Mittwoch, 29. Mai 2019

Helene Schjerfbeck.

Helene Schjerfbeck, Porträt einer jungen Frau

Die individuellst-möglichen Bildsujets sind Landschaft und Gesicht. Zwei Extreme, doch beide gleichemaßen schlecht geeig- net, mehr zu bedeuten, als man auf ihnen sehen kann. Beide gleichermaßen Schrittmacher der Ästhetisierung der Kunst; Pioniere der Moderne, möchte man sagen.


Doch zum Schlachtross der Entthematisierung der Malei wurde die Landschaft, nicht das Porträt. Natürlich, denn wiederer- kennen, wen es darstellt, soll man auf dem Porträt allerdings, während die Landschaft als bloßer ästhetischer Anlass irgendwie mit einer andern austauschbar sein kann. Genauer gesagt, die Landschaftsmalerei konnte zur Ungegenständlichkeit führen. Das kann das Porträt ja wohl nicht. Der Landschaftsmaler kann abstrahieren, dem Porträtisten bleibt nur die Reduktion.



Reduktion auf 'das Wesentliche', und das ist am Menschengesicht die Person, sie ist das Individuelle. Nicht so sehr die Gesichtszüge, sondern was sie ausdrücken; auszudrücken scheinen - doch auch der verstellte Ausdruck gibt einen Einblick in den Charakter - wenn man die Verstellung erkennt.



 

Bei historischen Porträts, die schon in frühen Jahrhunderten Individualität ausdrückten, als ansonsten in der Kunst noch ganz das Typische und Repräsentative im Vordergrund stand, kann man leider, so lebendig sie wirken, die physische Ähnlichkeit mit dem Abgebildeten nicht mehr beurteilen. Eine bemerkenswerte Ausnahmen sind die glücklicheweise zahllosen Selbstporträts von Rembrandt. Denn obwohl es ihm um die Ergründung seiner Persönlichkeit offensichtlich gar nicht gegangen ist, sondern um das Studium seiner willkürlichen Gesichtsausdrücke, sehen sie einander allesamt so ähnlich, dass Sie jedes einzelne noch bei dichtem Gedrängel in der U-Bahn wiedererkennen würden. Das ist einzigartig, und je älter das Gesicht wird, umso ent- schiedener wird - die Reduktion.


Langer Vorrede kurzer Sinn: Ich will ihnen die Porträtistin Helene Schjerfbeck nahebringen. Aus ihrem achtzigjährigen Leben sind vierzig Selbstporträts erhalten, und natürlich auch Fotografien. Sie hat als junges Mädchen ein verhältnismäßig glattes Gesicht, umso mehr Kunst muss sie bei der Darstellung der Individualität aufbieten: 'das Wesentliche'. Und mit gnadenloser Schärfe verfolgt sie den Prozess ihres Alterns als den einer - Reduktion. Je weniger man sieht, umso wentlicher scheint es zu werden.







 








  






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