Fernes Echo eines Silbernen Zeitalters
Kulturexport
vor dem Ersten Weltkrieg: Eine Ausstellung im Belvedere zeigt, wie
russische Kunst im Wiener Fin de Siècle wahrgenommen wurde - mit einer
kontroversen Coda aus der Sowjetunion
Wien - Symbolistische Engel und bürgerliche Ferienidylle, düster-expressive Landschaften und Karikaturen sozialer Gefälle: Die russische Kunst um 1900 entwickelte sich augenscheinlich im Austausch mit der westeuropäischen.
Boris M. Kustodijew, Familienbild
Es ist ein wenig bekanntes Kapitel Kulturgeschichte, das die Schau Silver Age. Russische Kunst in Wien um 1900 im Unteren Belvedere behandelt. Man habe kaum vermutet, so die Direktorin Agnes Husslein-Arco bei der Eröffnung, wie präsent die Künstler aus dem Zarenreich im Bewusstsein des Monarchie-Publikums waren und wie eng die Beziehungen zwischen den kreativen Milieus von St. Petersburg bzw. Moskau und Wien.
Elena Luksch-Makowskaja, Sauna, 1908
Die jetzige Schau konzentriert sich zum Teil auf einen Rückblick, fast eine Rekonstruktion, zweier Ausstellungen in der Wiener Secession, 1901 und 1908. Mehr als hundert Jahre später erschließt sie die Bedeutung dieses russischen "Silbernen Zeitalters".
Die Motive der gezeigten Werke sind in der Geschichte des Landes zu finden, aber auch in Fantasiewelten. Sie führen Landschaften vor wie das ehrfurchtgebietende, neuneinhalb Meter breite Taiga am Baikal von Konstantin Korowin oder verlieren sich in fast abstrakten Gärten wie Michail Wrubels Flieder.
Wrubel, einer der produktivsten Künstler seiner Zeit, ist auch mit Majolika-Figuren vertreten, mit einem irritierenden Pan-Gemälde und mit einer entfernt an Schiele erinnernden Tuschezeichnung eines Gefallenen Dämons. Es sind damals wie heute beeindruckende Beispiele, die die Kuratoren Konstantin Akinsha aus Kiew und Alfred Weidinger, Vizedirektor am Belvedere, zumeist aus großen russischen Museen wie der Tretjakov Galerie oder dem Moskauer Theatermuseum oder aus Privatsammlung wie der des Pjotr Aven zusammengetragen haben.
Konstantin Korowin, Taiga am Baikal, 1900
Weitere Aufmerksamkeit widmet die Schau zeitgenössischen Kostümen, sowohl Entwurfszeichnungen wie den Modellen selbst. Wien war nicht zuletzt einer der Bezugspunkte für Sergej Diagilev und seinen Ballets Russes, die hier mehrmals auftraten. Ihre bekanntesten Tänzer, Vaslav Nijinsky und Anna Pawlowa, sind mit Modellzeichnungen und Fotos vertreten - er sogar mit einem kurzen Filmausschnitt.
Léon S. Bakst, Vorhang ‘Elysium’, 1906
Wie eine Coda zur Silbernen Periode versammeln die letzten Räume der Schau russische Bildplakate aus der revolutionären Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. In Strip-Form fertigten etwa Agitprop-Künstler Aufrufe an, die an Fenster zu kleben waren; ebenso sind sie hier gehängt (leider ohne Übersetzungen, auch nicht im Katalog).
Gequältes Land
Interessanterweise schaffte es ein Beispiel, das von der Prager Ne-Boltai-Sammlung geliehene Plakat Die Schlächter foltern die Ukraine (siehe Bild unten), nicht in die Ausstellung. Die Ukraine wird von einem polnischen Gutsherrn (Pan) und dem konterrevolutionären Petlyura, Kommandeur der ukrainischen Armee, ans Kreuz genagelt. Das Sujet impliziert die Rote Armee als Rettung vor den finsteren Mächten. Doch die Bildsprache lässt auch das heutige, von fremden Mächten gequälte Land assoziieren. Gerüchte, dass offizielle russische Stellen interveniert hätten, wurden dementiert. Ein Hautgout bleibt.
1920 entwarf Viktor Deni das Propagandaplakat gegen die Peiniger der Ukraine, das im Belvedere nicht zu sehen ist
Bis 28. September
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