Samstag, 28. März 2015

Können war unwichtig; Hauptsache, man hatte etwas zu sagen.

Peter Pongratz, Ausstellung Essl Museum





















aus Die Presse, Wien, 28. 3. 2015                                                                                                  Pongratz, o.T.?

Essl-Museum: 
Ein Vorläufer der Jungen Wilden
Seine wilden Bilder haben die Malerei der Punk-Generation vorweggenommen, meint Peter Pongratz. In Klosterneuburg ist der Vergleich jetzt möglich.

von Sabine B. Vogel

Die Ateliers waren geschlossen, die Kunst fand auf der Straße statt. So radikal wie diese Ansage waren die Siebzigerjahre natürlich nicht. Aber es war tatsächlich ein Jahrzehnt des massiven Umbruchs in der Kunst. Besonders hart traf die Suche nach neuen Ausdrucksformen die Malerei. Akademische, realistische Stile waren nicht zuletzt durch den Sozialistischen Realismus verpönt, der als staatlich verordneter Stil in kommunistischen Ländern diskreditiert war. Abstraktion war zwar genauso politisiert, aber immerhin als Stil der westlichen Länder, und galt damit als Ausdruck von Freiheit. Was aber, wenn Maler sich aus diesem Stellvertreterkrieg auf dem Feld der Kunst heraushalten wollten? Diese Frage findet man gerade in den beiden Ausstellungen im Essl-Museum in Klosterneuburg bestens beantwortet. Denn hier sind zeitgleich die große Retrospektive von Peter Pongratz und eine Zusammenstellung der Jungen Wilden zu sehen.
Pongratz, Heldenplatz 1988/89

In den frühen Achtzigerjahren reagierten die jungen Maler auf die Ablehnung der Malerei mit einem frechen, bewusst dilettantischen Stil, der ein wenig der Attitüde des Punk ähnelte. Können war unwichtig, Hauptsache, man hatte etwas zu sagen – und sei es nur die Behauptung, Maler zu sein. Mit breitem Pinsel, groben Strichen und vor allem in großer Schnelligkeit entstanden Mengen von Bildern. Die Menschen sind nur angedeutet, die Leinwand ist komplett zugedeckt, die Frage der Komposition eine spontane Entscheidung. Schon bald hießen die Maler dieser neuen Entwicklung Junge Wilde. Der Mut zur Malerei wurde belohnt, der Kunstmarkt florierte. „Hunger nach Bildern“ hieß die einflussreiche Publikation dazu passenderweise (Wolfgang Max Faust, Gerd de Vries, 1982). 
Pongratz, One morning in May, 2015

Auch in der Sammlung des Essl-Museums ist dieser Stil gut vertreten, die 32 jetzt ausgestellten Werke stammen durchgehend aus den eigenen Beständen: Siegfried Anzinger, Erwin Bohatsch, Gunter Damisch, Alois Mosbacher, Hubert Scheibl, Hubert Schmalix, Otto Zitko. Die Auswahl ist gut getroffen, man sieht deutlich, wie dieselbe Attitüde zu höchst unterschiedlichen Bildern führt. Zudem entwickelten sich alle sieben weiter, sie sind – anders als manche ihrer deutschen Kollegen – noch heute bestens im Geschäft.

Überzogen naive Heiligenbilder

Aber waren sie wirklich die Ersten, die sich diese freche Attitüde leisteten? Peter Pongratz sieht das anders. Seine bewusst kindliche, wilde Malerei habe das bereits früh vorweggenommen. Bekannt wurde der 1940 geborene Künstler mit der legendären Ausstellung der „Wirklichkeiten“. Zusammen mit Martha Jungwirth, Kurt Kocherscheidt und den anderen Malern nahm er bereits Ende der Sechzigerjahre eine eigenständige künstlerische Position ein, die bis heute Abstraktion und Gegenständlichkeit verbindet. Dabei führte ihn seine Suche nach Extrawegen durchaus ins Extreme wie in seinen „Heiligenbildern“ (1969–71): Die damals scharf abgelehnten Devotionalienbilder greift er einerseits affirmierend auf, zerbricht aber die Bejahung in der überzogen naiv-kitschigen Darstellung.
Pongratz, Selbstporträt, badend. 2013

Gleichzeitig entstanden Landschaften in einer stilistischen Mischung aus Phantastischem Realismus und Gugging-Kunst. Solche Sprünge durchziehen sein gesamtes Werk bis heute – und darauf ist Pongratz stolz. Denn er wollte sich nie einengen lassen, erklärt Kurator Günther Oberhollenzer. Natürlich gibt es formale Leitmotive wie die dynamisch-wilden Kompositionen, die zeichnerischen Elemente, die Kritzeleien und das fast zwanghafte Füllen der gesamten Bildfläche – etwas, was die Jungen Wilden ebenfalls praktizierten, allerdings nicht kleinteilig wie Pongratz, sondern als bewusst große Geste.
Pongratz, Hellhound on my trail, 2013

„Keine Rezepte. Keine Vorschriften. Keine Moden. Keine Ideologien. Kein Kompass. Keine Landkarten. Und vor allem keine Dogmen, weder für den Künstler noch für den Betrachter“, so beschreibt Pongratz seine eigene Position im Katalog. Um das zu unterstreichen, entschied er sich für eine unkonventionelle Hängung im Essl-Museum: Statt chronologisch sind die Bilder in Werkgruppen angeordnet. Damit sind die Sprünge in seinem Werk unübersehbar und als bewusster, vielleicht sogar konzeptueller Ansatz deutlich. Pongratz: „Man kann mir allerhand nachsagen, aber einseitig bin ich nicht.“

Peter Pongratz. Eine Retrospektive: bis 7.Juni.




Erwin Bohatsch Das gefundene Herz 1985 
aus: Essl-Museum

Die Wilden Jahre  

Ab Ende der 1970er-, Beginn der 1980er-Jahre haben junge Künstler international auf die theorielastigen Positionen und Diskurse der 70er-Jahre mit einer heftigen, unbekümmerten zeitgeistigen Malerei geantwortet. Die sogenannten „Neuen Wilden“ waren oft noch Studenten, die ganz frech expressiv und gestisch aus dem Bauch heraus malten und schnell produzierten.

Siegfried Anzinger o.T. 1981 

Das löste einen regelrechten Hype unter internationalen Sammlern aus, der Mitte der 80er-Jahre zusammenbrach, was besonders für einige der Vertreter aus Deutschland zu schweren künstlerischen Krisen führte. In Österreich war die Situation differenzierter, da es eine viel ungebrochenere Malereitradition gab und die Abstrakte Kunst auch für die “Neuen Wilden“, die international gesehen fast ausschließlich figürlich malten, eine Option war.


Hubert Scheibl o.T. 1985

Anders als die Ausstellung „Neue Wilde – Eine Entwicklung“ im Essl Museum 2004, die den Schwerpunkt auf die künstlerische Weiterentwicklung der damaligen Proponenten legte, widmet sich diese Ausstellung ganz den heftigen, vom schnellen Malduktus getriebenen Werken der frühen 80er-Jahre aus der Sammlung Essl. Es sind Arbeiten, die selten gezeigt werden, aber heute wieder spannend sind in ihrer kompositorischen und formalen Frechheit und Unmittelbarkeit der Malerei. 

Kuratorin: Viktoria Tomek


Hubert Schmalix Nackter Mann 1982

bis 31.Mai.

Nota. - Es soll nicht heißen, meine Ansicht, die Avantgarde sei mit der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts entschlafen, rühre nur daher, dass ich die allermodernste Kunst gar nicht kenne. Wie Sie hier sehen können, schrecke ich vor nichts zurück.
JE



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