aus derStandard. at,17. Oktober 2017 Boreas entführt Oreithya
Peter Paul Rubens im
KHM:
Mehr gefühlt als gesehen
Auf ihm pickt der
Stempel "Maler des Fleisches" – das Kunsthistorische Museum Wien will
mit dem Stereotyp des populären und teuersten Altmeisters brechen und
zeigen, wie gegenwärtig und durchaus abstrakt sein Barock war -
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Auf ihm pickt der Stempel "Maler des Fleisches" – das Kunsthistorische Museum Wien will
mit dem Stereotyp des populären und teuersten Altmeisters brechen und
zeigen, wie gegenwärtig und durchaus abstrakt sein Barock war - mit dem Stereotyp des populären und teuersten
Altmeisters brechen und zeigen, wie gegenwärtig und durchaus abstrakt
sein Barock war.
von Anne Katrin Feßler
Wien – Mit Vorurteilen aufzuräumen und sie durch neue Blickwinkel zu
ersetzen ist stets ambitioniert. Ein solches Unterfangen wagt nun das
Kunsthistorische Museum Wien (KHM) am Beispiel von Peter Paul Rubens
(1577–1640). "Der fieseste, der vulgärste, der lauteste Maler, der
jemals diese Welt betreten hat", beschimpfte etwa der Präraffaelit
Thomas Eakins den Flamen. Die Vehemenz und Distanzlosigkeit, mit der
Rubens kurvige Weiblichkeit inszenierte, hätte der eher ätherische
Schönheitsideale Verfolgende wohl gerne "in der Lautstärke gedrosselt",
erzählt der Direktor der Gemäldegalerie, Stefan Weppelmann.
Venus im Spiegel
Und auch Weppelmann, der die Ausstellung Rubens. Kraft der Verwandlung
(eine Kooperation mit dem Frankfurter Städel-Museum) gemeinsam mit
Gerlinde Gruber und Jochen Sander kuratierte, kennt den Moment, wo einem
Rubens Barock "zu viel" wird, ja "wo man vor lauter Fleisch nicht mehr
weiß, wohin man schauen soll". Jetzt hilft er aber dabei, in Rubens
nicht mehr nur den einschlägigen "Maler der Körper zu sehen, sondern
jemanden, der auch zur Poesie fähig war". Rubens war mehr. Er war ein
vielsprachiger und von unbändiger Neugierde getragener Gelehrter, der
als Berater an vielen Höfen tätig war.
Bacchus
Am besten illustriert dessen lyrische Qualität "die dramatischste aller
Rubenslandschaften", die Gewitterlandschaft mit Jupiter, Merkur, Philemon und Baucis. Das Bild, das einen Blick in Rubens' Innerstes
ermöglicht, bildet jedoch den Schlusspunkt der 120 Werke umfassenden
Schau. Tatsächlich strahlt das frisch restaurierte Gemälde aus dem
reichen Bestand des Hauses (40 Gemälde) in Details so, "als ob jemand,
das Licht angeknipst hätte". Aber reicht das, um bereits sehmüde Augen
zu erfrischen?
Aus Statik wird Dynamik
"Die Natur als Hintergrundrauschen" (Weppelmann), verdichtet zu großer
Vision: In Flandern könne man bei Regen Zeuge solcher Stimmungen werden:
Wolkenbrüche, die Sonnenstrahlen wie Lichtsäulen materialisieren.
Optische Phänomene faszinierten Rubens, der "das, was ihm die Natur
flüsterte", stets in der Theorie vertiefte. Nach der Lektüre einer
Abhandlung von Aguilonius zum Schatten notierte er: "Die Bäume
widerscheinen im Wasser dunkler als die Bäume selbst."
o. T.
In der Landschaft sei er ein nordischer Maler, aber mit einem Rest an
"Traumfähigkeit". Das heißt, Rubensräume können bis aufs Äußerste
komprimiert, ja regelrecht um die Figuren herumgefaltet sein oder auch
viele statt nur einen Fluchtpunkt besitzen. Surreal nennt Weppelmann das
und sagt auch, dass es wichtig sei, so eine Ausstellung vom Narrativ
nicht zu überladen. Dennoch sind sechs Säle intensivster Sehschule recht
engagiert geraten, gilt es doch Rubens kreative Prozesse
nachzuvollziehen, zu erkennen, wie er Einflüsse der Naturwissenschaft
und kunstgeschichtliche Vorbilder verwandelt hat. 48 Gemälde und 33
Zeichnung des Barockmalers (u. a. aus der St. Petersburger Eremitage,
dem Madrider Prado oder der National Gallery in Washington) sowie
Vergleichswerke von Meistern wie Tintoretto oder Tizian helfen dabei.
Die Grablegung Christi 1612-14
Phänomenal ist, wie er aus Caravaggios Grablegung (1604) eine dynamische
Erzählung macht: Das drohende Herabfallen des Leichnams wird mittels
Schienbein und einem Biss ins Grabtuch verhindert.
"Gegenwärtig" und "abstrakt"
"Gegenwärtig" ist auch so ein Prädikat, das Rubens nun in Wien erhält –
wegen seiner Fähigkeit zu polarisieren und ökonomischer
"Factory"-Strategien. Und auch "abstrakt" sei er, etwa im Übersetzen der
Natur in große Farbflächen. Rubens hat "seine Figuren wie Skulpturen
aufgetragen, in Farben von dreidimensionalem Gewicht". Nicht nur die
Schlafende Angelica sieht wie "Knetmasse" aus. Es stimmt: "Rubens hat
seine Körper mehr gefühlt als gesehen." Ein Rundgang mit Kurator ist
allerdings angeraten.
Die schlafende Angelica und der Eremit
Bis 21. Jänner
Kuratorenführungen: "Prometheus: Rubens' Alter Ego" (8. November), "Das
Frauenbild des Rubens" (22. November), "Venus: verschiedene Aspekte der
Liebesgöttin" (13. Dezember), "Spezialeffekte bei Rubens" (17. Jänner),
jeweils 16 Uhr -
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