Donnerstag, 5. März 2015

Zeichnungen aus der Sammlung von Jean Bonna in Lausanne.

aus nzz.ch, 5.3.2015, 05:30 Uhr                                                                                                                   Le Lorrain

Sammlung Jean Bonna in Lausanne
Reife Leistungen

von Hans Christoph von Tavel 

Mit der Ausstellung «De Raphaël à Gauguin» vermittelt die Fondation de l'Hermitage in Lausanne einen Einblick in die Sammlung eines Kunstliebhabers eigener Art und alten Stils. Mit 150 Zeichnungen ist etwa ein Drittel der Sammlung ausgestellt.

Jean Bonna begann als Sammler von Büchern, dann von Druckgrafik und setzte seine Tätigkeit vor etwa dreissig Jahren im Sammeln von Zeichnungen fort. Die Ausstellung in der Fondation de l'Hermitage in Lausanne gilt ausschliesslich den Zeichnungen, während im kommenden April und Mai eine Ausstellung von Büchern aus der Sammlung Bonna in der Bibliothèque de l'Arsenal in Paris vorgesehen ist. Jean Bonna ist nicht nur als Sammler tätig, sondern auch als Mäzen. So hat er 2005 der Ecole supérieure des Beaux-Arts in Paris das Cabinet des dessins Jean Bonna gestiftet. Dieses dient der sachgerechten Pflege der bedeutenden Zeichnungssammlung der Institution. Jean Bonna präsidiert die Association Le Cabinet des amateurs de dessins, die durch Ankäufe und Schenkungen die Zeichnungssammlung der Ecole des Beaux-Arts unterstützt. Regelmässig veranstaltet diese im Cabinet des dessins Jean Bonna Wechselausstellungen aus ihren eigenen Beständen, so gegenwärtig «Le baroque à Florence» (bis 17. April 2015).

Hans Hoffmann, Frischling, 1576

Klassisch und kostbar

Im Katalog der Ausstellung in Lausanne gibt ein ausführliches Gespräch des Sammlers mit Sylvie Wuhrmann, Leiterin der Fondation de l'Hermitage, und Dominique Radrizzani, ehemals Leiter des Musée Jenisch in Vevey und Fachmann für Zeichnungen, wesentlichen Aufschluss über die Entstehung der Sammlung. Bonna sammelt europäische Zeichnungen vom ausgehenden Mittelalter bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Im weiten Bereich der Zeichnung zwischen Skizze und selbständigem Kunstwerk interessieren ihn vor allem Arbeiten, in denen die künstlerische Absicht und die Vision der Maler und Zeichner bereits weitgehend über das erste Ausprobieren und Suchen hinaus gediehen oder als endgültiges zeichnerisches Kunstwerk verwirklicht sind. Dementsprechend ist jede Zeichnung klassisch und kostbar wie ein kleines Gemälde gerahmt. Für die Auswahl der Zeichnungen, die in Lausanne ausgestellt sind, liess der Sammler Sylvie Wuhrmann und Dominique Radrizzani freie Hand. Zu jedem ausgestellten Werk hat Natalie Strasser, Konservatorin der Sammlung, im Katalog eine kurze Erläuterung verfasst und die Herkunft der einzelnen Blätter sorgfältig dokumentiert. Wenn auch sehr kenntnisreich in Kunstgeschichte, so geht Bonna doch seinen ganz persönlichen Präferenzen nach. Auf die Frage, welche Zeichnung seiner Sammlung er, verbannt auf eine einsame Insel, als einzige mitnähme, nennt er «Die Heilige Familie» von Parmigianino.
François Boucher

Alle Objekte der Sammlung haben ihre eigene «Geschichte». Dominique Radrizzani macht in seinem Beitrag zum Ausstellungskatalog diese Geschichten zum Thema und fügt eigene hinzu. Er hebt die Neigung des Sammlers zu Reizen des Weiblichen hervor und vergleicht etwa die Frisur einer berückenden Rückenfigur in einer der Lieblingszeichnungen des Sammlers von François Boucher mit dem Haarknoten von Kim Novak in einem Film von Hitchcock. Die frühesten in Lausanne ausgestellten Werke sind drei Zeichnungen von niederländischen und italienischen Meistern des 15. Jahrhunderts, die letzten sind je eine von Odilon Redon und Félix Vallotton von 1907 und 1911. Ein Aquarell «Paysage boisé» von Cézanne steht am Übergang zur abstrakten Kunst des 20. Jahrhunderts, womit für den Sammler ein wesentliches Kapitel der europäischen Zeichnung abgeschlossen ist.
Odilon Redon

Während im Katalog die Werke chronologisch nach ihrem Entstehungsdatum aufgereiht sind, ist die Ausstellung in den stimmungsvollen Räumen der von der Familie Bugnon gegründeten Fondation de l'Hermitage nach «Schulen» aufgebaut: Italien, Frankreich, Niederlande. Die bisherige Gesamtheit der Sammlung ist bereits in zwei 2010 und 2013 publizierten wissenschaftlichen Bänden zur italienischen, niederländischen und deutschen Schule vom 15. bis 18. Jahrhundert erschienen. Die Publikation der französischen Schule und des 19. Jahrhunderts steht noch bevor. In Lausanne sind diese ganz besonders stark vertreten. So wurden aus den Beständen der Sammlung nicht weniger als je vier Zeichnungen von Claude Lorrain und Antoine Watteau, je drei von Jean Baptiste Siméon Chardin und François Boucher, vier von Théodore Géricault, drei von Victor Hugo ausgewählt, mit drei Werken von Parmigianino jedoch die einzige grössere Werkgruppe eines einzelnen Meisters der italienischen Schule, von dem Bonna nicht weniger als acht Zeichnungen besitzt. Nur wenige Werke aus andern Ländern, so je eines von Gainsborough, Johann Heinrich Füssli und Turner, eine Zeichnung von Goya, eine Zeichnung und eine Gouache von Liotard sind dazwischengestreut.
anonym, franz. Rokkoko

Ausserordentliche Qualität

Einzelne Werke treten durch ihre ausserordentliche Qualität und ihre Bedeutung besonders hervor. Zu erwähnen sind etwa eine Studie von Raffael zu den für die Sixtinische Kapelle vorgesehenen Gobelins, das Bildnis Franz II. von François Clouet, «Venus, Adonis und Amor» von Hendrick Goltzius oder dann auch die «Femme au bonnet blanc» von Georges Seurat oder – in leuchtenden Farben – «La barque» von Odilon Redon [s. o.]. Jeder Besucher wird seine eigenen Lieblinge aus der Sammlung Bonna auswählen. Dem Schreibenden kommen die beiden Bildnisse eines Mädchens und eines Knaben von Chardin in Pastell besonders nahe: zwei aufmerksame, offensichtlich hellhörige junge Menschen, die den Blick fragend auf ihre Umwelt richten.

Trésors de la collection Jean Bonna. De Raphaël à Gauguin. Fondation de l'Hermitage, Lausanne. Bis 25. Mai 2015. Katalog Fr. 35.–.
Raffael

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