Donnerstag, 3. April 2014

Dix und Beckmann im Vergleich.

aus NZZ, 5. 2. 2014                                                                                                            Beckmann Family Picture 1920

Formeln des Menschenbildes
«Dix/Beckmann: Mythos Welt» - eine Ausstellung in der Kunsthalle Mannheim
 

von Sergiusz Michalski · Anfang der zwanziger Jahre wurden Max Beckmann und Otto Dix zu Repräsentanten der aufkommenden Neuen Sachlichkeit. Was bei Beckmann aber nur eine kurze stilistische Episode bleiben sollte, hat in den folgenden Dezennien entscheidend das Malwerk von Dix geprägt. Die Ausstellung in der Kunsthalle Mannheim betritt insofern Neuland, als sie bestrebt ist, mit einer Reihe thematisch pointierter Gegenüberstellungen - das Rahmenkonzept bedient sich der überaus vagen Begriffskonstellation eines «Weltmythos», doch die einzelnen Sektionen sind wohltuend präzise formuliert und angeordnet - das Schaffen beider Künstler zu beleuchten. Als Resultat haben wir eine interessante Konfrontation der beiden Malergrössen erhalten, die vieles zum vertieften Verständnis ihrer Kunst beiträgt. Aus der Perspektive des abgelaufenen Jahrhunderts sind beide zu bestimmenden Klassikern der deutschen Moderne geworden, die aber für unterschiedliche Milieus ästhetischer Erfahrung stehen.

Dix, Der Salon I, 1921

Die Divergenzen begannen schon bei ihren künstlerischen Anfängen. Die sieben Jahre im Altersunterschied erweisen sich als sehr bedeutsam: Beckmann, der Ältere, knüpft nahtlos an die Entwicklungslinie der gemässigt fortschrittlichen Malerei Corinths wie auch der sogenannten «Sezessionen» an. Der zwanzigjährige Otto Dix wirft sich nach 1911 ins Getümmel der expressionistischen und futuristischen Strömungen, die auch seine Kriegsbilder entscheidend beeinflussen sollten, Beckmann, dessen Kriegserlebnis kurz und anders gelagert war, setzte in seiner Kriegsgrafik die figurale Konzeption seiner Katastrophenbilder der Zeit um 1910 fort. Das Grauen bei Dix kommt durch äussere Umstände zustande, die Beckmannsche Verzweiflung am Krieg und an der Welt wird durch zwischenmenschliche Konstellationen und durch eine atmosphärische Verdichtung von Angst und Neurosen erreicht.

 Beckmann Pierrette und Clown, 1923

Beckmann gebrauchte in den zwanziger Jahren die Formel von einem «grossen Welttheater», voller szenischer und karnevalistischer Bildmetaphern. Seine Bilder leben von einer dominanten Stimmung, auch verrätselte Stellen unterliegen einem fühlbaren Grundempfinden. Für Dix wird die präzise Erfassung der menschlichen Figur, nicht ohne karikatureske Elemente, zur dominierenden artistischen Prozedur. Bei Beckmann dienen die den Menschen begleitenden Symbole einer vordergründigen Mystifizierung, die aber auf der explizierenden Ebene in eine beeindruckende Diagnose des Laufes der Welt mündete. Dix geht es um Klarheiten und um durch Attribute bestimmte Kategorien, vor allem solche sozialer Art.

 Dix Stilleben im Atelier, 1924. 

Die Mannheimer Ausstellungssektion «Physiognomie der Zeit» konfrontiert am präzisesten die Wesenszüge beider Künstler, die sich oft am selben Thema - so in den Künstlerselbstbildnissen - oder sogar an demselben Modell abarbeiteten. Für Dix galt es dabei, individuelle Züge zu einem Typus zu verdichten, Beckmann zog dem Typischen das Metaphorische und Mythologische vor. Beide haben keine heile Welt vorgefunden, bei Beckmann überwog das Disparate der Erkenntnis, bei Dix das sozialkritische Unbehagen an der Gesellschaft. Dix gestaltet ein Thema oft mit ikonografischer Direktheit («Selbstbildnis mit Muse»), Beckmann dagegen flüchtet bei einem sehr ähnlichen Sujet («Siesta») in eine geradezu überzeitliche Ambivalenz. - 

Beckmann,  Selbstbildnis Florenz, 1907

Eine besondere Stärke der Mannheimer Exposition liegt in der Zurschaustellung der Malstile wie auch der unterschiedlichen Malfakturen der beiden Künstler. In der besonderen Konfrontation mit Beckmann wird deutlich, dass der «altmeisterliche Malstil» von Dix von Anfang an selbstironische Elemente bevorzugt hat. Die Zukunft sollte aber den flächigen und dunklen Abbreviaturen Beckmanns gehören, sie haben die deutsche Kunst bis ins neue Millennium geprägt. Die gediegene Mannheimer Ausstellung - die später auch nach München geht - gehört zu den Höhepunkten der diesjährigen Ausstellungssaison in Süddeutschland.

Dix/Beckmann: Mythos Welt. Kunsthalle Mannheim. Bis 23. März 2014. Danach in der Hypo-Kulturstiftung München. Katalog € 29.90.

 Dix, Selbstbildnis als Raucher, 1913

Nota.

Gefallen hat mir von Beckmann eigentlich noch nie was. An Dix gefiel mir einmal der polemische Ton, "wie es gemeint war", nämlich sozialkritisch. Aber wenn man davor steht, kommen einem seine Bilder merkwürdig dünn vor. Doch dass Beckmanns Bilder irgendwie stark sind, ist mir auch nie entgangen. Dass mann nicht recht weiß, was gemeint ist, oder gar, wie es gemeint ist, tut dem keinen Abbruch; andersrum täte es das schon. Das Thematische steht insofern ganz im Vordergrund, eine rein ästhetische Kunst ist das gar nicht. Mit andern Worten: ein bisschen anachronistisch, wenn auch 'auf höherem Niveau' als bei Dix.
JE 


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