Freitag, 1. August 2014

Hans Niesenberger, ein gotischer Baumeister und Unternehmer.

aus Badische Zeitung, 31. 7. 2014                                                   Am Freiburger Münsterchor arbeitete Niesenberger von 1471 bis 1491

In Freiburg wurde er geschasst
Anne-Christine Brehms Buch über den spätgotischen Bauunternehmer und Baumeister Hans Niesenberger.

von Niklas Arnegger

Der Baumeister Hans Niesenberger aus Graz baute an vielen bedeutenden gotischen Kathedralen und Kirchen mit, aber vom Künstlertypus gehört er eher zur Renaissance. Er war, folgt man der jungen Wissenschaftlerin Anne-Christine Brehm, ein rastloser, ehrgeiziger und insgesamt sehr erfolgreicher Baumeister. Ja, ein moderner Unternehmer mit Mut zum Risiko und einem Hang auch zu gut dotierten Verträgen. Der Mann war überdies ein selbstbewusster Künstler, der "auf die Meinung seiner Baumeisterkollegen wenig Wert legte" (Brehm). Er musste sich zahlreicher Prozesse erwehren, gewann dabei nicht immer – und mehrfach wurde er mehr oder weniger unehrenhaft entlassen.

Breisach, Münster, Westerweiterung

Der Mann war seiner Zeit voraus

Manche hielten oder halten Niesenberger immer noch eher für einen Hochstapler. Oder zumindest für einen Pfuscher. Brehm sieht das nicht so: Niesenberger habe ein fortschrittliches Architekturbild vertreten, "das seiner Umwelt noch fremd war". Sein "Architekturstil unterscheidet sich auffallend von demjenigen seiner Zeitgenossen". Sein Bauunternehmen mit mehreren teils weit auseinander liegenden Baustellen leitete Niesenberger mit Hilfe von Vertretern, Briefen und vielen Reisen. Dies überforderte ihn schließlich und war ein Grund dafür, dass ihm mehrere große Aufträge entzogen wurden. Für diese Art der Bauleitung war die Infrastruktur im 15. Jahrhundert nicht geschaffen, auch wenn die Baumeister ihre Kenntnisse regelmäßig austauschten – durch Reisen, Besuche und Kongresse.

Münster in Thann, Elsass


Tätig war Niesenberger unter anderem im Donauraum, in Ravensburg, in Südbaden, in Straßburg, Mailand und Basel. In Freiburg leitete er von 1471 bis 1491 den Weiterbau des Münsterchores. Am Chor war damals seit mehr als 100 Jahren schon gewerkelt worden. Es standen bei Niesenbergers Ankunft der Sockel des Kapellenkranzes und Teile des Hochchores. Diese schon stehenden Pfeiler und Wände waren das Problem, denn sie neigten sich bereits und drohten einzustürzen. Daneben waren Reparaturarbeiten am Hauptturm nötig. Es war dies laut Brehm der richtige Job für Niesenberger, der sich nicht als Bildhauer, "sondern vielmehr als Baufachmann, als Ingenieur für statisch schwierige Aufgaben" gesehen habe. Als Beispiel nennt sie ein weiteres Werk Niesenbergers in der Region, die Westerweiterung des Breisacher Münsters. Überdies arbeitete er maßgeblich mit an der Pfarrkirche von Emmendingen, dem Münster in Thann/Elsass und an der Leonhardskirche in Basel. Jede dieser Bauphasen schildert Brehm sehr ausführlich.

Leonhardskirche, Basel

In der Entlassungsurkunde in Freiburg war dann von "unwerklicher und ungestalter Arbeit" die Rede, ein Vorwurf, der Niesenberger bis heute nachgesagt wird. Brehm ist durchaus der Meinung, dass Niesenberger Fehler gemacht hat, verteidigt ihn aber im Großen und Ganzen, schildert Intrigen gegen ihn und lässt eine "Verkettung unglücklicher Umstände" für ihn sprechen. Nach den "Unwerklichkeiten" in Freiburg habe die Forschung viel gesucht und auch einige davon gefunden, die aber "den Gesamteindruck nicht beeinträchtigen".

Freiburger Münster, Chor, Fotograf Christoph Hoppe

Anne-Christine Brehm hat Architektur studiert und ist Akademische Angestellte am Institut für Baugeschichte in Karlsruhe. Bei geschichtsinteressierten Menschen in Südbaden ist sie keine Unbekannte, sie hat unter anderem mehrere Aufsätze und Beiträge zu Büchern über die Geschichte gotischer Bauwerke auch der Region veröffentlicht und arbeitete an der Sonderausstellung "Baustelle Gotik" im Freiburger Augustinermuseum mit.

Wie sich das für eine Dissertation gehört, sind Brehms architekturhistorische Stilvergleiche ebenso penibel wie ihr Archivstudium. Aber ihre Werkbiographie über die bisher fast unbekannte Künstlergestalt Hans Niesenberger ist nicht nur ein Buch für die Regale wissenschaftlicher Bibliotheken, sondern es ist auch für kunst- und regionalgeschichtliche Laien spannend zu lesen. Oder wer wusste bisher über die sommerliche Arbeitszeit von Steinmetzgesellen Bescheid? Etwa 64 Stunden pro Woche, im Winter weniger, aber da gab es auch weniger Geld. Und samstagnachmittags alle zwei Wochen durften die Gesellen ins Bad.


– Anne-Christine Brehm: Hans Niesenberger von Graz. Ein Architekt der Spätgotik am Oberrhein. Schwabe-Verlag, Basel 2014, 328 Seiten, 65,50 Euro.

– Ausstellung "Baustelle Gotik" im Freiburger Augustinermuseum bis 5. Okt. 

Emmendingen


aus Badische Zeitung,14. Januar 2011

...Ein weiterer Baumeister konnte identifiziert werden: Hans Niesenberger von Graz. Er war in Freiburg Münsterbaumeister und wahrscheinlich auch in Breisach tätig. Zwischen den beiden Münsterbaustellen konnte eine enge Beziehung nachgewiesen werden.

Niesenberger bevorzugte fließende Übergänge von Pfeilern und Rippengewölbe. Stilvergleiche zeigen, dass die Pläne der Nordabsieden des Breisacher Münsters an seine Kirchenbauten in Graz und Basel erinnern. Wahrscheinlich arbeitete er 1472 in Freiburg und 1473 in Breisach. Wegen auftretender Bauprobleme wurde er 1487 in Freiburg entlassen. Sein Palier vollendete Breisach. Dabei wurde der Plan von einem Neubau verworfen. Niesenberger starb 1493. Die Bauhütten von Freiburg und Breisach arbeiteten weiterhin zusammen, wie an den Details der Lettner zu sehen ist. ...


Graz, Dom

Nota.

Hans Niesenberger stammte wohl aus Schwaben. Den Beinamen von Graz erhielt er, weil er als Baumeister des Grazer Doms gilt.
JE 


 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen