose.

aus beta.nzz.ch, 3.7.2015, 05:00 Uhr

Sprach-Psychologie
Wie die Glace klingt
Pommes Chips kann man nicht gleich nennen wie Glace.* Warum, das hat ein amerikanischer Linguistikprofessor erforscht. Es könnte daran liegen, dass Mäuschen fiepen und Hirsche röhren.

von Ümit Yoker

Während Linguisten noch darüber streiten, ob von den Namen, die wir Dingen geben, manche von Natur aus besser passen oder ob das Ganze doch eine willkürliche Angelegenheit ist, haben Marketingexperten längst entschieden: Natürlich spielt es eine Rolle, ob die neuste Glace in der Tiefkühlabteilung «Frish» heisst oder «Frosh».

Eher «Frosh» statt «Frish»

Das zumindest sagen Eric Yorkston und Geeta Menon. Die beiden Marketingprofessoren aus den USA haben in einem Experiment Studenten je eine von zwei fiktiven Pressemitteilungen zur Lancierung einer neuen Glacemarke vorgelegt und ihre Probanden gebeten, diese zu beurteilen. Das Ergebnis: Das Eis mit dem Namen «Frosh» wurde stets als cremiger und vollmundiger beurteilt als sein Pendant «Frish». Und da cremig und vollmundig die Eigenschaften sind, die man in der Regel von einer Glace erwartet, wollten die Probanden «Frosh» auch viel öfter kaufen.

Warum aber «Frosh»? Warum nicht «Frish»? Für eine Antwort verweist der amerikanische Linguist Dan Jurafsky in seinem Buch «The language of food»auf die Theorie der Klangsymbolik: Wir scheinen Vokale wie «i» oder «e» eher mit Dingen zu verbinden, die klein, leicht und schmal sind, während Laute wie «o» oder «a» für Grosses und Schweres stehen. Dies wiederum könnte damit zu tun haben, dass kleine Tiere höhere Töne von sich geben als grosse, die Maus fiept, der Hirsch aber röhrt, und die Verknüpfung zwischen Frequenz und Grösse seit Urzeiten besteht.

Doch klingen manche Wörter nicht nur dicker und solider als andere – bisweilen hören wir aus einer Lautfolge auch sanfte Rundungen oder zackige Strukturen heraus. Bereits in den 1920er Jahren hatte Wolfgang Köhler als einer der Begründer der Gestaltpsychologie festgestellt, dass von Phantasiewörtern wie «Maluma» und «Takete» ersteres stets weichen und letzteres eher harten Formen zugeordnet wird. Dies lässt sich zum Beispiel auf Schokolade oder Mineralwasser übertragen, wie neue Untersuchungen zeigen. So sind Milchschokolade und stilles Wasser eher «Maluma», die Schokolade mit den 90 Prozent Kakaoanteil hingegen und das Sprudelwasser, das einen im Hals prickelt, ganz klar «Takete».

Chips krachen mit «i»

Dem Linguisten Dan Jurafsky aber gingen vor allem «Frish» und «Frosh» nicht aus dem Sinn. Da die Namen erfunden waren und die entsprechende Studie auch schon einige Jahre alt war, beschloss der Stanford-Professor aus San Francisco, die ganze Angelegenheit in der Realität zu testen. Dazu analysierte er mehrere Dutzend Sorten der Marken Häagen-Dazs und Ben & Jerry's und stellte ihnen ein Produkt gegenüber, das alles andere als cremig und vollmundig ist: Salzgebäck nämlich. Und tatsächlich, während beim Eis die Vokale «o» und «a» überwiegen – sie heissen etwa Cookie Dough oder Jamoca Almond –, wimmelt es bei Chips und Crackers nur so von «i» und «e»: Cheese Nips, Pretzel Thins, Ritz, Krispy. Natürlich gibt es Ausnahmen. Und natürlich spielt das alles nicht die geringste Rolle, solange wir unser Pralinato oder unsere Rakete am See in der Sonne geniessen können.

*) Speiseeis

Nota. - Apfel, Gurke, Kartoffel, Banane, Orange; Zitrone; Birne, Erdbeere, Himbeere, Zwiebel; Pfirsich, Aprikose? Glace, Speiseeis? Rose, Riese.


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