Donnerstag, 12. Juni 2014

Caillebotte in Yerres.

aus nzz.ch, 12. Juni 2014, 05:30                                                                                    Effets de pluie sur l'Yerres, 1875


Gustave-Caillebotte-Ausstellung in Yerres
Im Paddelboot zum Ruhm


Gustave Caillebotte war lange eher als Mäzen und Sammler der Impressionisten denn als Maler bekannt. In das Landhaus seiner Familie in Yerres bei Paris sind nun für die Dauer einer Ausstellung hier entstandene Werke zurückgekehrt.

1860 erwarb der Vater von Gustave Caillebotte (1848–1894) eine Villa mit Dépendancen und grossem, englischem Park in Yerres, am Ufer des gleichnamigen Nebenflüsschens der Seine. Fortan verbrachte die vermögende Familie hier, südöstlich von Paris, wo die Yerres zum Baden, Angeln oder zu Erkundungen mit Paddelbooten einlud, die Sommer. Hier reiften aber wenige Jahre später auch die Überzeugung des 1848 geborenen, Jurisprudenz studierenden Gustave Caillebotte, zum Maler berufen zu sein, und sein Entschluss, seine Kurse im Atelier von Léon Bonnat als Sprungbrett für eine Künstlerkarriere zu nutzen.

Blick durch ein Balkongitter, 1880,

Der Tod seines Vaters liess ihn und seine Brüder zu reichen Erben werden, und schon 1876, bei der zweiten Ausstellung der Impressionisten um Degas, Monet und Renoir, hatte der Debütant einen grossen Auftritt: «Wer kennt Monsieur Caillebotte? Woher kommt Monsieur Caillebotte? An welcher Schule liess sich Monsieur Caillebotte ausbilden? Niemand vermochte mir Auskunft zu geben. Ich weiss nur, dass Monsieur Caillebotte unter den in den letzten Jahren hervorgetretenen Malern einer der eigenständigsten ist, und ich fürchte nicht, mich damit zu blamieren, vorherzusagen, dass er schon bald berühmt wird.»

Parkettschleifer, 1875

Als der Kritiker Marius Chaumelin den Ruhm Caillebottes prophezeite, verschätzte er sich um mehr als hundert Jahre. Denn trotz den Forschungen von Marie Berhaut und Kirk Varnedoe sowie dem Erfolg einzelner Bilder, darunter «Les Raboteurs de parquet» (Musée d'Orsay, Paris), «Le Pont de l'Europe» (Musée du Petit Palais, Genf) und «Rue de Paris, temps de pluie» (Art Institute, Chicago), begann Caillebotte, lange eher als Mäzen und Sammler der Impressionisten bekannt, erst 1994, aus Anlass der Retrospektive im Pariser Grand Palais, als Maler ins Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit vorzudringen. Doch seitdem waren seine Bilder vermehrt hier und da zu sehen, und gestiegen sind auch die Preise seiner Werke auf dem Kunstmarkt.


Für eine kleine Gemeinde wie Yerres ist es entsprechend problematisch, eine Ausstellung mit Bildern zu organisieren, die zwar vor Ort entstanden sind, aber nun international Beachtung finden. Die mit gut vierzig Gemälden, Pastellen und Ölstudien übersichtliche, von Serge Lemoine kuratierte Ausstellung hat im Vorfeld nicht wenig kommunalpolitischen Widerstand hervorgerufen, zumal Leihgaben aus den USA eingeplant wurden; in Zeiten leerer Kassen wurde sie ungewollt lange vor ihrer Eröffnung zum Stadtgespräch. Nun, da selbst ausländische Touristen ihr Paris-Programm unterbrechen, um sich «Caillebotte à Yerres, au temps de l'impressionnisme» anzusehen, haben sich die Gemüter beruhigt. Tatsächlich ist die Ausstellung eine einmalige Gelegenheit, Werke Caillebottes an ihrem Entstehungsort zu betrachten und anschliessend den bis 1879 seiner Familie gehörenden Besitz zu erkunden, der mittlerweile ein öffentlicher Park ist. Dessen verschlungene Wege führen auch zu einem in diesen Tagen üppig gedeihenden Nutzgarten, der wie die Yerres von Caillebotte zum Motiv auserkoren wurde.

Yerres, Wiese und Park

Die Ausstellung zeigt, wie der vom Naturalismus und vom in Barbizon geprägten Vor-Impressionismus ausgehende Maler, der sich anfangs schwertat, eine ähnlich lockere Pinselführung wie Monet, Renoir und Sisley zu entwickeln und zwischen Fini und Non-fini seine eigene Handschrift zu finden, mit der Zeit an Souveränität gewann. Vereinzelte Schwächen im Zeichnerischen schmälern nicht den Gesamteindruck und die Verdienste dessen, der sich den kunsttheoretischen Forderungen von Baudelaire, Zola und Duranty nach zeitgemässen Sujets verpflichtet fühlte und sich durch eine ausgeprägte Blickführung auszeichnete, die an japanischen Farbholzschnitten, vielleicht auch schon früher, als nachweisbar ist, von Fotografien geschult wurde. Das jetzt in Yerres gebildete Ensemble war wohl in ähnlicher Zusammenstellung 1879 bei der vierten Ausstellung der Impressionisten zu sehen; dazu gehört ein aus «panneaux décoratifs» bestehendes Triptychon aus Angler, Badenden und Paddelnden, das Lemoine als veritables Manifest der «nouvelle peinture» bezeichnet hat.

Caillebotte à Yerres, au temps de l'impressionnisme. Propriété Caillebotte, Yerres. Bis 20. Juli 2014. Katalog € 25.50.

 Der Pont de L'Europe, Version 1876

Nota.

Schade, dass der Bericht so kurz ist. Ich hätte Ihnen gern noch viel mehr Bilder gezeigt. Hoffentlich berichten noch andere Blätter über die Ausstellung im kleinen Yerres. Caillebotte ist wirklich nicht bloß ein Randsiedler bei den Impressionisten; er ist eine eigene Marke.
JE 

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