aus Badische Zeitung, 31. 7. 2014 Am Freiburger Münsterchor arbeitete Niesenberger von 1471 bis 1491
In Freiburg wurde er geschasst
Anne-Christine Brehms Buch über den spätgotischen Bauunternehmer und Baumeister Hans Niesenberger.
von Niklas Arnegger
Der Baumeister Hans Niesenberger aus Graz baute an vielen
bedeutenden gotischen Kathedralen und Kirchen mit, aber vom
Künstlertypus gehört er eher zur Renaissance. Er war, folgt man der
jungen Wissenschaftlerin Anne-Christine Brehm, ein rastloser,
ehrgeiziger und insgesamt sehr erfolgreicher Baumeister. Ja, ein
moderner Unternehmer mit Mut zum Risiko und einem Hang auch zu gut
dotierten Verträgen. Der Mann war überdies ein selbstbewusster Künstler,
der "auf die Meinung seiner Baumeisterkollegen wenig Wert legte"
(Brehm). Er musste sich zahlreicher Prozesse erwehren, gewann dabei
nicht immer – und mehrfach wurde er mehr oder weniger unehrenhaft
entlassen.
Breisach, Münster, Westerweiterung
Der Mann war seiner Zeit voraus
Manche hielten oder halten Niesenberger immer noch eher für einen
Hochstapler. Oder zumindest für einen Pfuscher. Brehm sieht das nicht
so: Niesenberger habe ein fortschrittliches Architekturbild vertreten,
"das seiner Umwelt noch fremd war". Sein "Architekturstil unterscheidet
sich auffallend von demjenigen seiner Zeitgenossen". Sein Bauunternehmen
mit mehreren teils weit auseinander liegenden Baustellen leitete
Niesenberger mit Hilfe von Vertretern, Briefen und vielen Reisen. Dies
überforderte ihn schließlich und war ein Grund dafür, dass ihm mehrere
große Aufträge entzogen wurden. Für diese Art der Bauleitung war die
Infrastruktur im 15. Jahrhundert nicht geschaffen, auch wenn die
Baumeister ihre Kenntnisse regelmäßig austauschten – durch Reisen,
Besuche und Kongresse.
Münster in Thann, Elsass
Tätig war Niesenberger unter anderem im Donauraum, in Ravensburg, in
Südbaden, in Straßburg, Mailand und Basel. In Freiburg leitete er von
1471 bis 1491 den Weiterbau des Münsterchores. Am Chor war damals seit
mehr als 100 Jahren schon gewerkelt worden. Es standen bei Niesenbergers
Ankunft der Sockel des Kapellenkranzes und Teile des Hochchores. Diese
schon stehenden Pfeiler und Wände waren das Problem, denn sie neigten
sich bereits und drohten einzustürzen. Daneben waren Reparaturarbeiten
am Hauptturm nötig. Es war dies laut Brehm der richtige Job für
Niesenberger, der sich nicht als Bildhauer, "sondern vielmehr als
Baufachmann, als Ingenieur für statisch schwierige Aufgaben" gesehen
habe. Als Beispiel nennt sie ein weiteres Werk Niesenbergers in der
Region, die Westerweiterung des Breisacher Münsters. Überdies arbeitete
er maßgeblich mit an der Pfarrkirche von Emmendingen, dem Münster in
Thann/Elsass und an der Leonhardskirche in Basel. Jede dieser Bauphasen
schildert Brehm sehr ausführlich.
Leonhardskirche, Basel
In der Entlassungsurkunde in Freiburg war dann von "unwerklicher und
ungestalter Arbeit" die Rede, ein Vorwurf, der Niesenberger bis heute
nachgesagt wird. Brehm ist durchaus der Meinung, dass Niesenberger
Fehler gemacht hat, verteidigt ihn aber im Großen und Ganzen, schildert
Intrigen gegen ihn und lässt eine "Verkettung unglücklicher Umstände"
für ihn sprechen. Nach den "Unwerklichkeiten" in Freiburg habe die
Forschung viel gesucht und auch einige davon gefunden, die aber "den
Gesamteindruck nicht beeinträchtigen".
Freiburger Münster, Chor, Fotograf Christoph Hoppe
Anne-Christine Brehm hat Architektur studiert und ist Akademische
Angestellte am Institut für Baugeschichte in Karlsruhe. Bei
geschichtsinteressierten Menschen in Südbaden ist sie keine Unbekannte,
sie hat unter anderem mehrere Aufsätze und Beiträge zu Büchern über die
Geschichte gotischer Bauwerke auch der Region veröffentlicht und
arbeitete an der Sonderausstellung "Baustelle Gotik" im Freiburger
Augustinermuseum mit.
Wie sich das für eine Dissertation gehört, sind Brehms
architekturhistorische Stilvergleiche ebenso penibel wie ihr
Archivstudium. Aber ihre Werkbiographie über die bisher fast unbekannte
Künstlergestalt Hans Niesenberger ist nicht nur ein Buch für die Regale
wissenschaftlicher Bibliotheken, sondern es ist auch für kunst- und
regionalgeschichtliche Laien spannend zu lesen. Oder wer wusste bisher
über die sommerliche Arbeitszeit von Steinmetzgesellen Bescheid? Etwa 64
Stunden pro Woche, im Winter weniger, aber da gab es auch weniger Geld.
Und samstagnachmittags alle zwei Wochen durften die Gesellen ins Bad.
– Anne-Christine Brehm: Hans Niesenberger von Graz. Ein Architekt der
Spätgotik am Oberrhein. Schwabe-Verlag, Basel 2014, 328 Seiten, 65,50
Euro.
– Ausstellung "Baustelle Gotik" im Freiburger Augustinermuseum bis 5. Okt.
Emmendingen
aus Badische Zeitung,14. Januar 2011
...Ein weiterer Baumeister konnte identifiziert werden: Hans Niesenberger
von Graz. Er war in Freiburg Münsterbaumeister und wahrscheinlich auch
in Breisach tätig. Zwischen den beiden Münsterbaustellen konnte eine
enge Beziehung nachgewiesen werden.
Niesenberger bevorzugte fließende Übergänge von Pfeilern und
Rippengewölbe. Stilvergleiche zeigen, dass die Pläne der Nordabsieden
des Breisacher Münsters an seine Kirchenbauten in Graz und Basel
erinnern. Wahrscheinlich arbeitete er 1472 in Freiburg und 1473 in
Breisach. Wegen auftretender Bauprobleme wurde er 1487 in Freiburg
entlassen. Sein Palier vollendete Breisach. Dabei wurde der Plan von
einem Neubau verworfen. Niesenberger starb 1493. Die Bauhütten von
Freiburg und Breisach arbeiteten weiterhin zusammen, wie an den Details
der Lettner zu sehen ist. ...
Graz, Dom
Nota.
Hans Niesenberger stammte wohl aus Schwaben. Den Beinamen von Graz erhielt er, weil er als Baumeister des Grazer Doms gilt.
JE
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