Donnerstag, 11. Dezember 2014

Römische Städte in Deutschland.

aus Badische Zeitung., 8. 12. 2914

Notizen aus der Provinz
Eine Ausstellung des Stuttgarter Landesmuseums Württemberg widmet sich dem Stadtleben im römischen Deutschland.

von Wulf Rüskamp

Das letzte Kapitel der Ausstellung zum "Stadtleben im römischen Deutschland" ist rüde. Da wird aus Bruchstücken von Friesen, Plastiken und Marmorsteinen ein großer Haufen gebildet, der für die Weiterverarbeitung im Kalkofen bestimmt sein soll: Symbol für das unrühmliche Ende antiker Kultur. Doch selbstverständlich ist Zerstörung nicht das letzte Wort zum römischen Reich. Nicht einmal in der obergermanischen Provinz, wo die von 250 nach Christus an vorstoßenden germanischen Stämme wenig anzufangen wussten mit all den Artefakten, die die römische Bevölkerung zurückgelassen hatte. Auf Umwegen, in den Grenzzonen durch Assimilation und Eingliederung ins römische Heer und in die römische Verwaltung, später durch Rezeption der überlieferten Schriften und Kunstwerke, sind aber auch sie letztlich Träger einer lateinisch geprägten Kultur geworden.


Der Haufen im letzten Raum der Ausstellung im württembergischen Landesmuseum macht jedoch zugleich verständlich, warum in den Sälen zuvor nicht jene Fülle anzutreffen ist, wie man sie aus Museen in Italien oder Frankreich kennt. Es ist einfach insbesondere rechts des Rheins nicht viel übrig geblieben von den Römern – obwohl eine Stadt wie Trier rund 500 Jahre von ihnen verwaltet worden ist. Mutwillige Zerstörung, die jahrhundertelange Verwendung der Ruinen als Steinbruch, Überbauung und Verwitterung haben es zur Sache von Archäologen werden lassen, uns durch Grabungen und Rekonstruktionen immer wieder aufs Neue zu zeigen, wie präsent auch zwischen Mosel und Neckar das römische Reich in Germanien war – das ja erst durch die Römer seinen Namen erhalten hatte.

Trier als Residenz Kaiser Konstantins

Der Eindruck großer Verluste ist freilich zu relativieren: In Stuttgart erinnert zwar außerhalb des Museums nichts daran, dass hier einmal Rom geherrscht hat; in Trier dagegen, wo die von den beiden Bundesländern Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg gemeinsam getragene Ausstellung zuerst zu sehen war, gibt es die Porta Nigra, die antike Moselbrücke, die Konstantinsbasilika, die Thermen, das Amphitheater – dadurch erschließt sich viel sichtbarer die Grundaussage der Ausstellung, dass nämlich jede Stadt im römischen Reich dem großen Vorbild Rom folgte. In Trier entstand, als es Hauptstadt des weströmischen Reiches war, sogar ein Circus Maximus. Im württembergischen Landesmuseum bleibt dagegen der Begriff der römischen Stadt doch eher theoretisch.

Wandgemälde, Stieropfer

Deren bauliche Muster lässt sich selbst in Riegel am Kaiserstuhl verfolgen, das Zentrum des Breisgaus werden sollte – mit einer Basilika als Ort der öffentlichen Verwaltung und einem kleinen Forum. Ähnliche Bauten und öffentliche Plätze finden sich in Rottweil, dem römischen Arae Flaviae, das freilich eine weit stärker städtisch ausgeprägte Struktur aufwies (die allerdings weithin unter der heutigen Bebauung verborgen ist). Auch Lopodunum, das heutige Ladenburg am Neckar, besaß mit Forum, Basilika, Palast und Theater Stadtbausteine, die jedem Zeitgenossen vor Augen führten, dass er es hier mit einer Stellvertretung Roms zu tun hat: In der Anlage der Stadt artikulierte sich der Herrschaftsanspruch des Riesenreiches. Umgekehrt zeigten auf diese Weise die Menschen in der Provinz, dass sie nicht zurückstehen wollten hinter dem Zentrum: Auch sie sind Römer, obwohl ihnen das römische Bürgerrecht verwehrt blieb.

Ente aus Glas

Dieser Anspruch übertrug sich auf die Verwaltung, auf die Gesellschaft, auf die am Ort gepflegte Kunst, auf den Alltag. Fern der Hauptstadt pflegte man den Stil und den Luxus – so man genug Geld hatte, die entsprechenden Preise zu zahlen. Denn der Handel setzte den Wünschen keine Grenzen, wie Importe aus Nordafrika und Asien belegen. Essgeschirr aus roter Terra Sigillata, das auch in heimischen Werkstätten gefertigt wurde, war auf den Tischen Triers oder Rottweils ebenso üblich wie in Rom.


Wenn es einen Unterschied gibt, dann in der Ausführung. Denn hervorragende Künstler waren teuer, sie hielten sich darum eher nah der reichen Kundschaft in den Zentren auf. Aber deshalb wirken die in Obergermanien überlieferten Kunstwerke nicht provinziell, allenfalls sind sie weniger fein ausgeführt. Den beiden großen Mosaiken beispielsweise, die in Stuttgart zu sehen sind, fehlt der faszinierend präzise Realismus, wie man ihn von Bildern aus italienischen oder nordafrikanischen Palästen aus der Römerzeit kennt – dennoch sind auch sie durchaus prachtvoll und signalisieren ausgefeilten Kunstgeschmack.


Die Ausstellung versucht, den hohen zivilisatorischen Anspruch des römischen Stadtlebens, in dem Kunst in gleicher Weise politische, dekorative und religiöse Aufgaben erfüllte, anhand von qualitätvollen Töpferwaren, Kleinplastiken, Gläsern, zudem Wandfresken, Götterfiguren und Gedenksteinen zu dokumentieren. Eine Wand mit steinernen Köpfen will vor Augen führen, wie die Menschen etwa in Trier ausgesehen haben (könnten – es handelt sich ja auch um Idealisierungen).


Die Auswahl der gezeigten Objekte konzentriert sich auf zentrale Gesichtspunkte, spart deshalb nicht unwichtige Themen wie Badekultur, Religion, handwerkliche Produktion oder Militär aus – darüber kann man sich im Landesmuseum eine Etage tiefer trefflich informieren. In der Ausstellung geht es mehr um eine klare Botschaft: Rom war hier – und zwar mit all seiner Zivilisation, seiner Kunst, seiner Organisationskraft. Und vermutlich stecken im baden-württembergischen Boden dafür noch viel Belege, wie Grabungen nicht zuletzt in Riegel gezeigt haben.

Ein Traum von Rom. Stadtleben im römischen Deutschland. Ausstellung im Landesmuseum Württemberg Stuttgart. Bis 12. April 2015, Di bis So 10–17 Uhr (ausgenommen 24., 25. und 31. Dezember).

aus Trier

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