Anschauen ist als absehendes Hinwenden auf... eine Tätigkeit. Es ist die Elementarform der Reflexion und nur 'durch Freiheit möglich'. Zugleich aber verliert sich das Subjekt beim Anschauen in den Gegenstand. Es ist ein unfreier Zustand, in dem er Mensch leidend ist. Im Anschauen begibt sich der Mensch aus Freiheit in Unfreiheit. Es ist ein Widersinn. Dieser Widersinn macht den ästhetischen Zustand aus.
Aus seiner Befangenheit im Gegenstsand reißt sich das Bewusstsein durch den freien Entschluss zum Bestimmen: im Identi- fizieren des Gegenstands durch das Zuschreiben qualitativer Merkmale. Es ist nicht länger leidend, sondern wieder tätig. Das Gefühl des Tätigseins ist dem bürgerlichen Menschen habituell geworden, sobald er den öffentlichen Raum betritt. Das absichtlich-absichtslose Anschauen bedarf einer besonderen Bemühung - im Museum, im Konzert. Das ist der Grund, weshalb der ästhetische Zustand nicht unser Normalzustand ist. Im Gegenstand zu versinken kann man sich nur leisten, wo man - und sei's im öffentlichen Raum - privat ist. Sich gehenlassen ist ganz etwas anderes. Im Gegenstand des Gefühls versinken ist etwas anderes, als im Gefühl zu versinken, denn im Gefühl ist man bei sich und nicht im Gegenstand. Im eigenen Gefühl versinken ist kein ästhetischer Akt, sondern Kitsch.
Die individuellst-möglichen Bildsujets sind Landschaft und Gesicht. Zwei Extreme, doch beide gleichemaßen schlecht geeig- net, mehr zu bedeuten, als man auf ihnen sehen kann. Beide gleichermaßen Schrittmacher der Ästhetisierung der Kunst; Pioniere der Moderne, möchte man sagen.
Doch zum Schlachtross der Entthematisierung der Malei wurde die Landschaft, nicht das Porträt. Natürlich, denn wiederer- kennen, wen es darstellt, soll man auf dem Porträt allerdings, während die Landschaft als bloßer ästhetischer Anlass irgendwie mit einer andern austauschbar sein kann. Genauer gesagt, die Landschaftsmalerei konnte zur Ungegenständlichkeit führen. Das kann das Porträt ja wohl nicht. Der Landschaftsmaler kann abstrahieren, dem Porträtisten bleibt nur die Reduktion.
Reduktion auf 'das Wesentliche', und das ist am Menschengesicht die Person, sie ist das Individuelle. Nicht so sehr die Gesichtszüge, sondern was sie ausdrücken; auszudrücken scheinen - doch auch der verstellte Ausdruck gibt einen Einblick in den Charakter - wenn man die Verstellung erkennt.
Bei historischen Porträts, die schon in frühen Jahrhunderten Individualität ausdrückten, als ansonsten in der Kunst noch ganz das Typische und Repräsentative im Vordergrund stand, kann man leider, so lebendig sie wirken, die physische Ähnlichkeit mit dem Abgebildeten nicht mehr beurteilen. Eine bemerkenswerte Ausnahmen sind die glücklicheweise zahllosen Selbstporträts von Rembrandt. Denn obwohl es ihm um die Ergründung seiner Persönlichkeit offensichtlich gar nicht gegangen ist, sondern um das Studium seiner willkürlichen Gesichtsausdrücke, sehen sie einander allesamt so ähnlich, dass Sie jedes einzelne noch bei dichtem Gedrängel in der U-Bahn wiedererkennen würden. Das ist einzigartig, und je älter das Gesicht wird, umso ent- schiedener wird - die Reduktion.
Langer Vorrede kurzer Sinn: Ich will ihnen die Porträtistin Helene Schjerfbeck nahebringen. Aus ihrem achtzigjährigen Leben sind vierzig Selbstporträts erhalten, und natürlich auch Fotografien. Sie hat als junges Mädchen ein verhältnismäßig glattes Gesicht, umso mehr Kunst muss sie bei der Darstellung der Individualität aufbieten: 'das Wesentliche'. Und mit gnadenloser Schärfe verfolgt sie den Prozess ihres Alterns als den einer - Reduktion. Je weniger man sieht, umso wentlicher scheint es zu werden.
Welche
Musik wir lieben, hängt von vielen kulturellen Faktoren ab. Eine
zeitgemäße Musikästhetik muss deshalb alle Kulturen der Welt
einschließen
von Doris Griesser Dem durchschnittlichen abendländisch geschulten Ohr
bereitet ihre Musik selten einen echten Hörgenuss. In der arabischen
Welt dagegen wird die 1975 verstorbene ägyptische Sängerin Umm Kulthum
bis heute vergöttert, ihre Lieder werden nach wie vor quer durch alle
sozialen Schichten und Altersgruppen mit großer Begeisterung gehört.
Musikalische
Schönheit lässt sich, wie dieses Beispiel zeigt, auf keine
international gültige Formel bringen. Jede Kultur huldigt ihrem eigenen
Schönheitsideal, sodass "das Schöne" in tausend unterschiedlichen
Gestalten auftritt und Umberto Eco vom "Polytheismus der Schönheit"
schreibt. Für Bewohner einer globalisierten Welt ist das keine besonders
aufre- gende Erkenntnis, aber die Musikästhetik als akademische Disziplin
leidet bis heute an den Folgen einer jahrhunderte- langen
Blickfeldverengung namens Eurozentrismus.
Obwohl ihre Vertreter
inzwischen keine über alle geografischen Räume und Zeiten hinweg
gültigen Kriterien mehr aufstellen, wie gute Musik beschaffen sein muss,
hat sie ihre Beispiele doch mehr als 200 Jahre lang fast ausschließlich
aus dem Pool der europäischen Kunst bezogen.
Um nicht nur
westliche Kulturen in den musikästhetischen Diskurs einzubeziehen, haben
sich an der Kunstuniversität Graz (KUG) ein Ethnomusikologe und ein
Musikästhetiker zusammengetan und ein Symposium zur "Ethnoästhetik von
Musik" organisiert. Dabei kamen auch Experten für indische,
südamerikanische, afrikanische und arabische Musik zu Wort.
"Grundsätzlich
geht es in der modernen Musikästhetik vor allem um Wertungsforschung",
so Gerd Grupe, Mitorganisator und Leiter des Instituts für
Ethnomusikologie an der Kunstuniversität.
Maßstäbe für die Bewertung
"Man
untersucht die Maßstäbe, nach denen verschiedene Gruppen
unterschiedliche Musiken bewerten." Es gilt also jene Kriterien
herauszufinden, die Menschen an unterschiedlichsten Orten und zu
verschiedenen Zeiten an die von ihnen gehörte oder gespielte Musik
anlegen.
"Natürlich gibt es in jeder Kultur Bewertungsmaßstäbe",
erklärt der Musikethnologe. "Allerdings sind es meist andere Kriterien
als die in Europa gebräuchlichen." Eines davon ist etwa die Gestaltung
der Melodie oder des Stimmklangs, um damit eine bestimmte Emotion
auszudrücken und natürlich auch beim Hörer hervorzurufen.
Neben
der gezielten Emotionalisierung der Zuhörer können in verschiedenen
Kulturen mit Musik auch völlig andere Ziele verfolgt werden – etwa die
Beschwörung eines Ahnengeistes. "Auch in Europa wird ein Konzert ja
nicht nur nach rein ästhetischen Kriterien beurteilt", wirft Andreas
Dorschel, Co-Organisator und Leiter des Grazer Instituts für
Musik- ästhetik, ein. "Hier hat die Musik beispielsweise auch die Funktion
der Selbstvergewisserung für das Bildungsbürger- tum." Grundsätzlich
seien in jeder Kultur ästhetische und soziale Faktoren eng verschränkt.
Um
die kulturellen und sozialen Grundlagen zu erkennen, auf denen sich die
Bewertung von Musik abspielt, wenden die Grazer Wissenschafter neben
musik- auch sozial- und kulturwissenschaftliche Methoden an. So sollen
etwa Interviews mit Zuhörern und Musikern Auskunft darüber geben, wann
diese eine Aufführung als besonders schön und gelungen erleben.
Gleichzeitig
muss auch die musikalische Praxis selbst und die Entwicklung von
Instrumenten beachtet werden. So habe sich etwa ab dem 19. Jahrhundert
ein neues Klangideal entwickelt, weil die traditionellen Darmsaiten
allmählich durch Metallsaiten ersetzt wurden. "Man begann, lautere und
klarere Töne zu schätzen, die mit Darmsaiten nicht hervorzu- bringen
waren", sagt Andreas Dorschel im Interview mit dem STANDARD.
Unterschiedliche Expertisen
Eine
fundierte Musikästhetik kann also nur durch die Verbindung
unterschiedlichster Expertisen funktionieren. "Man braucht neben
Musikästhetikern auch Experten für die vielen verschiedenen
Musiktraditionen auf allen Kontinenten, die sich voneinander ja meist
stark unterscheiden", so der Philosoph. Deshalb sei es auch sinnvoll,
künftig besser von einer "vergleichenden Ästhetik" zu sprechen.
Wie
vielschichtig eine solche Musikästhetik ist, zeigt sich allein schon an
den sehr unterschiedlichen Konzepten von Schönheit in verschiedenen
Kulturen und Zeiträumen. Einen von vielen Zugängen zu diesen Konzepten
öffnet bereits die Etymologie des Wortes "schön", das sich im Deutschen
von "schauen" ableitet und ursprünglich "ansehnlich" bedeutet hat.
"Im
antiken Griechenland", berichtet Dorschel, "hat der Begriff 'schön'
('kalon') neben 'physisch oder moralisch attraktiv' auch die Bedeutung
'angemessen' gehabt." "Schöne" Musik war also auch für einen speziellen
Zweck besonders gut geeignete Musik. Mit dieser Bedeutung kann Schönheit
auch etwas Erschreckendes oder Hässliches haben, wenn sie damit ihre
Aufgabe erfüllt – etwa beim Publikum einen heilsamen Erkenntnisschauder
auszulösen.
Atmosphäre vermitteln
Auch in der
klassischen nordindischen Musik gehe es vor allem um das Auslösen
bestimmter Gefühle und Vorstellungen bei unterschiedlichen Zuhörern.
"Oft soll über die Melodie etwa die Atmosphäre einer bestimmten
Tageszeit vermittelt werden", berichtet Gerd Grupe. Und ergänzt: "Bei
westlichen Hörern muss dieses musikalische Ziel natürlich verfehlt
werden, da sie die entsprechenden Assoziationen nie gelernt haben." Aber
auch nicht jeder Inder sei in der Lage, diese Art der klassischen Musik
zu verstehen, die einen sehr hohen Bildungsstand voraussetzt.
"In
meinem Fach wird der Begriff Ästhetik wegen seiner eurozentristischen
Tradition bewusst vermieden", sagt der Musikethnologe abschließend.
"Letztlich geht es aber genau darum, ihn sich anzueignen und für die
Vielfalt musika- lischer Kulturen auf der Welt zu öffnen." Nota. - Das Rätsel, das es zu lösen gilt, ist nicht, dass viele denselben Geschmack haben, sondern dass nicht alle den- selben Geschmack haben; dass es ein eigenes Geschmacksurteil überhaupt gibt! Dass viele keinen Gebrauch davon machen, ist nicht rätselhafter als dass sich viele um ein eigenes moralische Urteil drücken; Konvention ist also nicht das, was es zu verstehen gilt, sondern immer das, was über eine gegebene Konvention hinweggeht. Vergleichende Ethno- graphie ist ein Zweig der empirischen Sozialwissenschaften. Ästhetik ist das nicht. Doch wenn ich ihn recht verstehe, wollte das der Musikethnologe gerade andeuten. JE
Ein Abbild der modernen Ewigkeit
Die Impressionisten sahen ihn als Nachzügler, aber als Maler des
modernen Lebens war er ihnen einen Schritt voraus. Die Alte
Nationalgalerie in Berlin feiert den Maler Gustave Caillebotte.
Caillebotte
ist der Magier der Sachlichkeit. Auf seinem Bild „Straße in Paris,
Regenwetter“ wird eine Straßenkreuzung im achten Arrondissement zur
Bühne der menschlichen Komödie. Mehr als zwanzig Personen laufen über
die Pflastersteine und Trottoirs der Place de Dublin, an der sich fünf
Hauptstraßen kreuzen. Die Mehrzahl hält Regenschirme, manche gehen in
Paaren, die meisten allein, keiner schaut einen anderen an. Ein Mann
hastet mit gesenktem Kopf über die Rue de Saint-Petersbourg, eine Frau
rafft ihren Rock, bevor sie das Pflaster betritt, ein großbürgerliches
Paar, der Mann mit Zylinder, Fliege, Kurzmantel und Nankinghose, seine
Begleiterin mit Gesichtsschleier, Juwelenohrring und pelzbesetztem
Kleid, kommen dem Betrachter entgegen. Ein Passant ganz rechts hebt
seinen Schirm, um ihnen auszuweichen.
Rings um dieses Schauspiel
spannt sich ein Theater der Dinge. Eine Gaslaterne teilt das Bild in
zwei Hälften. Eine Kutsche rollt vorbei. Wie ein Schiffsbug schiebt sich
das Eckhaus an der Rue Clapeyron auf den Platz. Im Erdgeschoss
residiert eine Apotheke. In der Tiefe der Rue de Turin wartet ein
letztes Baustellengerüst auf seine Demontage. Hinten rechts sieht man
durch die Glasfenster ins Innere einer Bar. Die grauen Schirme schweben
wie ein Rudel Raben über der Szene, bereit, abzuheben in den
Regenhimmel. ...
Vom Treppenhaus kommend,
wird man förmlich eingesogen von der brutalen Perspektivik der
Straßenszene. Der Impressionistensaal hat einen neuen Mittelpunkt
bekommen, einen Souverän, der kein Ausweichen duldet. Gleich hinter der
Stirnwand mit der „Straße in Paris“ öffnet sich ein Kabinett mit zwei
weiteren Gemälden und acht Zeichnungen Caillebottes, ein Studienraum,
der die Präsentation des Großformats aus Chicago zu einer mustergültigen
kleinen Schau erweitert.
Place Dublin
Alle acht
Zeichnungen sind Vorstudien zur „Straße in Paris“: Häuserfluchten,
Bewegungsskizzen, Porträts. Denn der Maler hat das Bild nicht, wie seine
Impressionistenfreunde Monet und Renoir, im Freien mit eiligem Pinsel
gemalt, sondern es sorgfältig im Atelier konstruiert. Dass es dennoch
wie eine Momentaufnahme des Pariser Alltags wirkt, ist das Wunder seiner
Komposition. Er gibt ein impressionistisches Motiv mit dem Blick des
Historienmalers wieder. Zugleich bricht er mit der Ästhetik der
Historienmalerei, indem er sein anekdotisches Repertoire in alle
Richtungen zerfließen lässt. Der Fluchtpunkt sind zwei Frauen, die sich
nach hinten entfernen. Die optischen Klammern der Häuserfronten wirken
zugleich als Trennmauern.
Aber
das ist nur die formale Seite seiner Meisterschaft. Man kann die
„Straße“ auch als Bilanz der Haussmannisierung lesen, die im Jahr 1877,
als das Gemälde entstand, größtenteils abgeschlossen war. Der Ausbau der
Stadt durch den Architekten Napoleons III. hatte die
Immobilienspekulation angeheizt, die Mieten vervierfacht und die soziale
Entmischung vorangetrieben. Auf der „Straße in Paris“ sind die
Gesellschaftsschichten in die Tiefe gestaffelt: vorne die Bourgeoisie,
zu der auch der Fabrikantenerbe Caillebotte gehörte, dahinter Menschen
in ärmlichem und unmodischem Aufzug, ganz hinten Handwerker und
Dienstmädchen. Das Kutschrad, dessen Speichen im Regen verschwimmen, ist
ebenso Vehikel des Fortschritts wie ein Symbol des sozialen Schicksals.
„Paris verwandelt sich – für mich wird alles Allegorie“ hatte
Baudelaire fünfzehn Jahre zuvor geschrieben. ...
Wenn man sich
auf dem Weg zum Ausgang noch einmal umdreht, um die „Straße in Paris“ zu
betrachten, sieht man, dass Caillebotte dem Impressionismus, den er
förderte und durchsetzte, als Nachzügler zugleich einen entscheidenden
Schritt voraus war. Er hat nicht den Eindruck des modernen Lebens
wiedergegeben, sondern dessen Abdruck im Bewusstsein: eine
Momentaufnahme als Abbild der Ewigkeit. Man sollte jede Gelegenheit
nutzen, sie zu sehen.
Nota. - Als ich schrieb, C. habe wirklich nicht ganz zu den Impressionisten gehört, er sei aber über sie hinausgegangen und nicht hinter sie zurück - da war das nicht so banal, wie es klang. Denn die Zeitgenossen und vor allem die Maler unter ihnen hielten ihn mit seinen klaren Konturen, zwischen denen man genau erkennen kann, was es darstellen soll, und seiner akribischen Studiomalerei für eher etwas zurückgeblieben.
Und wenn Andreas Kilb von Realismus schreibt, fügt er gleich hinzu, dass die Figuren ganz fremd neben einander stehen, als gehörten sie andern Kontinenten an. Denn wenn er auch nicht, wie die Impressionisten, nicht die Tiefe des Raums in allgemeinem Dunst auflöst, sind seine Figuren doch auffällig flächig und körperlos (die gemalten mehr als die gezeich-neten). Das ist mehr als das Formale und ist auch eher ästhetisch als realistisch, es ist ein modernes Element, das weniger in den Sachen begründet ist als in den Bildern, die man sich von ihnen macht. Das fing aber schon bei Corot an und ist mit Edward Hopper nicht zuende. Ein Unterschied ist allerdings, dass man es heute nicht mehr unbefangen auf ein Ta- felbild malen kann.
aus welt.de, 22.05.2019 Caillebottes Zeichnung für den Pariser Regentag
Er ist der wahre Erfinder des modernen Paris
Lange kannte man Gustave Caillebotte nur, weil er Monet und Renoir die
Miete bezahlte. Jetzt aber entdeckt Berlin ihn auch als Maler, der alle
impressionstische Gefälligkeit hinter sich ließ und zu neuer Härte fand.
Das
war damals wirklich der letzte Schrei. Das wies tatsächlich in die
Zukunft. Während Renoir noch seine immer ein wenig süßlichen Mägdelein
aus dem Bade steigen ließ, Monet in seinen unzähligen Seerosen schwelgte
und alle anderen Impressionisten
munter in sonnenübergänzten Landschaften machten, brach Gustave
Caillebotte mit der Gefälligkeit. Mit ihm gewann der neue Stil an Härte.
An Kontur.
Prompt fiel er denn auch bald durchs Rost. Im
kollektiven Gedächtnis hat er sich vor allem als mäzenatischer Freund
der neuen Richtung in der französischen Malerei um 1870 eingeprägt. Und
in der Tat: Er war es, der in seinen Anfängen Claude Monet die Miete
zahlte. Der immer wieder dem jungen Auguste Renoir mit Geld aushalf.
Wen
wundert’s, hatte doch der Herr Papa als Heereslieferant in Sachen
Textilwaren Millionen sonder Zahl gescheffelt. Gustave Caillebotte, der
von 1848 bis 1896 lebte, war (neben Manet und Degas) der einzige
Impressionist mit Vermögen im Hintergrund.
Ohne Stallgeruch
Selbst
das hat ihm noch geschadet. Denn so gern die Malerfreunde auf seine
Dienste zurückgriffen, sie ließen ihn offenbar doch spüren, dass ihm der
Stallgeruch fehle. Und der ewige Junggeselle in seinem goldenen Käfig,
dem es am krachenden Selbstbewusstsein der impressionistischen.
Étude pur lePont de l'Europe, 1876
Unter
den vielen Merkwürdigkeiten seiner Existenz als Maler, Bourgeois,
Sammler ist jedenfalls die größte folgende: Dieser Mann, der bereits mit
28 Jahren sein Testament machte und darin, instinktsicher auf die
spätere Kanonisierung der Impressionisten setzend, deren Bilder, soweit
er sie besaß, dem französischen Staat vermachte, dieser Mann also nahm
seine eigenen Arbeiten von der Dotation aus.
Dabei
hätte er allen Grund gehabt, sich unter seine Kollegen einzureihen.
Wenn man sich das großformatige Gemälde anschaut, das auf der dritten
Impressionisten-Ausstellung von 1877 Furore machte, könnte man sogar
sagen: An Radikalität und Neuartigkeit ließ er sie weit hinter sich.
Ikone des 19. Jahrhunderts
Wir
sprechen von einem Bild, das längst zu den Ikonen der Malerei des 19.
Jahrhunderts zählt. Und die Zierde des Arts Institute von Chicago
darstellt. Es ist „Pariser Straße im Regen“ betitelt. Und jetzt hängt es
gastweise zum ersten Mal in Deutschland. Genauer gesagt in der Alten Nationalgalerie zu Berlin.
Pont de l'Europe
Es
hängt an jener Stelle, wo den Besucher dieses Kunstpalasts im ersten
Stock normalerweise Manets Ehekrisenszene „Im Wintergarten“ überwältigt.
Doch Caillebottes Pariser Vedute, die exakt in den Rahmen passt und dem
Betrachter schon von Weitem als unerhörte Sinfonie in Grau
entgegenschillert, beeindruckt um nichts weniger.
Mehr noch:
Anders als das beruhigende Grün des Manet überfällt dich das regennasse
Schmuddelwetterbild Caillebottes mit seinem massiven Straßenpflaster,
den kompakten Häuserbergen und den hastenden Menschen, als sei’s ein
Stück von dir, zumindest ein Stück von heute. Und wenn nicht das Paar im
Vordergrund jene unnachahmliche Eleganz und Grandezza aussstrahlte, die
wir bis in alle Ewigkeit mit Paris verbinden werden, ja dann könnte,
dürfte, müsste man sich sogar momentweise mit dem Bild in Berlin wähnen.
Die grüne Gaslaterne
Doch
nein. Es kann natürlich nur die französische Kapitale sein. Zu deutlich
ist die Blockbebauung der großen Boulevards zu erkennen, wie sie der
Baron Haussmann der Stadt implantierte. Die grüne Gaslaterne und die
Gerüste sprechen von der allumfassenden Industriealisierung, welche die
Hauptstadt des 19. Jahrhunderts erfuhr.
Europabrücke am Bahnhof Saint-Lazare
Und
wenn auch dieses Mal nicht, wie auf Caillebottes Ansichten der
Europabrücke am Bahnhof St. Lazare, Eisen- und Stahlkonstruktionen im
Vordergrund stehen, atmet doch die ganze Szenerie urbanes Leben auf der
Höhe der damaligen Zeit.
Rendez-vouz auf der Europa-Brücke, 1876
Und das wird bejaht! Das ist vielleicht
mehr noch als die fast fotorealisisch zu nennende Darbietung der Szene
und mehr auch als die Schnappschusshaftigkeit des willkürlichen
Bildaussschnitts das eigentlich Erstaunliche dieses Werks: Es
ästhetisiert genau das, was eine zivilisationsfeindliche Modernekritik
just in jener Zeit zu beklagen beginnt. Als da wären die Anonymität der Großstadt
(sichtbar gemacht durch Kleidung und Haltung der Passanten, die kreuz
und quer aneinander vorbeigehen). Aber auch die Uniformität einer
zunehmend industriell generierten Architektur und Straßenführung.
Eisenbahnen und Fabriken
Man
kann bei Betrachtung dieser Stadlandschaft nicht umhin, an Caillebottes
Jahrgangsgefährten, den Schriftsteller Joris-Karl Huysmans zu denken.
Nur wenige Jahre nach Entstehung des Gemäldes veröffentlichte er seinen
noch ganz naturalistischen Roman „En ménage“ (auf Deutsch unter dem
irrigen Titel „Trugbilder“ erschienen).
Die Kaserne Pépinière
Darin
kommt ein Maler vor, der seine etwas spießigen Freunde zu provozieren
liebt, indem er immer wieder zum Besten gibt, heute (also im Jahr 1880)
könne man nicht mehr Tempel und Kathedralen schön finden, heute müsse
man vielmehr die Attraktivität von Eisenbahnen und Fabriken stark
machen. Diese Position war damals Avantgarde. Und in jenem Sinne ist
eben auch Gustave Caillebotte Avantgarde.
Jedoch, das soll nicht
verschweigen werden, weil es auch in der kompakten Ausstellung, die sich
mit vielen Studienblättern weitgehend auf das imposante Bild aus
Chicago konzentriert, nicht verschwiegen wird: Jedoch auf dieser Höhe
der Avantgarde bewegte sich Caillebotte nicht immer.
Epigonale Blumenbilder
Als
gelehriger Schüler der Impressionisten der ersten Generation malte er
auch immer wieder epigonale Blumenbilder oder Landschaften und sogar
Veduten. Das hier gezeigte Gemälde „Die Kaserne Pépinière“ von 1879 zum
Beispiel hat absolut nichts Unverwechselbares und könnte auch von Sisley
stammen. Jener „Mann auf dem Balkon“, der vor einigen Jahren im Pariser
Museum Jacquemart-André für Afmerksamkeit sorgte, nimmt ganz brav die
Draufsicht auf, in der Pissarro so gerne auf die Pariser Boulevards
blickt.
Doch in den eigenen Bilderfindungen der legendären „Parkettschleifer“ im Musée d’ Orsay,
des Pariser Regentags aus Chicago oder der geradezu erratischen
„Europabrücke“, die in Genf hängt, kam etwas Neues in die Malerei.
Etwas, das den Mythos von Paris bereicherte und in die Moderne
transportieren half. Auch wenn es eine möglicherweise ihrer selbst gar
nicht gewisse Arbeit am Mythos ist, die den Künstler auch offenbar nicht
allzu lange beschäftigt hat, so ist es doch eine Arbeit, die man noch
entdecken kann und muss.
Das lässt sich wahrlich nur noch selten
über die inzwischen wieder so geschätzte Kunst des 19. Jahrhunderts
sagen. Caillebotte aber kann unserem Blick auf diese Protomoderne noch
wichtige Aspekte hinzufügen. Nutzen wir endlich die Gelegenheit, uns mit
ihm bekannt zu machen!
Alte Nationalgalerie Berlin: „Gustave Caillebotte. Maler und Mäzen des Impressionismus“. Bis 15. September
Nota. -Kontur, das ist ein Schlüsselwort. Der Impressionismus zeichnet sich seit seinen Vorboten im Spätwerk Corots durch etwas Weichliches, Unbestimmtes, Konturloses aus, und wo es darum geht, die Flüchtigkeit des Augenblicks sichtbar zu machen, ist es das nächstliegende Stilmittel. Was sonst aber Caillebottes Interesse fand - die Flüchtigkeit des Augenblicks war es nicht.
Natürlich waren die ersten Ölskizzen zum Pont de l'Europe hastig und ungenau, aber das war von Anbeginn nicht seine Absicht, die späteren Ausarbeitungen machen es deutlich genug, und ein Blick in seine Arbeitsweise erlaubt die obige Bleistiftzeichnung zum Pariser Regenbild. Zu den Impressionisten gehörte er auch künstle- risch nicht ganz, aber er ging eher über sie hinaus als hinter sie zurück. JE
aus Tagesspiegel.de, 17. 5. 2019 Gustave Caillebotte, Straße in Paris, Regenwetter, 1877
Gustave Caillebotte in Berlin
Der Alltag der Gesellschaft
Das Meisterwerk des französischen Malers Gustave Caillebotte, die
Pariser Straßenszene bei Regen, gastiert in der Alten Nationalgalerie –
und verändert unsere Sicht auf den Impressionismus.
Dass es in Paris regnet, ist nicht ungewöhnlich,
dass sich das Wasser auf dem Straßenpflaster sammelt und den grauen
Himmel spiegelt, auch nicht, und dass Passanten an einem solchen
Regentag ihre Schirme aufspannen, ebenso wenig. Ungewöhnlich ist allein,
dass ein Maler des Jahres 1877 sich ausgerechnet diese Alltagsszenerie
zum Sujet eines Bildes wählt – und was für eines Bildes! Das Gemälde,
das Gustave Caillebotte
unter dem Titel „Straße in Paris, Regenwetter“ im selben Jahr bei der
dritten Ausstellung der Impressionisten zeigt, ist ein Großformat von
212 auf 276 Zentimetern und damit den Gemälden ebenbürtig, die zum
alljährlichen Pariser Salon eingereicht werden und historische
Ereignisse darstellen oder Szenen der Jagd oder Begebenheiten aus der
Bibel. Dieses eine Gemälde aber ist eine alltägliche Straßenszene, die
nichts, aber auch gar nichts Spektakuläres hat, und die jeder Betrachter
schon zigmal in natura gesehen hat, ohne sonderlich darauf zu achten.
Auf dem Balkon, 1880
Der
Alltag wird in jenen Jahren mehr und mehr zum Thema der Kunst.
Diejenigen Maler, die die als Schimpfwort gedachte Bezeichnung
„Impressionisten“ angehängt bekommen, sind die entschiedensten
Verfechter von Alltagsmalerei; einer bestimmten Alltagsmalerei freilich,
die vor allem ihre eigenen Freizeitbeschäftigungen in den Blick nimmt
und damit die Freizeit ihrer sozialen Klasse, der sie vielleicht nicht
immer materiell, zumindest aber intellektuell angehören: des
fortschrittlichen Bürgertums.
Blick durch ein Balkongitter, 1880
Dieses Bürgertum meint
Caillebotte, als er seine Pariser Straßenszene malt, denn es ist die
obere Mittelschicht, zu der der wohlhabende Erbe Gustave Caillebotte und
sein Bruder Martial gehören. Sie können sich die komfortablen Wohnungen
der mehrstöckigen Häuser in den neuen, nach den Plänen des Präfekten
Georges-Eugène Haussmann schnurgerade gezogenen Straßen leisten. Im
Falle des hier beschriebenen Gemäldes befinden sich die Straßen ganz in
der Nähe des ebenfalls nagelneuen Bahnhofs Saint-Lazare, von wo man am
Wochenende bequem an die Kanalküste der Normandie fahren kann,
mindestens aber bis in Vororte wie Gennevilliers an der Seine, wo die
Bessergestellten ihre Wochenendhäuschen haben oder zum Rudern auf den
Fluss gehen.
Bildliche Verdichtung einer Zeit und ihrer Gesellschaft
Die
Szene ist alltäglich, das Gemälde aber ist ein Meisterwerk. In jeder
Hinsicht. Zuallererst natürlich malerisch, von Komposition und
Farbgebung her; darüber hinaus auch als bildliche Verdichtung einer Zeit
und ihrer Gesellschaft. In diesem Werk ist der Augenblick seiner
Entstehung zu einer gültigen Darstellung der ganzen Epoche geronnen, der
Epoche des Bürgertums im Aufstieg, in der Inbesitznahme und
Umgestaltung der Welt, die wiederum in der Haussmannisierung von Paris
ihren städtebaulichen und architektonischen Ausdruck findet.
Boulevard Haussmann
Insofern
ist das Gemälde keine banale Straßenszene mehr, sondern ein
Gesellschaftsportrait, und das elegant gekleidete, erkennbar junge
Ehepaar, das auf den Betrachter zwar zuläuft, an ihm aber nonchalant
vorbeischaut, repräsentiert dieses Bürgertum zugleich altersmäßig als
junge, aufstrebende und bereits siegreiche Klasse.
Vue de toits, Paris
Ausgerechnet dieses Gemälde hat seinen Standort
nicht in Paris, sondern im fernen Chicago. Vom dortigen Art Institute
ist es für vier Monate als Leihgabe nach Berlin gekommen, im Austausch
gegen die Ausleihe des hiesigen Meisterwerks von Edouard Manet,
„Im Wintergarten“. Nur darum konnte Ralph Gleis, der Leiter der Alten
Nationalgalerie mit ihrer exquisiten Sammlung französischer
Impressionisten, das Bild aus Chicago erlangen, und das gleich für vier
Monate. In den vergangenen Jahren, da das Interesse an Gustave
Caillebotte sprunghaft angestiegen ist, hat es mehrere Präsentationen
seines Werks gegeben; mit Ausnahme der Zentenarausstellung in Paris 1994
jedoch keine, die das Regenwetterbild einschließen durfte. Es gehört
seit Mitte der sechziger Jahre zu den Inkunabeln des Museums in Chicago,
und nur die Tausch-Leihgabe des Berliner Manet kann das dortige
Publikum für die Abwesenheit des Caillebotte entschädigen.
Toits de Paris
Ende des 19. Jahrhunderts etablierte sich eine "fotografische" Sichtweise
Über
die Fotografie als Grundlage oder Konkurrentin der Malerei im letzten
Drittel des 19. Jahrhundert ist viel geforscht worden. Nie wird sich
ganz klären lassen, wer was bei wem abgeschaut hat – wenn überhaupt.
Denn die Allgegenwart der Fotografie – wie auch die der von Hand
geschaffenen Illustrationen in den zahllosen Zeitschriften – etablierte
eine Sichtweise, die man als „fotografisch“ bezeichnen kann. In
Caillebottes Gemälde ist dies als scheinbar willkürliche Anschnitte
kenntlich, etwa des Mannes am rechten Bildrand. Und auch als
messerscharfe Perspektive, die fluchtenden Häuserreihen, und als
nicht-hierarchische Totalität des Blickfeldes. Der Maler bedurfte wohl
keiner Kamera, um sein Bild so zu konstruieren, wie er es getan hat: Er
hatte den Blick der Kamera bereits im Kopf.
Um
das Gemälde herum haben sie bei der Alten Nationalgalerie Gleis zusammen
mit Arnika Groenewald-Schmidt und Karin Sagner eine kleine,
konzentrierte Übersicht zur Entstehung des Bildes und zum Maler selbst
zusammengetragen, untergebracht in der abgedunkelten Apsis im zweiten
Geschoss der Alten Nationalgalerie und damit hinter Wand, von der das
Regenwetter-Bild den Besucher schon von ferne magisch anzieht. Im Saal
selbst sind die Berliner Bestände der französischen Moderne aufgereiht,
von Claude Monets „Kirche Saint-Germain l’Auxerrois“ zehn Jahre früher
entstanden, über Edouard Manets „Landhaus in Reuil“ von 1882 bis zu Paul
Cézannes „Mühle bei Pontoise“, die zwar ein Jahr früher als Manets
Spätwerk entstanden ist, aber künstlerisch bereits zur nächsten
Generation zählt.
Die Wiese im Park von Yerres
Caillebotte vermachte sein Werk dem Staat
Die
Schwierigkeiten, die sich beim Erwerb dieser Gemälde zur Zeit des
deutschen Kaiserreichs für die damals Königliche Nationalgalerie
einstellten, die Wilhelm II. ungeniert als sein persönliches Spielfeld
behandelte, setzt Ralph Gleis, der Leiter der Alten Nationalgalerie, in
Beziehung zum Schicksal der Sammlung. Diese hatte Caillebotte als Mäzen
mit den Bildern seiner Impressionisten-Freunde aufgebaut. Caillebotte,
der im Alter von nur 45 Jahren an einem Gehirnschlag verstarb, hatte
seine Sammlung bereits als 28-Jähriger, als er nicht einmal ein Dutzend
Bilder besaß, testamentarisch dem Staat vermacht. Er wollte, dass der
Impressionismus öffentlich gezeigt und anerkannt werde. Bei seinem Tod
1894 waren es 69 Gemälde, von denen 38 angenommen und im Musée du
Luxembourg, dem damaligen Haus für Zeitgenössisches, ausgestellt wurden.
1929 wurden sie an den Louvre überwiesen – das war die noch ausstehende
Bedingung des Testaments. Aus dem Louvre ging das Musée d’Orsay für das
19. Jahrhundert hervor, und dass es zwei bedeutende Gemälde
Caillebottes besitzt, liegt allein an der Chuzpe, mit der die Freunde
und Testamentsvollstrecker zwei von dessen eigenen Arbeiten in dessen
Nachlass eingeschmuggelt haben. Der Künstler-Mäzen selbst war zu nobel,
derlei in seinem Testament zu verlangen.
Pont d'Europe
Der
überwiegende Teil des gar nicht so kleinen Œuvres von Caillebotte
befindet sich auch heute noch in Privatbesitz wie die Ausstellungen der
vergangenen Jahre offenbart haben. Die vom Regenwetterbild und zwei
weiteren Meisterwerken, der „Europa-Brücke“ hinter dem Bahnhof
Saint-Lazare und den „Parkettschleifern“ genährte Vorstellung,
Caillebotte habe nicht nur einen fotografischen Blick besessen, sondern
tatsächlich nach fotografischen Vorlagen gearbeitet, hat sich seither
wieder relativiert. Caillebotte malte sowohl in strenger Konstruktion,
worüber die jetzt in Berlin gezeigten Bleistiftstudien Auskunft geben,
als auch – und viel öfter – in „impressionistischer“ Augenblicksmanier.
In der Malerei hatte er irgendwann alles gesagt
Gesellschaftsportraits
wie oben näher erläutert, sind in der Minderzahl, hingegen überwiegen
Bilder von Ruderern oder von den Gartenanlagen seiner beiden Landsitze
im Umkreis von Paris, von Blumenbeeten und einzelnen Blüten. Irgendwann
ließ Caillebottes Interesse an der Malerei nach, er konzentrierte sich
auf das seit früher Jugend geübte Regattasegeln – nun aber zugleich als
Bootsbauer, dessen schnittige, auf eigener Werft verwirklichte
Konstruktionen alles gewannen, was es an Preisen zu gewinnen gab. In der
Malerei hatte er, so mag es ihm selbst erschienen sein, bereits alles
gesagt.
Le Jardin du Petit Gennevilliers en hiver, 1894,
Nun ist diese Botschaft auch in Berlin
angekommen. Der Besucher kann sich ganz auf dieses eine Gemälde
einlassen. Für die anderen, die in Berlin weder zu sehen sind noch
überhaupt erbeten wurden, braucht er den Katalog. Aber diese Straße in
Paris bei Regenwetter ist Ausstellung und Ereignis genug.