El Greco in Toledo
Viel Kunst darin
Im Hospital Santa Cruz in Toledo wird ein atemberaubender Überblick über das malerische Schaffen von El Greco (1541 bis 1614) geboten. Flankiert wird die Schau von seinen Werken, die sich immer noch an den dafür vorgesehenen Orten in der Stadt befinden.
Im Hospital Santa Cruz in Toledo wird ein atemberaubender Überblick über das malerische Schaffen von El Greco (1541 bis 1614) geboten. Flankiert wird die Schau von seinen Werken, die sich immer noch an den dafür vorgesehenen Orten in der Stadt befinden.
In
einem düsteren Ambiente hat sich eine Gruppe ausgemergelter Figuren
zusammengefunden. Ihr Interesse gilt einem nackten Kind in ihrer Mitte,
das in merkwürdiger Weise über einem Tuch zu schweben scheint, auf dem
es doch liegen sollte. Die Stehenden, bald vorgebeugt, bald mit dem
Oberkörper zurückweichend, reagieren mit spastisch anmutenden Gesten.
Das Kind bildet in der Dunkelheit die einzige Lichtquelle. In deren
Widerschein leuchten die Gewänder in merkwürdigen Zwischentönen auf,
violett, gelbgrün, braungelb. In einer himmlischen Zone sind Engel in
ähnliche Farben gewandet. Dort ist auf einer Banderole gestochen scharf
zu lesen: «Gloria in excelsis Deo et in terra pax». Durch diese Worte
ist das Thema von El Grecos Gemälde bestimmt als «Anbetung der Hirten».
Deren vorderster ist als ¾-Figur von hinten erfasst, sein dem
Betrachter zugewandter Rücken weitgehend verschattet. Aber erhellt ist
seine linke Schulter, und wie ein Feuerstrahl drängt sich hier ein
glühendes Orange ins Bild. Die befremdliche Komposition ist des
Künstlers letztes Werk. 1613 entstand es als Altarbild für die Kapelle
seines Gönners Luis de Castilla im Kloster Santo Domingo el Antiguo in
Toledo, in der sich El Greco selbst auch bestatten lassen durfte. Damit
schliesst sich ein Lebenskreis. Denn in dieser Kirche hatte sein Wirken
in Toledo begonnen, allerdings damals mit ganz anderen Zielen vor Augen.
Anbetung der Hirten
Gescheiterte Karriere
El Greco, über dessen Werk derzeit eine Ausstellung im Hospital Santa Cruz in Toledo einen atemberaubenden Überblick gibt, kam auf Einladung kultivierter Toledaner nach Spanien. Er hatte sie wohl in Rom kennengelernt und war ihrem Wink gefolgt, nachdem er sich in Rom mit den wichtigsten Auftraggebern überworfen hatte. In Toledo darf er für die Kathedrale eine monumentale und in Komposition wie Farbe umwerfende «Entkleidung Christi» malen. Jesus nimmt übergross die Mitte ein, mit einem karmesinroten Gewand, umdrängt von Soldaten und der Menge, die ihm nach Golgatha gefolgt ist. Das Bild [s. u.] wird einen Rechtsstreit mit dem Kathedralkapitel auslösen, dem es wenig gefällt. Ebenso wenig gefällt ein «Martyrium des Heiligen Maurizius» für den Escorial, den Klosterpalast Philipps II., der das Gemälde nie am dafür gedachten Ort placieren, sondern sofort durch eine zweite Fassung eines mediokren Manieristen ersetzen liess. El Grecos Fassung wanderte in die königliche Gemäldesammlung, wo ihr später vom Beichtvater des Königs attestiert wird, man müsse doch anerkennen, «es sei viel Kunst darin». Damit hatte es sich El Greco mit den beiden wichtigsten Auftraggebern Spaniens verscherzt, ihm blieb nun eine Auftraggeberschicht von Toledaner Intellektuellen treu, die seinen stark individuell eingefärbten Stil schätzten und mit denen er offenbar in einen intellektuellen Austausch treten konnte. Von diesem Weg zeugt die Ausstellung, und fast alles, was ihn markiert, ist dort zu finden.
Martyrium des Heiligen Maurizius
Von Kreta nach Toledo
Begonnen hatte El Greco als Ikonenmaler auf Kreta, dort aber – glaubt man seinen frühesten Werken – schon Kompositionen italienischer Künstler im Kupferstich gekannt, so dass die Übersiedelung nach Italien bereits geistig vorbereitet war. In Venedig wurde er vertraut mit dem Umgang mit dem Kolorit, vor allem aber auch mit jenem Versuch, venezianische Farben mit michelangesker Zeichnung zu vereinen auf der Suche nach der perfekten Malerei. Tintoretto war ihm hierin offenkundiges Vorbild, wie etwa eine «Vertreibung der Wechsler aus dem Tempel» um 1570 Washington, National Gallery illustriert. Als er in Rom ankommt, malt er eine «Blindenheilung durch Christus» 1572; Parma, Galleria Nazionale, was wohl insgeheim einen programmatischen Charakter hat: Er, El Greco, macht die Betrachter mit seinen Gemälden ebenso sehend wie Christus jenen Blinden. Im jungen Knaben, der eine Kerze mit einem Span entzündet Neapel, Capodimonte, beweist der Maler um 1572, dass er sich in der Kunsttheorie auskennt, die in rivalisierender Abgrenzung zur Skulptur vertritt, dass nur die Malerei imstande sei, über die Verteilung von Licht und Schatten selbst zu entscheiden.
Vertreibung der Händler aus dem Tempel, Washington, Ntl. Gallery
Wenig später, um 1576, entsteht die erste Darstellung einer ganzen Reihe von büssenden Mariae Magdalenae. Der Auftakt ist an Sinnlichkeit kaum zu überbieten: Ein rosarot hingeworfenes Gewölk reisst gegen einen stahlblauen Himmel auf, durch den ein flüchtiger Strahl die junge Frau trifft, deren fast ebenso stahlblaues Gewand gegen das Violett abschattiert ist. Ihre rechte Brust liegt frei, die Brustwarze wird mit hellen Farbschlieren aufs Merkwürdigste gleichermassen verunklärt wie betont. Vieles ist unscharf modelliert, aber am linken Rand steht eine Deckelvase aus Glas, bestechend scharf erfasst bis ins Detail. Hier offenbart sich ein Mittel, das El Greco in der Folge immer wieder anwendet: der starke Kontrast zwischen einer betont flüchtigen Malerei und fast minuziös herausgearbeiteten Marginalien. Es können Schriftbänder sein wie in der beschriebenen «Anbetung der Hirten» oder Blumenbuketts wie in einer späten Himmelfahrt Mariens Toledo, Museum Santa Cruz, 1607–1613. Zum eigentlichen Leitmotiv wird es beim «Begräbnis des Grafen Orgaz» in Santo Tomé in Toledo, wo die irdische Zone, insbesondere die Rüstung des Verstorbenen, mit allen Spiegelungen auf dem polierten Metall erfasst ist, während ein flüchtiger Pinselstrich die himmlische Zone prägt.
Begräbnis des Grafen Orgaz
Dass hier allerdings der Schein trügt, weiss man aus einer Äusserung von Francisco Pacheco, der in seiner «Arte de la pintura» 1646 von einem Besuch im Atelier des Künstlers berichtet, der Maler überarbeite ein ums andere Mal seine Werke, am Ende aber gebe er ihnen «grausame Pinselstriche» crueles borrones, um sie bravouröser erscheinen zu lassen. Davon war El Greco selber am meisten überzeugt, der meinte: «So sicher wie die Bezahlung unter dem Wert meines grossartigen Werkes liegt, wird mein Name der Nachwelt als eines der grössten Genies der spanischen Malerei überliefert werden.» Die Ausstellung in Toledo gibt ihm darin recht!
Gescheiterte Karriere
El Greco, über dessen Werk derzeit eine Ausstellung im Hospital Santa Cruz in Toledo einen atemberaubenden Überblick gibt, kam auf Einladung kultivierter Toledaner nach Spanien. Er hatte sie wohl in Rom kennengelernt und war ihrem Wink gefolgt, nachdem er sich in Rom mit den wichtigsten Auftraggebern überworfen hatte. In Toledo darf er für die Kathedrale eine monumentale und in Komposition wie Farbe umwerfende «Entkleidung Christi» malen. Jesus nimmt übergross die Mitte ein, mit einem karmesinroten Gewand, umdrängt von Soldaten und der Menge, die ihm nach Golgatha gefolgt ist. Das Bild [s. u.] wird einen Rechtsstreit mit dem Kathedralkapitel auslösen, dem es wenig gefällt. Ebenso wenig gefällt ein «Martyrium des Heiligen Maurizius» für den Escorial, den Klosterpalast Philipps II., der das Gemälde nie am dafür gedachten Ort placieren, sondern sofort durch eine zweite Fassung eines mediokren Manieristen ersetzen liess. El Grecos Fassung wanderte in die königliche Gemäldesammlung, wo ihr später vom Beichtvater des Königs attestiert wird, man müsse doch anerkennen, «es sei viel Kunst darin». Damit hatte es sich El Greco mit den beiden wichtigsten Auftraggebern Spaniens verscherzt, ihm blieb nun eine Auftraggeberschicht von Toledaner Intellektuellen treu, die seinen stark individuell eingefärbten Stil schätzten und mit denen er offenbar in einen intellektuellen Austausch treten konnte. Von diesem Weg zeugt die Ausstellung, und fast alles, was ihn markiert, ist dort zu finden.
Martyrium des Heiligen Maurizius
Von Kreta nach Toledo
Begonnen hatte El Greco als Ikonenmaler auf Kreta, dort aber – glaubt man seinen frühesten Werken – schon Kompositionen italienischer Künstler im Kupferstich gekannt, so dass die Übersiedelung nach Italien bereits geistig vorbereitet war. In Venedig wurde er vertraut mit dem Umgang mit dem Kolorit, vor allem aber auch mit jenem Versuch, venezianische Farben mit michelangesker Zeichnung zu vereinen auf der Suche nach der perfekten Malerei. Tintoretto war ihm hierin offenkundiges Vorbild, wie etwa eine «Vertreibung der Wechsler aus dem Tempel» um 1570 Washington, National Gallery illustriert. Als er in Rom ankommt, malt er eine «Blindenheilung durch Christus» 1572; Parma, Galleria Nazionale, was wohl insgeheim einen programmatischen Charakter hat: Er, El Greco, macht die Betrachter mit seinen Gemälden ebenso sehend wie Christus jenen Blinden. Im jungen Knaben, der eine Kerze mit einem Span entzündet Neapel, Capodimonte, beweist der Maler um 1572, dass er sich in der Kunsttheorie auskennt, die in rivalisierender Abgrenzung zur Skulptur vertritt, dass nur die Malerei imstande sei, über die Verteilung von Licht und Schatten selbst zu entscheiden.
Vertreibung der Händler aus dem Tempel, Washington, Ntl. Gallery
Wenig später, um 1576, entsteht die erste Darstellung einer ganzen Reihe von büssenden Mariae Magdalenae. Der Auftakt ist an Sinnlichkeit kaum zu überbieten: Ein rosarot hingeworfenes Gewölk reisst gegen einen stahlblauen Himmel auf, durch den ein flüchtiger Strahl die junge Frau trifft, deren fast ebenso stahlblaues Gewand gegen das Violett abschattiert ist. Ihre rechte Brust liegt frei, die Brustwarze wird mit hellen Farbschlieren aufs Merkwürdigste gleichermassen verunklärt wie betont. Vieles ist unscharf modelliert, aber am linken Rand steht eine Deckelvase aus Glas, bestechend scharf erfasst bis ins Detail. Hier offenbart sich ein Mittel, das El Greco in der Folge immer wieder anwendet: der starke Kontrast zwischen einer betont flüchtigen Malerei und fast minuziös herausgearbeiteten Marginalien. Es können Schriftbänder sein wie in der beschriebenen «Anbetung der Hirten» oder Blumenbuketts wie in einer späten Himmelfahrt Mariens Toledo, Museum Santa Cruz, 1607–1613. Zum eigentlichen Leitmotiv wird es beim «Begräbnis des Grafen Orgaz» in Santo Tomé in Toledo, wo die irdische Zone, insbesondere die Rüstung des Verstorbenen, mit allen Spiegelungen auf dem polierten Metall erfasst ist, während ein flüchtiger Pinselstrich die himmlische Zone prägt.
Begräbnis des Grafen Orgaz
Dass hier allerdings der Schein trügt, weiss man aus einer Äusserung von Francisco Pacheco, der in seiner «Arte de la pintura» 1646 von einem Besuch im Atelier des Künstlers berichtet, der Maler überarbeite ein ums andere Mal seine Werke, am Ende aber gebe er ihnen «grausame Pinselstriche» crueles borrones, um sie bravouröser erscheinen zu lassen. Davon war El Greco selber am meisten überzeugt, der meinte: «So sicher wie die Bezahlung unter dem Wert meines grossartigen Werkes liegt, wird mein Name der Nachwelt als eines der grössten Genies der spanischen Malerei überliefert werden.» Die Ausstellung in Toledo gibt ihm darin recht!
El Griego de Toledo. Hospital y
Museo de Santa Cruz, Toledo. Bis 14. Juni 2014. Vorbuchungen notwendig
unter www.elgreco2014.com.
Nota
Ich will es nicht unerwähnt lassen: Ich kann mich mit El Greco nicht anfreunden; ausgenommen, Sie ahnen es, die anderthalb Landschaftsbilder. Auf mich machen die Sachen nicht einmal Eindruck. Vielleicht würde ein wenig Frömmigkeit helfen; aber extra anschaffen, nur dafür? Es gibt noch ein paar andere Große, die mir auch nicht gefallen, ich komme damit zurecht.
JE.
Entkleidung Christi
Nota
Ich will es nicht unerwähnt lassen: Ich kann mich mit El Greco nicht anfreunden; ausgenommen, Sie ahnen es, die anderthalb Landschaftsbilder. Auf mich machen die Sachen nicht einmal Eindruck. Vielleicht würde ein wenig Frömmigkeit helfen; aber extra anschaffen, nur dafür? Es gibt noch ein paar andere Große, die mir auch nicht gefallen, ich komme damit zurecht.
JE.
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