Mittwoch, 22. April 2015

Nur im ästhetischen Zustand ist ein Ding 'an sich'.

  Früchte; Italien, spätes 16. Jhdt.

5. Ästhetisch betrachtet (unterm Gesichtspunkt des Schönen) sehen die Dinge so aus, als ob sie, über ihren logisch-operationellen Verweisungszusammenhang mit den andern Dingen der Welt hinaus, eine eigene Bedeutung an und für sich selber in Anspruch nehmen wollten; also ohne Verweisung auf Anderes; ohne (durch anderes) bezeichnet werden zu können. 

Indes, de singularibus non est scientia. Ästhetisch steht ein jedes nur für sich, es kann darüber nichts gesagt werden - man kann es lediglich 'betrachten'. Anders gesagt, das Ding-an-sich ist (s)ein ästhetischer Schein; oder, nur das, was "an" dem Ding als ästhetisch erscheint, ist "an sich". (Das Ding an sich ist das Ding, wie es ästhetisch erscheint; oder: An sich ist das Ding nur in ästhetischer Hinsicht; in jeder andern ist es immer für irgend ein anderes.- Die einzigen Qualitäten, die dem Ding 'an sich' zukommen, sind die ästhetischen; freilich auch nur, sofern sie wahrgenommen werden. - Für uns ist das Ansich nur als ein ästhetischer Schein...) 

Man kann sagen, ästhetisch gesehen, ist das Ding über-bestimmt; singularisiert: bis zur Unbestimmtheit bestimmt, da aus dem Zusammenhang ausgeschieden. (Bestimmung = Lokalisierung im allgemeinen Verweisungsgeflecht des Sprach- spiels) 

In der ästhetischen Betrachtung erscheint aber der ästhetische Schein als Schein; insofern ist Kunst (als spezifisch ästhetische Praxis) "immer kritisch"; aber im transzendentalen Sinn, nicht im politischen. Will sagen, sie ist ironisch, aber nicht satirisch. - Aller positiven Metaphysik ist das Ästhetische daher ein Ärgernis; weshalb sie es zu naturalisieren oder zu logifizieren sucht - oder beides zugleich, wie bei Hegel. 

Nota. Ästhetisch wahrgenommen werden nicht die Sinnenreize, sondern ihre Gestaltqualität; werden nicht perzipiert, sondern konzipiert. Das Ästhetische ist keine sachliche Eigenschaft, sondern eine Erlebensqualität.

 Chardin

Nachtrag 9. 1. 2014: 

Im ästhetischen Zustand befindet sich der Mensch, wenn er von sich absieht. Dass sein Hinsehen das Ding zu ihm in Beziehung setzt, geschieht dann auch nur an sich und nicht für ihn.
JE



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