Lieber Leser, Nicolas de Staël habe ich Ihnen schon vorgestellt. Ich bin auf ihn gestoßen, als er längst tot war. Es ist nicht so, dass ich seit dieser Bekanntschaft die Kunst der zweiten Hälfte des zwanzigstens Jahrhunderts mit anderen Augen sähe. Mir ist nicht die Spucke weggeblieben und haben sich nicht die Haare gesträubt, ach, gar nicht. Aber ich habe mir doch das eine oder andere gelegentlich wieder angesehen, das habe ich schon damals geahnt. Es ist noch immer so: Es haut mich nicht um, aber ich schau doch eine Weile hin..
Und Ihnen zeige ich es auch.
Nicht alle Bilder haben Titel, aber die meisten, die einen haben, werden tatsächlich als Landschaften ausgewiesen, und während Paul Klee zuerst sein Bild gemalt und erst dann eine Landschaft darin erkannt hat, sehen die Sachen von de Staël so aus, als sollten sie eine Landschaft tatsächlich darstellen.
Welches Verfahren ist artistischer? - Ist auch egal. Es zählt, was dabei zustandekommt. Klee gefällt mir besser; aber er wollte wohl auch mehr gefallen.
À propos: 'Abstrakt' ist nicht, wie es im Deutschen klingt, ein Adjektiv, sondern ein Partizip: Lat. abstractum heißt abstrahiert. Was von Anfang an nichts darstellen sollte, ist ungegenständlich, aber nicht abstrakt. Ästhetisch bewerten kann man es wohl wirklich nur danach, ob es gefällt. Ein abstraktes Bild kann man danach beurteilen, wie gut es ihm gelungen ist, den bloßen Schein des Gegenstand von seiner Gegenständlichkeit abzulösen; und was dabei herauskommt, muss nicht unbedingt gefallen, um sich ästhetisch einzuprägen.
Na, sehr stark prägen sich de Staëls Landschaften nicht ein. Aber den Weg der Abstraktion geht er erfolgreich. Manches, was einem künstlerisch gelungen vorkommt, gefällt einem gar nicht. Das ist ein ganz merkwürdiges Gefühl.
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