Donnerstag, 26. Februar 2015

II. Schönheit ist ein terminus technicus.

aus Über Ästhetik, Rohentwurf, 19.

 ...Schönheit ist ein terminus technicus für das ästhetisch-Erhebliche. Ästhetisch-erheblich ist dasjenige, das am Er- lebten übrig bleibt, übersteht, nachdem die Reflexion die Wahrnehmung aus dem Erlebensstrom herausgesondert hat; und in ihr nicht aufgeht. Also sich nicht identifizieren, (von anderen) isolieren, fixieren, bezeichnen (!) und mes- sen, will sagen: bestimmen läßt. 'Das Ästhetisch-Erhebliche' ist eo ipso als das Nicht-Bestimmbare bestimmt: Es be- deutet (schlechthin) mehr, als es 'zeigt'. [gg. Quassologe Wolfgang Welsch: das Ästhetische ist gerade das, was nicht "wahrgenommen" wird!]

- Sobald aber die Reflexion ("Bewusstsein") im täglichen Leben habituell geworden ist - nämlich in der Arbeitsgesellschaft: die Reflexion auf die Zweckmäßigkeit des im Erleben Gegebenen (das selber ein Reflexionsdatum ist) -, wird immer Mehr als überständig auffallen. "Zweckmäßig ohne Zweck", wie Kants geniale Definition heißt, ergibt erst dann einen Sinn, wenn die Zweckmäßigkeit der Welt zu einer Art transzendentaler Prämisse der Erkenntnis geworden ist (das auch bei Kant!). Wenn Zweckmäßigkeit selbst zur auszeichnenden Qualität des Wirklichen geworden ist.

...also kommts drauf an, was jeweils als ästhetisch-erheblich wahrgenommen wird. Wo Chaos, Zwecklosigkeit und gar Gefährdung des Lebens als die (gewöhnliche) Norm des Daseienden ("Werden", von Elea bis Plato) gelten, erschei- nen Regel, Ordnung und Gerichtetheit als ausgezeichnete Seinsweisen; als das insbesonders-gelten-Sollende vor dem faktisch-Selbstverständlichen. Darum das in der Renaissance wieder aufgegriffene Schöne (vorher bestand dar- an, cf. Vasari, kein Interesse mehr!) als Harmonie aufgefaßt wird. Nämlich wenn der Künstler als Repräsentant und Vorkämpfer seiner Zeit spricht. Wird, umgekehrt, Ordnung und Zweckmäßigkeit zum selbstverständlichen Charakter des Seienden ad nauseam, dann kehrt sich (in der Romantik) das Verhältnis um. Ästhetisch-ausgezeichnet ist dann das Absurde, Komische, Bizarre: Baudelaire zitiert ausdrücklich E.T.A. Hoffmann und Poe. [Umkehrung: Hier erscheint die bürgerliche Ordnung als ein falscher Schein; wahr(er) wäre die Unordnung - gedacht als ästhetisch freier Wille.]




Bild: Streptokokken - Dieses Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog.

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