Wenn wir das Aroma eines Apfels, einer Sauce oder eines leckeren Nachtisches genießen, dann sind zwei Sinnessysteme aktiv: Auf unserer Zunge registrieren die Geschmackszellen die Grundgeschmäcker süß, sauer, bitter, salzig und umami. In unserer Nase reagieren währenddessen die Riechsinneszellen auf die Düfte, die aus der Mundhöhle aufsteigen. Sie können mehr als 10.000 verschiedene Geruchsstoffe wahrnehmen. Die Informationen beider Sinnessysteme werden ans Gehirn gesendet und dort zum Gesamteindruck des Aromas verbunden – so jedenfalls die bisherige Annahme.
„Die Geschmacks- und Geruchssysteme bei Säugetieren sind getrennt und unabhängig“, erklären Bilal Malik vom Monell Chemical Senses Center in Philadelphia und seine Kollegen. „Zwar wird Informationen beider Systeme zum Aroma vereint, der erste Dialog beider geschieht aber gängiger Annahme nach erst im zentralen Nervensystem.“
Grünes Leuchten verrät Geruchsrezeptoren
Doch jetzt wirft eine unerwartete Entdeckung diese Vorstellung säuberlich getrennter Sinnessysteme über den Haufen. Für ihre Studie hatten Malik und sein Team zunächst bestimmte Gene für die Riechsensoren so markiert, dass die Produktion von Rezeptorproteinen durch grüne Fluoreszenz angezeigt wird. Wie sie feststellten, leuchteten auch Teile der Geschmackszellen in der Zunge anschließend grün – ein Zeichen dafür, dass dort Riechsensoren präsent sein mussten.
Aber sind diese Riechsensoren auch aktiv? Um das zu testen, untersuchten die Forscher speziell markierte menschliche Geschmackszellen in Zellkultur. Mithilfe der sogenannten Calcium-Bildgebung konnten sie dabei mitverfolgen, ob die Riechrezeptoren in diesen Geschmackszellen auf Düfte reagierten. Und tatsächlich: „Sowohl die menschlichen Geschmackszellen als auch die Mäuse-Geschmackspapillen reagierten auf Geruchsstoffe“, berichten Maik und sein Team.
Gängige Annahme widerlegt
„Diese Ergebnisse liefern den ersten direkten Beleg dafür, dass es funktionsfähige Geruchsrezeptoren in den menschlichen Geschmackszellen gibt“, konstatieren die Forscher. Mit anderen Worten: Wir riechen nicht nur mit der Nase, sondern offenbar in gewissem Maße auch mit unserer Zunge. Entgegen bisheriger Annahme könnten demnach die Sinnesreize von Geruch und Geschmack nicht erst im Gehirn, sondern schon im Mund verkoppelt werden.
„Das könnte dabei helfen zu erklären, wie der Geruch unsere Geschmackswahrnehmung beeinflusst“, erklärt Maliks Kollege Mehmet Ozdener. Denn so wichtig diese Sinne auch für uns sind – bisher ist längst nicht vollständig geklärt, wie sie genau funktionieren und interagieren. So haben Wissenaschaftler erst vor Kurzem entdeckt, dass wir sogar Riechsensoren in den Bronchien und in der Haut tragen. Auch der volle Umfang unseres Geruchssinns ist bisher offen. (Chemical Senses, 2019; doi: 10.1093/chemse/bjz019)
Quelle: Monell Chemical Senses Center
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