Sonntag, 31. Juli 2016

Noch einmal: Manet in Hamburg.

Partie de croquet, 1873
aus Tagesspiegel.de, 29.07.2016 09:11 Uhr

Der leise Revolutionär
Manet gilt als Begründer der modernen Malerei, aber er war noch viel mehr: ein symbolischer Revolutionär. Die Ausstellung „Manet – sehen“ in der Hamburger Kunsthalle würdigt den großen Maler mit einer erhellenden Übersicht. 

von Berhard Schulz

Manet auszustellen, ist leicht und schwer zugleich. Es ist leicht, weil der Rang Manets unbestritten ist. Seine Kunst ist beim Publikum beliebt und sorgt für Spitzenwerte bei den Besucherzahlen. Er gilt als einer der Begründer der modernen Malerei. Und mehr als das: Der Soziologe Pierre Bourdieu sieht in ihm den Urheber einer „symbolischen Revolution“, die nicht nur die Kunst, sondern die ganze Gesellschaft betroffen habe.

Und zugleich ist es schwer. Zum einen, und das ist noch der banalere Grund, weil Manets Gemälde zu den Spitzenstücken der jeweiligen Museen zählen und nur noch selten hergegeben werden. Zum anderen aber, weil den Manet-Ausstellungen, und es gab in den vergangenen Jahrzehnten etliche, zunehmend das Thema ausgeht, die besondere Fragestellung, die über die bloße Versammlung seiner Bilder hinausgeht.

Madame Manet im Wintergarten 1879

Mit dieser Schwierigkeit hat auch die Ausstellung „Manet – sehen“ der Hamburger Kunsthalle zu kämpfen, die sich Direktor Hubertus Gaßner zum Ende seiner Amtszeit selbst beschert. Edouard Manet (1832–1883) als Künstler zu verstehen, der das Sehen als solches zum Gegenstand seiner Malerei gemacht habe, das Sehen des Betrachters wie das Sehen, das die Bilder in ihren Figuren darstellen, das ist so neu nicht. Es streift zudem das Banale; als gäbe es nicht eine jahrhundertealte Tradition von Malerei zum Thema Sehen, man denke nur an Velázquez’ „Meninas“ von 1656, auf dem sich der Künstler an der Staffelei selbst darstellt und dem Betrachter ins Gesicht blickt.

Einige Hauptwerke fehlen

Diego Velázquez! Nicht zufällig ist er der Heros Manets, schon bevor er dessen Meisterwerke 1865 im Prado bewundern konnte. Von Velázquez, aber nicht nur von ihm, hat Manet den virtuosen Gebrauch der Nicht-Farbe Schwarz erlernt, was für Manets Zeit insofern wunderbar passte, als das Schwarz der Herrenkleidung als Ausweis bürgerlicher Modernität galt. Manets Porträts von Freunden, Künstlern, Mitstreitern und auch Versagern sind ein einziges Schwarz. Die Augen, die er malt, sind übrigens gleichfalls häufig schwarz und oft ausdruckslos, was man wiederum dem Bemühen zurechnen dürfte, an die Stelle der malerischen Repräsentation von Wirklichkeit die Repräsentation der Malerei selbst zu setzen.


Amazone

Die andere Schwierigkeit der Hamburger Ausstellung ist das Fehlen von manchen Hauptwerken, die bei diesem anspruchsvollen Thema denn doch gezeigt werden müssten. So ist diese Übersicht eher ein Patchwork, das einzelne Werkgruppen und Bildpaare vorstellt, diese aber – auch das muss gesagt werden – in grandioser Qualität und Zusammenstellung. Sie zu bewundern, bedarf es keines überwölbenden Leitthemas.

Antonin Proust, um 1880

Das gilt etwa für das hauseigene Glanzstück, Manets Skandalbild „Nana“, 1877 gemalt und wie so viele von Manets Einreichungen von der Kommission des Pariser Salons ausjuriert. Nana schaut den Betrachter nicht frontal an, sondern eher an ihm vorbei; gerade nicht das Skandalon betonend, dass sie eine Prostituierte ist, deren Freier in Rock und Zylinder auf der Bettkante sitzt – der bildet nur eine noch dazu vom Bildrand beschnittene, ausdruckslos vor sich hinstarrende Nebenfigur. Da ist sie, die von Michael Lüthy im Katalog beschriebene Unbestimmtheit Manets. Idealtypisch steht dafür auch das vom Pariser Musée d’Orsay ausgeliehene Hauptwerk „Der Balkon“ mit seinen aneinander vorbeiblickenden Figuren, das weniger ein Familienbildnis ist als das einer gesellschaftlichen Konvention.

Virtuose der Vielseitigkeit

Tatsächlich lässt sich Manet nicht auf eine Darstellungsweise und kaum auf eine kontinuierliche Stilentwicklung festlegen. Er ist – wie die Ausstellung hervorragend zeigt, lässt man die angestrengte These vom „Blick der Moderne“ einmal beiseite – ein Virtuose der Vielseitigkeit, ja Gegensätzlichkeit. Er kann skizzieren, wie die „Amazone“ aus seinem letzten Lebensjahr. Er kann formvollendet ausführen, wie das Porträt des lebenslangen Freundes, des Großbürgers Antonin Proust (1880). Er kann in einer der zeitgenössischen Fotografie nicht unähnlichen Wirklichkeitstreue abbilden wie in dem Meisterwerk aus der Berliner Nationalgalerie, „Im Wintergarten“ von 1879, das jetzt mit „Madame Manet im Wintergarten“ und der „Krocketpartie“ ein berückend schönes Triptychon bildet. Und er kann der messbaren Realität hohnsprechen wie in der Hamburger Fassung des Porträts des Sängers Faure als Hamlet.


Im Café-Concert, ca. 1879

Wie weit sich Manet allerdings von der Wiedergabe oder besser Vorspiegelung von physischer Realität entfernt hat, die seine akademischen Zeitgenossen pflegten und die das Publikum verlangte, zeigt in der Ausstellung ein kleiner Einschub mit hauseigenen Arbeiten von Ernest Meissonnier und Jean-Léon Gérome, beliebten Salonmalern des Zweiten Kaiserreichs, die jedes Detail in sorgfältigster Feinmalerei wiederzugeben wussten. Über Manet hingegen ätzte der Großkritiker jener Zeit, Théophile Gautier, er habe beim Skandalbild der „Olympia“ die Schatten durch „breite Streifen Schuhwichse“ angedeutet.


Corner at the Café-Concert, [Brasserie Reichshoffen] ca. 1880 

Handwerker neben Bürgerpaaren

So ließe sich fortfahren, und es würde einsichtig, was Bourdieu mit der „symbolischen Revolution“ meint, die er in einem umfangreichen, jetzt in deutscher Übersetzung herausgebrachten Vorlesungszyklus dargelegt hat („Manet – eine symbolische Revolution“, Suhrkamp Verlag. 921 S., 58 €). Manet hat die gesellschaftlichen Werte, die im Salon mit seinen bis zu 7000 (!) gezeigten Arbeiten künstlerisch repräsentiert wurden, schlichtweg aus den Angeln gehoben. Er hat, freilich ohne es von vorneherein darauf angelegt zu haben, die etablierte Wirklichkeit in seiner Malerei und mithin „symbolisch“ revolutioniert. Nicht die modernen Sujets und die mit ihm verbundenen Themen machen in erster Linie seinen Rang aus, sondern die Indifferenz gegenüber der gesellschaftlichen Ordnung, die er selbst als Person freilich – noch so ein Paradox – vorbehaltlos bejaht. Dies belegt das wunderbare Bildpaar am Schluss der Ausstellung: die beiden Darstellungen einer Kellnerin aus der „Brasserie Reichshoffen“ in Paris, die sich nur mit ihrem als Handwerker ausgewiesenen Freund malen lassen wollte. Ihnen gesellt Manet beiläufig ein elegantes Bürgerpaar bei – auf die égalité anspielend: ein weiteres Indiz für die „symbolische Revolution“, die Manet mit dem Pinsel vollführt.


Marcellin Desboutin, 1875 

Dass er seinen Freund und mit Abstand wichtigsten Sammler zu Lebzeiten, den zu großem Wohlstand gelangten Opernsänger Jean-Baptiste Faure, in gleicher Lebensgröße und Bedeutung malt wie den liebenswürdig versumpften Bohème- Künstler Desboutin – und dass er keinen künstlerischen Modus bevorzugt oder umgekehrt vermeidet, macht die Hamburger Ausstellung auch durch ihre Lücken und Sprünge deutlich. Vielleicht ist das überhaupt die angemessenste Weise, das so ungeheuer folgenreiche Werk des früh vollendeten und allzu früh verstorbenen Edouard Manet heute noch zu würdigen.

Hamburg, Kunsthalle, Glockengießerwall, bis 4. September. Katalog 24 €. Infos: www.hamburger-kunsthalle.de



Mittwoch, 27. Juli 2016

Fürst Pücklers Landschaftsparks.

aus nzz.ch, 27.7.2016, 05:30 Uhr                        Muskauer Park, Blick vom Tempel auf den (nicht realisierten) Schlossentwurf von Schinkel

Landschaftsarchitekt Hermann von Pückler-Muskau
Die ganze Welt in einem Garten
Die Parkanlagen von Hermann von Pückler-Muskau warten darauf, neu entdeckt zu werden. Eine grosse Ausstellung in Bonn vergegenwärtigt nun Pücklers Auslegung der Landschaft als politisches Weltmodell.

von Bettina Maria Brosowsky

Nach der Wiedervereinigung Deutschlands rückten einige halb vergessene Marksteine der Gartengeschichte ins weltweite Bewusstsein. Das Gartenreich Dessau-Wörlitz, 1765 als erster Landschaftsgarten englischen Typs auf dem Kontinent begonnen, zählt seit 2000 zum Unesco-Weltkulturerbe. Der Park in Bad Muskau / Łęknica kam 2004 als gemeinsames polnisch-deutsches Vermächtnis hinzu. Bereits seit 1990, noch auf Antrag der DDR, ist die «Kulturlandschaft Potsdam und Berlin» Welterbe, in der Folge mehrfach um nun von innerdeutschen Grenzzäunen befreite Partien erweitert – etwa um den von Hermann von Pückler-Muskau gestalteten Park Babelsberg. ...

 
Die NZZ hat mir rückwirkend die Verbreitung ihrer Inhalte untersagt. Ich werde sie nach und nach von meinen Blogs löschen 
Jochen Ebmeier 



Schlosspark Babelsberg

Muskau, Park und Dorf




'Capability' Brown, Stourhead Garden



Muskauer Park


Muskau, Park


Branitz, Blick über die Schmiedewiese zur Parkschmiede


Muskau, Pleasureground am Bad



Schloss Branitz

Alte Berliner Gerichtslaube, rekonsturiert im Babelsberger Park

Pücklers Gartenlandschaften sind bis zum 18. September in der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn zu sehen. Katalog: € 39.95.


im Branitzer Park

Nota. - Das springt ins Auge, dass Pücklers Bild vom Park durch  Lancelot Brown geprägt ist. Während noch bei Lenné die 'empfindsame' Rokkoko-Vorstellung durchklingt, wo pittoresk geschlungene Wege auf immer neue 'Szenen' führen, mit Grotten und antiken Ruinen bestückt, herrscht bei Pückler die weite Sicht, die Wege schwingen in langen Bogen, einzelne große Bäume punktieren topologische Eigenheiten, weite Wiesen verschwinden in dunklem Wald, durch den sich stille Tümpel ziehen. Am besten hat der Gärtner seine Arbeit gemacht, wenn nirgends mehr die Spur einer menschlichen Hand zu sehen ist.

Durch den sentimentalen Garten geht man untergehakt zu zweit spazieren, geistreiche oder rührende Gespräche führend, bei jeder Wegbiegung A! und O! seufzend, während man die Parks von Brown und Pückler besser zu Pferd durchquert, wo es ein muss über Stock und Stein. Das wirkt in der Tat aristokratischer, aber aristokratisch in einer bürgerlich geprägten Welt, die von den Höflingen des Rokkoko noch gar nicht zur Kenntnis genommen worden war.

Lancelot Brown war sich wohl nicht bewusst, welche geschmackliche Revolution er still und leise ausgelöst hatte, er kam sich nicht als Neuerer vor, sondern wie der treue Schüler seines Meisters William Kent. Seine ästhetische Umdeutung der Gartenkust mochte ihm als rein pragmatische Konzession an die Erfordernisse des Alltags erschienen sein. Denn er war so erfolgreich, dass er sich bei der Masse der Aufträge nicht mehr so recht um schnucklige Details kümmern konnte, so dass die große, klare Linie sich schon aus Gründen der Zeitökonomie aufdrängte. Und die Anwesen, die er zu gestalten hatte, wurden immer größer... 

Man mag es so verstehen: Für die veränderten Bedürfnisse seiner erlauchten Kundschaft war er der richtige Mann, sein eigener Geschmack hat ihn immer weiter auf die Bahn des Erfolgs gelenkt.

Vielsagend übrigens, woher sein Spitzname Capability stammt: Während seine Vorgänger noch Zeit und Muße für große Erdarbeiten hatten, Hügel hier abtrugen, um sie dort wieder aufzurichten, musste er in einer gegebenen Landschaften nach deren capability Ausschau halten, sich künstlerisch überformen zu lassen - und so führte er das Wort stets im Mund. Es ist wirklich ein künstlerisches Programm.
JE








Dienstag, 26. Juli 2016

James Whistler, ein manierierter Dandy.

Nocturne, Battersea Bridge

Mein gestriger Eintrag gibt mir Gelegemheit, Ihnen einen meiner heimlichen Favoriten vorzustellen. Der Amerikaner James Abbott McNeill Whistler war ein Dandy, der gemeinsam mit seinem Kumpan Oscar Wilde die Londoner Salons seiner Zeit beherrschte. In einem Land, wo William Turner zu Lebzeiten fast mehr Bewunderer als Feinde hatte, durfte er sich auch als Künstler einige Freiheiten leisten, und als Zeitgenosse der Präraffaeliten musste er es wohl auch.

Die Bilder wären nicht abstrakt, meinen Sie, sondern bloß über die Maßen manieriert? Das läuft in dem Fall ein bisschen auf dasselbe hinaus: 'Gegenständlich' sind sie ja nicht wirklich, sondern nur zum Schein; ihr wahres Motiv ist das Ästhetische, nicht als Impression, sondern als Machart.

Venetian scene 1879

Variations in Pink and Grey; Chelsea, 1872

Nocturne in Blue and Gold, Vaparaiso Bay 1866 

 Nocturne in Grey and Gold, Westminster Bridge ca.1871

Beach scene, 1884

Harmony in Blue and Silver; Trouville 1865

Nocturne; Blue and Silver - Chelsea, 1871,

Variations in Pink and Grey (Old Chelsea wharf)

Nocturne, sun.

Symphony in Grey; early morning, Thames.

Bloß manieriert war Whistler übrigens nicht. Er hat auch - erfolgreich - richtig gemalt. Sein bekanntestes Stück ist das Bild seiner Mutter, klassisch streng und doch mit soviel Effekt wie seine extravaganten Monochromien.

Arrangement in Black and Grey (Bildnis der Mutter)




Sonntag, 24. Juli 2016

Wer hat das erste abstrakte Bild gemalt?


Rockwell Kent, Sunset over the sea 1907

Es gibt immer mal wieder Streit darum, ob es wirklich Kandinsky war, der 1913 das "erste abstrakte Bild" gemalt hat. Das ist natürlich nicht aufrecht zu erhalten, wenn man den Malern in ihre Skizzenbücher schaut. Sagen wir also: das erst fertige ab-strakte Bild. Bleibt als ungreifbarer Rest die Frage: Doch ab wo ist ein Bild "abstrakt"?

Es liegt im Wesen der Sache, dass sich die Frage zuerst bei einem Landschaftsbild stellt.


Ich habe natürlich auf den ersten Blick erkannt, dass es eine Landschaft sein soll. Aber das beweist nichts. Ich erkenne überall Landschaften.



Samstag, 23. Juli 2016

David Smith bei Hauser & Wirth in Zürich.

aus nzz.ch, 21.7.2016, 05:30 Uhr

David Smith bei Hauser & Wirth
Skulptur hat keine Regeln
David Smith zählt zu den Pionieren der amerikanischen Skulptur. In seinem Werk durchdringen sich Plastik und Malerei.


von Maria Becker

Für David Smith war die Natur der ideale Mitspieler seiner Kunst. Er scheute sich nicht, seine Eisenskulpturen an einen nah bei seiner Werkstatt gelegenen See zu transportieren, um sie dort – vor dem Hintergrund des spiegelnden Wassers – zu fotografieren. In den Durchblicken und Aussparungen der Formen agierte die Landschaft mit und wurde Bestandteil des Werks. Auch die Reflexionen des Stahls sorgten für die Auflösung der Formen und machten das Material leicht. Smith wollte in seiner Kunst eine Art Widerspruch im Ausdruck schaffen: Massivität und Leere, Geschlossenheit und Ausgreifen, Erde und Himmel waren für seine Skulpturen im gleichen Mass bestimmend. ...


Die NZZ hat mir rückwirkend die Verbreitung ihrer Inhalte untersagt. Ich werde sie nach und nach von meinen Blogs löschen 
Jochen Ebmeier



Untitled, 1960, II



First Ovals, 1958



Ninety Father, 1961


Ninety Son, 1961


Untitled, 1960


Nota. - Die Skulptur ist noch lange nicht so erschöpft wie das Tafelbild - weshalb immer mehr Maler ihre Werke zu 'Objekten' ausdehnen. Nimmt man der Skulptur den Bezug auf die Gegenstände, wird buchstäblich alles möglich; sie hat "keine Regeln", weil sie selber Gegenstand ist, dreidimensional im Raum und gar in der Landschaft, man kann drumrum gehen, sie auch von oben oder unten ansehen, und jedenfalls nicht... an die Wand hängen. Die Skulptur ist in einem viel weiteren Sinn für die Augen als die Malerei. Und, wenn der Wärter wegsieht, für die Hände - weshalb sie im privaten Raum mehr m Platze ist als im Museum. Sie ist Res extensa aus eigenem Recht. Dass sie 'nichts zu bedeuten hat', sieht man ihr eher nach als dem Wandbild, es reicht, wenn sie 'nach was aussieht', und schlimmstenfalls selbst, wenn sie bloß dekorativ ist.

Aber das wenigstens muss sie sein, und so ganz 'ohne Regel' ist sie also doch nicht. Man stelle sich vor, Malewitch hätte seinerzeit kein schwarzes Quadrat als Wandbild, sondern einen schwarzen Würfel als Skulptur ausgestellt: nichtssagend; eben weil es nach nichts aussieht und doch mehr ist als ein flaches Ölbild an der Wand. 

*

Allerdings galt das alles noch nicht zu David Smiths Lebzeiten. Das war die Hohe Zeit des Abstraktion, da schwamm er mitten im Mainstream. Es trifft sich gut, dass Hauer & Wirth ihn jetzt in Europa vorstellen. 
JE


Günter Uecker



Mittwoch, 20. Juli 2016

Hat Rembrandt optische Hilfsmittel verwendet?

„Lachender Rembrandt“. So sah er sich selbst – aber wie konnte er sich so sehen?



















                  aus Die Presse, Wien, 20. 7. 2016                                                           Selbstporträt als der "lachende Philosoph" Demokrit

Rembrandts Selbstporträts: Spiegeltricks?
Der Streit darüber, ob selbst die größten Meister sich heimlicher Hilfsmittel bedienten, ist neu belebt.

Von Jürgen Langenbach

Kann man ein Porträt von sich malen, wenn man gerade herzlich lacht oder die Augen weit aufreißt? Rembrandt konnte es – etwa im frühen „Lachenden“ –, aber wie? Er konnte ja nicht auf Dauer den Mund oder die Augen aufreißen und zugleich malen, was er im Spiegel sah. Dazu brauchte es technische Hilfe, optische Instrumente. Die wurden in der bildenden Kunst seit 1530 breit verwendet: Kepler etwa empfahl eine von ihm ersonnene Camera obscura zur präzisen Abbildung von Landschaften, Galileo lehnte das ab – „es ist für die, die nicht wissen, wie man die Natur mit dem Geist erfasst“ –, nutzte aber konkave Spiegel, Velázquez hatte gleich zehn davon.

Das brachte den Maler David Hockney und den auf Optik spezialisierten Physiker Charles Falco 2001 auf den Verdacht, seit der Renaissance hätten viele Meister mit dem heimlichen Gebrauch von Spiegeln und Linsen hyperrealistische Details in ihre Bilder gezaubert. Das weckte Widerspruch, Hauptkritiker der „Hockney-Falco-Hypothese“ war ein anderer Optikspezialist, David Stork.

Er und Falco sind auch in der jüngsten Runde mit dabei: Francis O'Neil, ein britischer Maler, sieht in vielen Selbstporträts von Rembrandt angewandte Optik am Werk. Zugang hätte der Niederländer haben können: Sein Landsmann und Förderer, der Astronom Huygens, hatte Spiegel und Linsen, und van Leeuwenhoek, der Erfinder des Mikroskops, war ein Nachbar vor Vermeer. Der wieder war Chef einer Gilde in Delft, in der Künstler und Glasmacher vereint waren, auch Rembrandt war Mitglied, und dass er zumindest einen Spiegel hatte, ist verbürgt. Für sein Lachen und Augenrollen brauchte er aber zwei: Er setzte sich, mit grell beleuchtetem Gesicht, in einem dunklen Raum vor einen konkaven Spiegel, der warf das Bild auf einen flachen Spiegel, von dort ging es auf die Leinwand (bzw. das Kupfer: Rembrandt nutzte es nicht nur zum Stechen, sondern bisweilen auch als Maluntergrund). Das brachte Präzision und zugleich Chiaroscuro, den starken Hell-Dunkel-Kontrast, den viele Werke Rembrandts zeigen.

„Der Befund zeigt, dass Rembrandt für Selbstporträts optische Instrumente nutzte“, schließt O'Neil (Journal of Optics 13. 7.). Falco sieht sich bestätigt, aber Stork lässt nicht locker: Das Bild hätte durch die Spiegel auf dem Kopf projiziert und später umgedreht werden müssen. Aber Rembrandt habe für gewöhnlich von oben nach unten gemalt, ergo: Die Pinselführung der Porträts müsste nach oben zeigen. Das tue sie nicht.



aus scinexx 

Nutzte Rembrandt optische Hilfsmittel?
Projektionen mit Spiegeln und Linsen halfen dem Maler wahrscheinlich bei seinen Werken

Raffinierte Technik: Der holländische Maler Rembrandt könnte für seine Selbstportraits mehr als nur Pinsel und Farbe genutzt haben. Denn neuen Erkenntnissen nach erstellten er und einige weitere Künstler seiner Zeit ihre Selbstbildnisse wahrscheinlich mit Hilfe optischer Projektionen – erzeugt mit Linsen und konkaven Spiegeln. Diese Technik könnte auch erklären, warum gerade Rembrandt in seinen Bildern so starke Hell-Dunkel-Kontraste malte.

Typisch für Rembrandts Portraits: Starker Hell-Dunkel-Kontrast und viele feine Details in den Gesichtern.
Typisch für Rembrandts Portraits: Starker Hell-Dunkel-Kontrast und viele feine Details in den Gesichtern.

Der 1606 im niederländischen Leiden geborene Künstler Rembrandt von Rijn gilt als einer der großen Meister realistischer Portraits und Selbstportraits, aber auch als Meister des Chiaroscuro, eines Stils, der sich durch starke Hell-Dunkel-Kontraste in den Bildern auszeichnet. Ungewöhnlich an Rembrandts mindestens 50 Selbstportraits ist auch, dass er sich immer wieder mit verschiedenen Gesten und emotionalen Gesichtsausdrücken darstellte – und das extrem detailliert.

Verräterische Eigenheiten

"Rembrandts Selbstportraits beim Lachen und mit weit offenen Augen hätten eine unglaubliche körperliche Disziplin erfordert, wenn er diese Mimik immer wieder vor dem Spiegel genauso reproduzieren musste, unterbrochen vom Wegschauen und konzentrierten Malen", erklären die britischen Forscher Francis O'Neill und Sofia Palazzo Corner.

Hinzu kommt eine weitere Auffälligkeit: "Die Augen des Künstlers schauen einen in diesen Bildern nie direkt an, sondern blicken stets ein wenig zur Seite", so die Forscher. Hätte Rembrandt sein Selbstportrait jedoch durch abwechselnde Blicke in Spiegel und Leinwand gemalt, müssten die Augen direkt aus dem Bild herausschauen – so, wie er es auch beim Blick in den Spiegel gesehen hätte.

Auf Du und Du mit Pionieren der Optik

Eine Erklärung für diese malerischen Eigenheiten liefert nach Ansicht der Forscher eine zu Rembrandts Zeit noch relativ neue Technologie: große optische Linsen und konkave Spiegel. Denn mit ihrer Hilfe könnten Rembrandt und einige seiner Zeitgenossen optische Projektionen erstellt haben – Abbilder ihres Gesichts, die direkt auf die Leinwand oder die Metallplatte für den Kupferstich geworfen wurden.

Zwei Spiegel und eine Projektionsfläche: So könnte Rembrandt seine Selbstportraits gemalt haben.
Zwei Spiegel und eine Projektionsfläche: So könnte Rembrandt seine Selbstportraits gemalt haben.

Dass Rembrandt durchaus Zugang zu dieser optischen Technologie gehabt haben muss, belegen historische Aufzeichnungen. Demnach waren Linsen im Holland des frühen 17. Jahrhunderts leicht erhältlich – und in Rembrandts Bekanntenkreis besonders verbreitet. So gehörte der Astronom Constantijn Huygens zu den Förderern des Malers und der Mikroskop-Pionier Antoni van Leeuwenhoek lebte im Nachbarhaus.

Konkave Spiegel und ein dunkler Raum

Die Forscher haben mindestens fünf verschiedene Kombinationen von optischen Hilfsmitteln zusammengestellt, die Rembrandt für seine Werke genutzt haben könnte. Im einfachsten Falle kombinierte er einen konkaven und einen flachen Spiegel, die er jeweils zu beiden Seiten von sich aufstellte, und nutzte eine helle Leinwand oder eine reflektierende Metalloberfläche wie bei Kupferstichen üblich als Projektionsfläche.

"Bei solchen Projektionen muss das Gesicht hell beleuchtet sein, während der Raum so dunkel wie möglich bleibt, damit die Projektion sich gut von der Unterlage abhebt", erklären die Wissenschaftler. Genau dieses Prinzip des Chiaroscuro aber findet sich bei Rembrandt in sehr vielen Gemälden wieder.

Dieses Selbstbild beim Lachen mit aufgerissenen Augen wäre mit herkömmlicher Technik schwer zu realisieren gewesen.
Dieses Selbstbild beim Lachen mit aufgerissenen Augen wäre mit herkömmlicher Technik schwer zu realisieren gewesen.

Projektion statt Vorzeichnung

Verräterisch auch: Viele von Rembrandts Gemälden tragen keine Spuren von detaillierten Vorzeichnungen oder Übermalungen. "Die offensichtliche Sicherheit, mit der Rembrandt einige seiner Werke produzierte, sind ein Indiz für die Verwendung von Projektionen", sagen O'Neill und Corner. Denn die Projektion selbst lieferte sozusagen die Vorzeichnung für diese Bilder.

Ein weiterer Hinweis ist die Detailtiefe der Portraits selbst bei sehr kleinen Stichen und Bildern: "Nutzt man nur einen einfachen Spiegel, ist die Entfernung, die man braucht, um mehr als nur das Gesicht darzustellen, zu groß, um viele Details wahrzunehmen", so die Forscher. Auffallend sei zudem in einigen Bildern des Meisters eine Krümmung der Perspektive und ein Verschwimmen der Details zum Rand hin – ganz ähnlich, wie es bei Projektionen zu sehen ist.

"Durchaus üblich"

"Die Belege sprechen dafür, dass Rembrandt Linsen und Projektionen nutzte", konstatiert O'Neill. "Die Ähnlichkeit seiner Bilder zu Projektionen, vor allem in der Lichtgebung und dem weichen Fokus, stützen dies ebenso, wie die dokumentierte Nutzung der Linsentechnologie durch seine Zeitgenossen." Auch bei anderen Malern dieser Zeit sei es durchaus üblich gewesen, solche Hilfsmittel für ihre Werke zu verwenden.

Einige von Rembrandts Schülern beschrieben später sogar in ihren Aufzeichnungen, wie sich Spiegel, Lochkameras und Ähnliches in der Malerei einsetzen lassen – eine Technik, die sie von ihrem Meister gelernt haben könnten. (Journal of Optics, 2016; doi: 10.1088/2040-8978/18/8/080401)

(IOP Publishing , 18.07.2016 - NPO)



Nota. - Dass ich nicht zu Rembrandts Verehrern zähle, habe ich gelegentlich erwähnt. Doch jedesmal habe ich hinzugefügt oder gar vorausgeschickt, dass ich ihn unter den Porträtmalern, die ich kenne, für den größten halte. Ob er technische Hilfsmittel verwendet hat, spielt dabei keine Rolle. 

Den Ruhm in der Nachwelt verdanken die großen Meister nicht oder kaum ihrer handwerklichen Fähigkeit. Die spielte beim zeitgenössischen Publikum eine Rolle, das auch bei einem Malerkollegen hätten kaufen können; der Nachruhm verdankt sich dem ästhetischen Genie, wobei die Originalität nicht immer in formaler Neuheit steckt. In der Porträtkunst zeigt sich ästhetisches Genie in der Lebhaftigkeit des Ausdrucks, in der die Individu-alität des Porträtierten sichtbar wird (und ob die Individualität durch Ähnlichkeit sichtbar gemacht wurde, kann der Nachgeborene gar nicht beurteilen). Doch bei der Lebhaftigleit der Darstellung hilft kein Spiegel, da muss der Künstler selber für aufkommen.

Mir andern Worten, wenn Leeuwenhoek, der den Freunden E.T.A. Hoffmanns aus Meister Floh bekannt ist, schon sein Nachbar war, hätte Rembrandt als Künstler sträflich gehandelt, wenn er dessen Gerätschaften nicht ausprobiert hätte.

Die stärksten Porträts Rembrandts sind die von sich selbst und von Titus (bei andern hätte er die Spiegel kaum einsetzen können). Doch anders als die dutzendfachen Selbstporträts van Goghs dienen die von Rembrandt, das ist längst bemerkt worden, nicht der Selbstergründung, sondern dem Studium... des Ausdrucks. Und hätte er dabei keine Spiegel eingesetzt, obwohl er es konnte, hätte er als Künstler nicht nur sträflich, sondern dumm gehandelt. 
JE

Dienstag, 19. Juli 2016

Das Foto als Mätresse der Maler.

aus Der Standard, Wien, 20.7.2016

Verspielte, gefährliche Mätresse der Malerfürsten
Welch vielfältige Beziehungen die Maler in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur Fotografie unterhielten, zeigt die Ausstellung in der Orangerie des Belvedere

von Roman Gerold

Wien – Der Ringstraßen-Malerfürst Hans Makart hat's getan, der Landschaftsmaler Franz Alt ebenso. Selbst Klimt: schuldig. "Schmerzlich enttäuschend" fand es Heinrich Schwarz, Belvedere-Kurator in der Zwischenkriegszeit, dass sich noch die Größten unter jenen Malern befanden, die für ihr Handwerk "Unterstützung bei der Fotografie gesucht" hätten.

Sie hatten, salopp gesagt, die anspruchsvolle Dame Malerei mit der jungen, billigen Mätresse Fotografie hintergangen. Der Historienmaler Adolf Hirémy-Hirschl etwa, der die Figuren seiner dramatischen Gemälde nicht – wie Schwarz es wohl lieber gesehen hätte – aus dem Gedächtnis oder nach Skizzen, sondern auf Basis von Fotos gemalt hatte.


Fotovorlage für Franz Matschs Porträt vom Sohn des Künstlers als 'Prinz Ludwig von Ungarn'; s. o.

Nun steht der desillusionierte Schwarz für eine Anschauung, die sich erst im 20. Jahrhundert entwickelte – nachdem die Fotografie als vollwertige Kunstgattung anerkannt war. Solange man sie als "Spielerei, von keinem Einfluss auf die Kunst" auffasste – so das Urteil von Wiens erstem Ordinarius für Kunstgeschichte, Rudolf Eitelberger -, war der Umgang mit ihr keineswegs skandalisiert, sondern sogar äußerst verbreitet.

Dies zeigt nun die Ausstellung Inspiration Fotografie im Belvedere, die sich bewusst ist, an ein bis heute nachwirkendes "Tabu" zu rühren, wie Kuratorin Monika Faber sagt. Ja, in der Tat: Wer nicht glauben kann, dass fast alle Maler des späten 19. Jahrhunderts da und dort auf die Fotografie zurückgriffen, muss in der Orangerie ganz, ganz stark sein.



Thematisiert wird etwa Leopold Carl Müllers Monumentalgemälde Markt in Kairo (1875-1879). Die detailreiche Szene beruht weniger auf Zeichnungen, die anzufertigen ob Hitze und Staubs sehr mühsam gewesen sei, wie der Künstler in einem Brief bekannte. Vielmehr lichtete Müller Architektur, Menschen und ein Dromedar gesondert ab, um sie dann malerisch zusammenzustöpseln.


Müller, Markt in Kairo

In der Orangerie vergleicht man nun fotografische Vorlagen direkt mit dem fertigen Gemälde. Selbigem meint man das Gestückelte denn auch anzusehen, etwa angesichts lichtsetzerischer Ungereimtheiten. Man vollzieht aber auch den verklärenden Orientalismus der Zeit nach: Müller überhöhte mitunter seine Gegenstände, ließ etwa Bauten ein wenig glanzvoller erscheinen, als sie sich ihm darboten.


Müller, Marktplatz in Kairo

Die Fotografie steht nicht zuletzt als Antagonistin der Malkunst in den Geschichtsbüchern. Denn akkurate Porträts oder Landschaftsbilder konnte das von Louis Daguerre 1839 erfundene und rasch immer weiterentwickelte optisch-chemische Verfahren besser und schneller. So war es letztlich ein wichtiger Faktor dafür, dass sich die Malerei neu definieren musste, gen abstrakte Moderne aufbrechen konnte.


Leopold Carl Müller, Markt in Kairo um 1878 

Inspiration Fotografie führt nun in jene spannende Phase, in der die Maler ihre spätere Unterlegenheit allenfalls ahnten. In Wien war man selbstbewusst – die Diskussion über das Kunstpotenzial der Fotografie sollte hier später einsetzen als in England oder Frankreich. Derweil steckten die meisten die Kamera als Mittel zum malerischen Zweck in die Tasche. Sie könne "die Hand des Menschen nie entbehrlich machen", versicherte die Grätzer Zeitung 1842.

Malerei als Maß der Dinge

Und so waren Fotos nicht nur Gedächtnisstütze, Sammelhilfe, Vorlagenspender. Maler nutzten sie ebenso für Reproduktion und Vertrieb ihrer Gemälde oder für die Selbstinszenierung. Auch dem später aus England importierten Piktorialismus galt die Malerei noch als Maß der Dinge: Fotografen wie Heinrich Kühn strebten danach, ihre Fotos wie Gemälde aussehen zu lassen – etwa durch komplexe Drucktechniken oder bewusst eingeführte Unschärfen.


Tilla Durieux als Circe

Wie weit man den Einfluss der neuen Technologie auf die Malerei fassen kann, zeigt das Beispiel Klimts: Die Verwendung eines Teleguckers, der dem Anvisierten jede räumliche Tiefe nimmt, prägte die flächige Ästhetik von dessen Landschaftsbildern mit.

Inspiration Fotografie (sowie der empfehlenswerte Katalog) steckt voller Anekdoten, die vergnüglich zu entdecken sind – und die man sich auch zweimal durch den Kopf gehen lassen kann: Die Geschichte vom Umgang mit revolutionären Technologien könnte für uns Heutige – trotz veränderter Vorzeichen – durchaus allgemein Relevantes enthalten.


Franz von Stuck, Tilla Durieux als Circe

Belvedere, bis 30.10.