Nicht nur die Wortprägung Ästhetik geht auf Alexander Gottlieb Baumgarten zurück, wobei freilich aesthetica nicht als ein Singulare femininum, sondern als ein Neutrum plurale gedacht war; sondern auch das akademische Fach dieses Namens hat er begründet.
...Baumgarten hat sein neugeschaffenes 'Fach' gleich selber mit den Fußangeln versehen, die es dann lange Zeit gefangen hielten.
Die Beschränkung des Ästhetischen auf die Kunstwerke hat zwar schon bei Kant die Einsicht befördert, dass historisch die Wahrnehmung des Naturschönen ein Abkömmling des Kunstschönen war; hat das Phänomen, dass die Kunst (seit der Renaissance) nur dann als schön erkannt wurde, wenn sie... die Natur nachahmte, aber leider gedanklich unfruchtbar bleiben lassen. Noch lange sollte "das Schöne" an sich Gegenstand ästhetischer Betrachtung bleiben, statt als eine kultur- und mentalitätsgeschichtlich spezifische Gestalt dessen verstanden zu werden, was dem (pp.) ästhetischen Empfinden je als das Erhebliche ins Auge springt. - Die Verengung 'des Ästhetischen' auf das Schöne ist eine Aporie, weil sie die Bestimmung des Schönen außerhalb der ästhetischen Anschauung im Begriff vermuten und suchen lässt; wo sie freilich nicht zu finden ist. Vielmehr ist das Verständnis des ästhetischen Phänomens zirkulär, weil 'das Ästhetische' nur als Gegensatz zum haushälterisch-Nützlichen, d. h. uno acto mit ihm zusammen 'gefasst', d. h. angeschaut werden kann.
Die zweite große Fußangel ist sie Auffasung der ästhetischen Wahrnehmung als das "niedere Erkenntnisvermögen". Damit wird einerseits Erkenntnis als eigentliche Bestimmung des Menschen unterschoben und andererseits das Ästheti- sche dem "dunklen Grund der Seele" zugewiesen. Beides hat sich seither in der ästhetischen Literatur als stetes Schwan- ken zwischen geistreichem Wortgeklingel hier und mystifizierendem Schwulst dort niedergeschlagen...
Ihre schillernde Vieldeutigkeit hat sich die Ästhetik auch als Fach bis heute erhalten. Es ist ein faule Ausrede, dass das in der Natur seines Gegenstandes läge. Dass die Sache selber nicht fassbar, weil nicht positiv bestimmbar ist, muss einen nicht daran hindern, immerhin das zu fassen und zu bestimmen, was diese Sache nicht ist. Mit andern Worten, das Ästhe- tische ist natürlich nicht an sich zu verstehen, sondern aus seinem Gegensatz. Ästhetik hat nur faktisch, und das heißt beiläufig mit der Kunst zu tun; wesentlich ist sie das Mittelstück, das Anthropologie und Transzendentalphilosophie scheidet oder verbindet - wie man will.
23. 6. 2014
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