Mittwoch, 7. September 2016

Geschmack am Geruch.

W. Busch

Unter dem Stichwort Geschmackszentrum erfolgreich ausgetrickst berichteten manche Medien dieser Tage über die Forschungen von Thierry Thomas-Danguin vom Centre des Sciences du Goût de l’Alimentation in Dijon. Dies hier aus scinexx:

...Die Wissenschaftler untersuchten, wie bestimmte Aromastoffe unseren geschmacklichen Eindruck von einem Nahrungsmittel manipulieren können. In einem Experiment ließen sie Probanden dafür Vanillepudding probieren, der aus unterschiedlichen Schichten mit variierendem Salzgehalt und zugesetzten Aromen bestand. Denn auch in Süßspeisen sorgt eine Prise Salz für einen intensiveren Geschmack.

Dabei zeigte sich, dass Schinkenaroma die Creme offenbar salziger machte, obwohl der Aromastoff selbst gar kein Salz enthielt. Tatsächlich hielten manche Testesser eine Puddingvariation sogar für geschmacklich identisch mit einer traditionell hergestellten Creme, in der 40 Prozent mehr Salz verarbeitet worden war. Eine andere Mischung von Aromastoffen beeinflusste in einem weiteren Versuch mit Käse sowohl die Salz- als auch die Fettwahrnehmung der Teilnehmer.



Für das Team war damit klar: Mithilfe von Aromen lässt sich das menschliche Gehirn leicht austricksen. Bestimmte aromatische Bestandteile können demnach einen Mangel an Salz, Zucker oder Fett geschmacklich kompensieren. Doch welche Aromastoffe sind im Detail nötig, um einen fehlenden Geschmack möglichst gut zu ersetzen?

Um das herauszufinden, entwickelten die Forscher einen speziellen Gaschromatographen. Dieser ist in der Lage, einzelne Aromamoleküle aus Lebensmitteln zu isolieren. Auf diese Weise konnten Thomas-Danguin und seine Kollegen zum Bei-spiel untersuchen, welche Komponenten zum süßen Geschmack eines Fruchtsaftes beitragen. Dafür konfrontierten sie Probanden zunächst mit dem vollen Aroma eines Saftes. Anschließend leiteten sie die isolierten Aromabestandteile ein-zeln in die Nase der Versuchsteilnehmer und fragten sie, ob das jeweilige Aroma zur wahrgenommenen Süße beitrage. ...

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Es irritiert, dass sowohl die vulgären Freuden und Leiden unseres Gaumens als auch die sublimsten Leistungen unserer ästhetischen Urteilskraft unter demselben Namen Geschmack in einen Topf geworfen werden: hier das grob Sinnliche, da das Höchstgeistige!

Und umgekehrt: Über Geschmack lasse sich nicht streiten, heißt es, wenn es um die Schönheiten der Kunst und der Natur geht, aber bei den Signalen, die von den Reizungen unserer Geschmacksknospen auf der Zunge an die Nervenzellen in unserm Gehirn gehen, hat man doch was Handfestes, das sich messen und lokalisieren kann!

Versuche, das Kunsturteil auf elementare physiologische Prozesse zurückzuführen, hat es immer wieder mal gegeben. Das war immer gequält und verrenkt und hat zum Verständnis von Garnix beigetragen.

In Dijon gehen sie - mit kommerziellem Hintergedanken - andersrum vor, und heraus kommt: So simpel wie mit Hunger und Durst, Frieren und Schwitzen ist es mit dem Schmecken im Mund ja gar nicht. Auch da kann man sich täuschen und kann sich allerhand einbilden! Das aller-unterste Erkenntnisvermögen, wie Alexander Gottlieb Baumgarten meinte, ist der Geschmack ja wohl doch nicht, und der Gourmet hat mit dem sophistiziertesten Kunstrichter mehr gemein, als jener wahrhaben mag. 
JE



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