Die gegenwärtige Zurbarán-Ausstellung in Düsseldorf habe ich Ihnen erst unlängst vorgestellt und wird hoffentlich noch nicht schon wieder "fast vergessen" sein. Godefridus Schalcken dagegen lerne auch ich erst heute kennen:
aus Badische Zeitung, 25. 11. 2015
Einst Stars, heute fast vergessen
Die Barockmaler Francisco de Zurbarán und Godefridus Schalcken in Ausstellungen in Düsseldorf und Köln.
von Ulrich Traub
Zwei Kunstgroßmächte des 17. Jahrhunderts, das in beiden Ländern als das "Goldene" bezeichnet wird, werden im Rheinland gewürdigt. Allerdings stehen einmal nicht die bekannten Namen im Fokus. Mit dem Spanier Francisco de Zurbarán und dem Niederländer Godefridus Schalcken werden zwei seinerzeit überaus erfolgreiche Maler nun erstmalig in Deutschland vorgestellt.
Schalcken, Die büßende Maria Magdalena
Schalcken (1643–1706) und Zurbarán (1598–1664): zwei Künstler, deren Malerei ganz unterschiedliche Charakteristika ausgeprägt hat. Der Niederländer, den das Kölner Wallraf-Richartz-Museum zeigt, war ein Meister der durch Kerzenlicht geschickt in Szene gesetzten Motive. Seine so genannte Feinmalerei zeichnet sich durch Detailreichtum aus. Der auch von Goethe geschätzte Maler aus Leiden, der bestbezahlte seiner Zeit, erfreute sein Publikum mit Bildern unterschiedlicher Gattungen – vom Porträt über das Stillleben bis zur Genreszene und mythologischen Themen. Biblische Motive, wie Schalckens "Verleugnung Petri" mit starker Betonung des Minenspiels oder der "Beweinung Christi" mit gleich mehreren Lichtquellen, bilden die Brücke, über die man zum älteren Spanier gelangt: dem Meister der Heiligen, Mönche und Apostelgruppen. Wir befinden uns schließlich in der Hochzeit der Gegenreformation. Zurbarán, jetzt im Museum Kunstpalast in Düsseldorf zu entdecken, wusste, was die Kirchen und Klöster in seinem Land verlangten, und lieferte es in heute noch verblüffender Konsistenz.
Lässt sich Schalckens "Heilige Familie" mit einer lesenden Maria im Zentrum und einem Christuskind am unbeleuchteten Bildrand [?] als Zugeständnis an den Käufer, einen Protestanten, deuten, so sind Zurbaráns Heilige fest verwurzelt in der katholischen Lehre jener Zeit. Sie sollten den Gläubigen spirituell und emotional berühren. Wer dem meditierenden Franziskus, der einen Totenkopf in der Hand hält, oder Petrus, der um Verzeihung zu bitten scheint, gegenübersteht, wird keinen Zweifel hegen, dass die Wirkung ausgeblieben sein könnte. "Asketische Strenge ebenso wie warme Innigkeit" zeichnen diese Werke aus, so Beat Wismer, der Kurator und Direktor des Kunstpalasts. Die Heiligen treten vor einem meist ungestalteten, dunklen Hintergrund auf wie auf einer Bühne: Bilder, die zur Anbetung dienten.
Neben der monumentalen Schlichtheit und der sparsamen Anwendung malerischer Mittel hat die Kunst des aus Sevilla Stammenden eine weitere Qualität. Dem Mystizismus steht ein ausgeprägter Realismus in Zurbaráns Werk zur Seite. Egal ob es sich um eine schlichte Kutte oder das Brokatkleid der Heiligen Casilda handelt, ob es das Fell eines "Agnus Dei" oder die Obstschale neben der "Jungfrau Maria mit Kind" ist: Der Maler pflegt einen verblüffenden Naturalismus mit haptischer Note. Auch das eine Parallele zur Feinmalerei des Godefridus Schalcken. Wie der Niederländer wurde auch Zurbarán aufgrund seiner dramatischen Hell-Dunkel-Kompositionen mit starker Fokussierung des Bildthemas mit Caravaggio verglichen. Beide gehen jedoch in ihrer akribischen Liebe zum Detail über ihn hinaus. Schalcken zudem auch thematisch. Ein "Junge mit Pfannkuchenmaske" ist jedenfalls vom Italiener nicht überliefert.
Schalcken, Junge mit Pfannkuchenmaske
Dass der Leidener Feinmaler lange Zeit in Vergessenheit geraten war, lag an dem veränderten Kunstgeschmack, der seit dem 19. Jahrhundert den gröberen Stil à la Rembrandt und Vermeer höher schätzte. Zurbaráns geringer Bekanntheitsgrad liegt dagegen wohl in der religiösen Striktheit seiner Malerei begründet, die im nördlicheren Europa nicht einfach zu vermitteln war. Umso besser, dass dies nun versucht wird. Für Freunde Alter Meister ist die Reise ins Rheinland jetzt ein Muss. Dort können Meisterwerke aus den bedeutendsten Sammlungen der Welt – etwa aus dem Prado und den Uffizien, aus New York und Washington – bestaunt werden.
Wallraf-Richartz-Museum, Köln,
Obenmarspforten 40. Bis 24. Januar, Di bis So 10-18 Uhr.
Museum Kunstpalast, Düsseldorf,
Ehrenhof 4-5. Bis 31. Januar, Di–So 11–18 Uhr, Do 11–21 Uhr
Nota. - Was springt Ihnen mehr ins Auge, lieber Leser - das caravaggeske Chiaroscuro oder das Sfumato à la Raffael? Die Linie, die Zeichnung, 'il disegno' war eine der großen Errungenschaften der Renaissancemalerei gewesen, und ebendie hatte, neben der anderen großen Errungenschaft: der Perspektive, der Manierismus wieder zunichte gemacht. Beide, die Linie und die Perspektive, hatte Caravaggio (aber auch sein Gegenpol Reni) wieder zu Ehren gebracht; aber, was das Neue und spezifisch Barocke daran war, nicht um in der Malerei den statischen Raum wiederherzustellen, sondern um beide durch Licht und Schatten gewissermaßen zu dynamisieren und zu entmaterialisieren.
Schalcken, Dame mit Spiegel unter einem Baldachin, 1690er
Was sehen wir bei Schalcken? Die Figuren verschwimmen im Dunst, der Raum sinkt herab zum Décor und zur statischen Staffage, das Hell-Dunkel dramatisiert nicht, sondern ziert gefällig. Das ist der Beginn des Rokkoko, und nach der Revolution ist es allgemeinster Geringschätzung verfallen als parfümiertes Fäulnisprodukt des Ancien Régime. Dass es aber in seiner Blüte Spott und Groteske, Moder, Gift und Galle unterschwellig auch bei sich führte, wird auch eines Tages (wieder) entdeckt werden wie der gegenreformierte Caravaggist Zurbarán und er unbefangene Rokkoko-Pionier Schalcken heute.
Schalcken, Porträt der Mary Wentworth geb. Lowther, 1693-1694
Nota II. - Zu einer besonderen Manier hat Schalcken die Bilder mit brennender Kerze gemacht. Aber das war nicht originell, Vorreiter waren der strenge Georges de la Tour und der schaurig-fröhliche Gerrit van Honthorst - "Gherdardo delle notti", wie italienische Zeitgenossen ihn nannten - unverhohlene Caravaggio-Jünger alle beide. Doch während es bei jenen die Kontraste verschärfen und die Spannungen erhöht, ist das Kerzenlicht bei Schalcken ein Weichzeichner, der milde schmeichelt.
JE
Schalcken, Selbstporträt 1695
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen