Samstag, 1. Februar 2014

Odilon Redon in der Fondation Beyeler.

aus Badische Zeitung, 1. 2. 2014                                                                                                                        Ophelia, 1900-1905

Fondation Beyeler zeigt Odilon Redon
Ein Einzelgänger als Wegweiser in die Moderne: In der Fondation Beyeler eröffnet die Ausstellung Odilon Redon.

von Volker Bauermeister
Lächelnde Spinne, Kohle, 1881

Die Fondation Beyeler zeigt nun den Zeichner und Maler. Den versonnenen Einzelgänger Redon, den der Schriftsteller Joris-Karl Huysmans einen "Prinzen des Traumes" nannte. Erstaunlicher Weise hatte dieser symbolistische Rätselkopf im heimatlichen Bordeaux einen Naturwissenschaftler zum Lehrer. Der Botaniker Armand Clavaud regte seinen schöpferischen Blick an. Ab den 1870er Jahren entstehen dann seine "Noirs", die tiefschwarzen Kohlezeichnungen. Ein Blatt ist das der lächelnden Spinne. Huysmans beschreibt so ein menschengesichtiges Tier in einem seiner Romane. Redon lässt es auf zehn Beinen tänzeln, lächelnd die Nadelzähne zeigen. Clauvaud hatte ihn sensibilisiert für solche hybriden Lebensformen. Mit Darwin und dem Evolutionsgedanken waren Grenzen auch verwischt. Der Mensch war also nicht als Mensch "erschaffen".


 Kaktusmann (1881)

Die Einsicht war so verunsichernd wie faszinierend. Redon wendet ein wissenschaftlich grundiertes, dynamisches Naturverständnis in blühende Phantastik. Und wo sich dem Auge die Wirklichkeit geisterhaft weitet, will es gleich selbst unter den Geistern erscheinen. Losgelöst schwebt das Sinnesorgan im Rembrandt’schen Dunklen als Kugelgestalt. Und das Bild der geschlossenen Augen fesselt Redon. Unterm Mikroskop öffnen sich unbekannte Welten, nicht anders im Blick nach innen im eigenen träumenden Kopf. Bilder kommen zutage, die das Grauen streifen. "Der Kopf eines Märtyrers in einer Schale" nimmt die Geschichte von Johannes dem Täufer auf. Doch scheint von den vielen abgetrennten Häuptern Redons dieses seltsam friedvoll. Sanft zeichnet das Licht seine Züge in den Schattengrund, und mit den geschlossenen Lidern weist es schon auf Brancusis "Schlummernde Muse" voraus.


Martyr ou Tête de martyr sur une coupe ou Saint Jean, 1877

In den 1890er Jahren dringt Redon dann unvermutet in die Welt der Farben vor. Die neuen Nächte leuchten. Das Pastell wird bestimmend, die Ölbilder folgen. "Apollos Sonnenwagen" ist eine Hommage à Delacroix und sein Louvre-Deckenbild, das Redon schon früh kopierte: Triumph eines überirdischen Lichts.


Le Char d'Apollon, um 1910

Und oft sieht man nun Boote durchs ruhige Wasser gleiten. Vor fünf Jahren waren bei Beyeler schon solche Barken zu sehen, in einer Ausstellung zusammen mit vielen Venedig-Ansichten von anderen. In den Sehnsuchtsbildern Redons führt manchmal die reglose Schwermut das Steuer. Schönheit schillert ungewiss. Man weiß bei diesem Maler nie.


La barque, um 1903

Vieldeutig ist auch sein Bild des Todes. Das hauchzarte Bildnis der unglücklichen Shakespeare’schen Ophelia [Kopfbild] zeichnet er ins Halbrund wie in einen Fächer. Im Blau schwimmt die Tote in den Blumen. Mit dem Wasser, in dem die Blüten treiben, ist die Idee vom Ursprung des Lebens verknüpft. Redon malt sie aus, spinnt sie weiter – und greift dabei auf die Anschauung der in der Zeit höchst beliebten großen Aquarien zurück. Er malt Phantasien des Meeres. "Der Traum ist das Aquarium der Nacht", sagt Victor Hugo. 

Blumen und Schmetterlinge, Buddha und Christus 

Redon löst im Blick unter Wasser, in Blütensträuße und Blütenmeere und hoch in den freien Himmel die Ordnung und Statik des Raumes auf. Träumerisch pantheistisch entgrenzt er das Naturbild. Seine Beschreibung der Lebensformen geht darin oft in einem Gefleck der Farbe auf. Und zu den Blumen, Seepferdchen, Schmetterlingen und Würmern gesellen sich Buddha und Christus. Farbig glühende Kirchenfenster ziehen an, so wie die Scheiben der von fremdartigen Tieren belebten Wasserbecken.


La mort de Bouddha, 1899

Es waren wohl die jungen Pariser Verehrer, die Künstler der Nabis-Gruppe, die Redon zu ausladenden Raumgestaltungen anregten. In der Frankfurter Schirn waren 2007 die Wandbilder aus der Abtei Fontfroide. Bei Beyeler sind die etwas früheren, um 1900 entstandenen "Grandes Décorations" aus dem Schloss des Baron de Domecy in Burgund. Fünf Paneele im Foyer an einer langen Wand: Sie transzendieren Landschaft – mit ihren in einen nicht enden wollenden Flächenraum verschwebenden vegetabilen Gebilden.


aus dem Gelben Esszimmer in Schloss Domecy. 

Was Pierre Bonnard an Redon schätzte, war: dass er "die sehr reine bildnerische Materie" und den "sehr geheimnisvollen Ausdruck" miteinander verband. Er habe Jüngeren den Weg gewiesen, erklärte Maillol. Mit Kandinskys frühen Abstraktionen und ihrer Farbenpsychologie verbindet ihn viel, der frühe Mondrian teilt mit ihm die Neigung zur Esoterik. Wie Klee, der staunend vor den Wunderwelten des Aquariums in Neapel stand, wollte er der Natur auf den Grund gehen. Matisse bewunderte und kaufte sein "La Mort de Bouddha". Den Surrealismus, das Wols’sche Informel und das durchdringende Blau von Ives Klein scheint er schon geahnt zu haben. Aber auch der Monet der Nymphéas, der den Impressionismus weiterdachte im fließenden Übergang zu einer Poetik einer großen wandelbaren Natur, – er war Redon nicht gar so fern. In einer Stadt im Meer hätten sich beide begegnen können. Venedig.

Fondation Beyeler, Riehen/Basel. 2. Februar bis 18. Mai, täglich 10–18 Uhr, Mittwoch 10–20 Uhr

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