aus nzz.ch, 9. Mai 2014, 11:26
«Xscape» von Michael Jackson
Sorgfältig aufgefrischt
Bei der Nachricht, es erscheine nun postum ein weiteres Michael-Jackson-Album, mag man zunächst an Zynismus und blossen Kommerz denken. Aber im Falle von «Xscape» darf man die Skepsis ablegen. Dass dereinst eine Reihe von Archivaufnahmen auf den Markt käme, war klar, seit Jacksons Erben 2010 einen lukrativen Vertrag mit Sony abschlossen. Die erste Veröffentlichung, «Michael», wirkte noch gar geflickt. Diesmal aber hat man sorgfältiger, sensibler und mit gebührendem Respekt gearbeitet. Der Epic-CEO L. A. Reid (einst selber ein namhafter Produzent) suchte acht Lieder aus, für die Jackson selber die Gesangsaufnahmen fertiggestellt hatte – ein Zeichen dafür, dass er an die Songs geglaubt hat.
Um den Aufnahmen den letzten Schliff zu geben und ihren Sound gleichzeitig den heutigen Anforderungen anzupassen (auch damit agiere man im Sinne von Jackson, dieser habe immer Wert darauf gelegt, mit dem Zeitgeist zu gehen, heisst es), wurden Schwergewichte wie Timbaland, Rodney Jerkins (der schon bei den Originalaufnahmen des Titelstückes dabei war) und Stargate engagiert. Man kann sich streiten, ob die Produktion von Timbaland zu Jacksons federleichter Stimme passt. Nicht zu bestreiten ist, dass Stücke wie «Chicago», das sensationelle «A Place With No Name» (eine Version des alten America-Hits «Horse With No Name») oder «Slave To The Rhythm» vor Funk nur so strotzen.
Die frühesten Originale stammen aus dem Jahr 1983, die letzten aus den späten 1990er Jahren. So geht «Xscape» die stilistische Abgeschlossenheit ab, welche die grossen Jackson-Alben kennzeichnen. Da und dort klingt der Gesang auch merkwürdig gestresst «Do You Know Where Your Children Are», «Blue Gangsta» wirkt zerfahren – dennoch bereitet das Album echte Freude. Und für alle Puristen, die es für verwerflich halten, dass an den Aufnahmen des Meisters herumgeflickt wurde, enthält die De-luxe-Ausgabe auch noch die Original-Demos.
Michael Jackson: Xscape Epic/Sony.
Nota.
Das Medienecho ist, wie nicht anders zu erwarten, geteilt. Die FAZ bringt einen runden Verriss des Tenors: Dieses großen Künstlers nicht würdig! Dagegen ist die Süddeutsche des Lobes voll. Die NZZ hält die besonnene Mitte. Jedesmal geht es nicht um Jacksons Musik, die ist - wie er selbst - seit seinem Tod offenabar über alle Kritik erhaben, auch bei Leuten, die früher nicht genug höhnen konnten. Nein, es geht nur noch darum, ob SONYs postume producer seinem Genius auch gewachsen sind.
Das kann jeder auf der oben mit Link angezeigten De-luxe-Ausgabe selbst beurteilen.
Das kann jeder auf der oben mit Link angezeigten De-luxe-Ausgabe selbst beurteilen.
Was halte ich davon? Ich war schon von HIStory nicht restlos begeistert, von Invincible nicht zu reden, bei MICHAEL habe ich mich auf ein paar Hörproben beschränkt, das Album fehlt bis heute in meinem Regal. Noch kenne ich auch von dem neuen Album nur Hörproben, aber ich weiß schon, dass es in meinem Regal nicht lange fehlen wird. Denn während auf MICHAEL Stücke aus der Nach-Disco-Ära ziemlich fett overproduced worden waren, bringt Xscape Musik aus der Bad- und Dangerous-Zeit, und das ist die Musik, durch die ich an MJ geraten bin. Es ist das, was ich an passender Stelle Jackson-Funk getauft habe; und wenn sich die producer auch diesmal um mehr Stilgerechtigkeit bemüht haben - mir klingen doch Jacksons Demo-Bänder besser, nämlich schlanker und durchsichtiger in den Ohren. Aber das ist bloß ein erster Eindruck. Vielleicht urteile ich anders, wenn ich das ganze Album kenne.
JE
JE
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