Dienstag, 8. April 2014

Bei Stradivari hat vor allem der Mythos Klang.

Stradivari
aus Die Presse, Wien, 8. 4. 2014

Bei Stradivari hat vor allem der Mythos Klang
Wieder hat sich in einem Test gezeigt, dass die Handwerkskunst heutiger Geigenbauer die der Heroen übertrifft.
 

Wein, zumindest roter, und Streichinstrumente haben eines gemeinsam: Je älter sie sind, desto höher werden sie geschätzt, Townsend Trowbridge (1827–1916) brachte es in Verse: „With years a richer life begins / The spirit mellows; /Ripe age gives tone to violins, / Wine, and good fellows.“ Aber ist das auch wahr, ist alter Wein besser, sind die alten Instrumente besser, die der Meister von Cremona, von Stradivari abwärts?

Das Gedicht stand in „The Strad“ – einer Fachzeitschrift für Streichmusiker –, in einem Artikel, in dem die Geigenbauer Adele Beardsmore und Alan Coggins bittere Klage darüber führten, dass es beim Wein anders zugeht. Bei dem merkte man früh, dass alles Erdenkliche in ein Geschmacksurteil einfließen kann, von der Form der Flasche angefangen. Deshalb führte man Blindtests ein und Kriterien für die Verkostung, Geschmack, Duft etc.

Bei Instrumenten ist das schwieriger, die kann man nicht so einfach blind verkosten, irgendwer muss sie ja spielen. Und vor wem, was qualifiziert zum Richter, muss man Virtuose sein oder reicht jahrzehntelanger Besuch eines Konzertsaals? Und wie will man verhindern, dass Vorurteile für das Alte durchschlagen, wenn schon die Fachzeitschrift „The Strad“ heißt?

Durch Tests. Es gab schon viele, wieder und wieder lagen heutige Instrumente vorn. Aber das Echo der Kritik blieb nie aus, etwa in der letzten Runde, 2010, beim Violin Competition of Indianapolis. Da ließ Claudia Fritz (Paris) 21 Mitwirkende sechs Violinen bewerten, drei von Cremonern, drei heutige. Die Tester wussten nicht, welche von wem war, sie reihten eine heutige an die Spitze, eine Stradivari wurde am raschesten aus der Hand gelegt.

Aber der Test war im Hotelzimmer, nicht im Konzertsaal, und „einen Lamborghini testet man auch nicht auf dem Parkplatz“, wurde eingewandt. Deshalb hat Fritz nun alles erweitert (Pnas, 7. 4.): Zehn Solisten – Gewinner renommierter Wettbewerbe – erhielten zwölf Instrumente zur Wahl, sechs alte, sechs neue, getestet wurde blind – die Spieler trugen Sonnenbrillen –, wieder im Hotel, aber auch in einem Konzertsaal. Welches Instrument würden sie für ihre nächste Tournee bevorzugen? Unterscheiden konnten sie nicht, welches alt war und welches neu, aber die Wahl war klar: Ein neues war vorn, eines von Stradivari am Ende.

Woher dann die Wertschätzung? Vom geschätzten Wert: Werden bei Weinproben die Preise angesagt, gewinnt der teuerste. Die teuerste Geige, eine Stradivari, wurde 2011 für 15,9 Millionen Pfund Sterling ersteigert.


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