aus nzz.ch, 24. Mai 2014, 05:30
Philosophie der Gegenwartskunst
Neu ist nicht schon zeitgenössisch.
von Peter Geimer
Es ist kaum zwei Jahrzehnte her, dass der Kunsthistoriker Stefan Germer von einer «merkwürdigen Scheu der Kunsthistoriker vor der zeitgenössischen Kunst» sprechen konnte. Tatsächlich war es bis in die achtziger Jahre hinein eine verbreitete Ansicht, man könne die Kunst der eigenen Zeit nicht mit der nötigen Distanz und Unvoreingenom- menheit beurteilen. Dahinter stand meist die fragwürdige Vorstellung vom notwendigen Reifungsprozess der Kunst, die wie ein gutes Stück Fleisch zuerst im Vorraum der Kunstgeschichte abhängen müsse, bevor man sich aus dem historischen Sicherheitsabstand eines verflossenen Jahrhunderts ein ästhetisches Urteil erlauben könne. Diese Situation hat sich grundlegend geändert. Nicht nur die Gegenwartskunst, auch ihre Kommentierung hat Konjunktur. ...
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Jochen Ebmeier
Juliane Rebentisch: Theorien der Gegenwartskunst zur Einführung. Junius-Verlag, Hamburg 2014. 256 S., Fr. 24.90.
Nota. - Vorab: Die NZZ ist ein seriöses Blatt, und ich gehe davon aus, dass der Rezensent das Buch, das er insgesamt lobend bespricht, richtig verstanden hat.
"Eine philosophische Fundierung des Zeitgenössischen in der Kunst" soll es also sein, und das bestünde in ihrer Selbst- reflexivität, die nichts anderes als Selbstreferentialität ist, im glücklichen Fall eine "kritische Selbstüberschreitung der Moderne", nämlich: die "Verunsicherung der Grenze zwischen Fiktion und Realität".
Nun war letzteres aber schon eine Leistung - nein, nicht wirklich der Romantik, sondern - jener Moderne, die wir heute die Klassische nennen, weil sie schon so lange nicht mehr zeitgenössisch ist. Damit stand sie nämlich, sei es als Echo, sei es als Persiflage, sei es als Programm, "mitten drin" in ihrer Zeit und hat sie, wenn man so will, "reflektiert", nämlich anschaulich.
Das Medium der Reflexion in specie ist allerdings die diskursive Rede. Wo die neueste moderne Kunst sich selbst-reflektieren will, sollen die Künstler Bücher schreiben. Dann müssten sie clare et distincte in Wörter fassen, was sie aus Bequemlichkeit in ihren Werken nur unverständlich nuscheln: Es ist alles schonmal gemalt worden, alle Motive, alle Formen hat man schon gesehen, und die Bilder ohne Motiv mögen wir seit gut dreißig Jahren schon erst recht nicht mehr sehen.
Selbstreflexivität der allermodernsten Kunst ist nur ein prätentiös verschämter Ausdruck dafür, dass das, was seit ein, zwei Generationen gemalt wird, immer nur eine Variation ist zum allbeherrschenden Thema: Was kann man heute noch malen?
Na schön, nicht immer nur, sondern nur fast immer.
25. Mai 2014 JE
alle Bilder von Gerhard Richter; aus dem Zyklus Können kann ich alles, ich weiß nur nicht, was ich soll
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