Freitag, 13. Februar 2015
Manier mit explizitem Mythenbezug.
aus Badische Zeitung, 13. 2. 2015 Marsyas III
Mit Bacon’schem Gruselfaktor
Das Haus der modernen Kunst in Staufen zeigt Werke des Dresdener Malers und Kunstprofessors Henri Deparade.
von Hans-Dieter Fronz
Bei lebendigem Leib die Haut abgezogen bekommen. Der griechische Mythos von Marsyas erzählt vom traurigen Schicksal des musikalisch begabten Heros, den der Musengott Apollon zur Strafe dafür, dass er ihn zum Wettkampf im Flötenspiel herausgefordert hatte, an eine Fichte fesseln und häuten ließ. In dem großformatigen Ölgemälde "Marsyas III" von Henri Deparade zu Beginn der Ausstellung im Haus der modernen Kunst in Staufen-Grunern ist die Figurenzuweisung alles andere als eindeutig. Wir sehen mindestens fünf Figuren, aber wer davon ist Apollon, wer der geschundene Flötenspieler? Und wer sind die übrigen drei Gestalten?
Agamemnon, Klytaimnestra und Aigistos
Figuren aus der griechischen Mythologie
Geisterhaft überlagern und durchdringen sie sich, überwiegend aus Umrisslinien bestehend; nicht einmal in sich selbst sind sie handfest greifbar. Zwei aus der Gruppe legen sich wie aus einer Bewegung heraus in verschiedene Gestalten übereinander – eine prägende rhetorische Figur der Ölgemälde sowie Bilder in Öl und Tusche des 1951 geborenen Dresdener Künstlers, der als Professor für Zeichnen und Malen an der Hochschule für Technik und Wirtschaft lehrt.
Ariadne
Flottierende Identitäten (Stichwort "Wer bin ich – und wenn ja, wie viele") und ein Theater der Grausamkeit als wiederkehrende Motive; dazu die Leinwand als Schlachtfeld menschlicher Laster und Leidenschaften. Das Figurenarsenal rekrutiert sich überwiegend aus der griechischen Mythologie: Der Mythos von Ödipus und die Atridensage um Agamemnon, Klytaimnestra und Orest spielen eine bedeutende Rolle, daneben haben so bekannte Mythengestalten wie Odysseus und Penelope oder Narziss ihren Auftritt – auch Bibelfiguren wie Judith und Holofernes. Ein sich wiederholendes Sujet ist die Gier. Die Kämpfe sind auch Wortgefechte – die Bilder zeigen die Figuren mit Vorliebe oratorisch in Aktion: mit geöffnetem Mund und leidenschaftlich bewegter Zunge.
Konfrontation X
Manche Bilder wie "Gier II", "Konfrontation X" oder "Beziehung" sind ohne expliziten Mythenbezug; die Figuren könnte man sich auch im Hier und Heute vorstellen. Die Gegenwärtigkeit der Antike – in der Streitfrage über die Zeitlosigkeit oder Zeitgebundenheit des Menschenwesens nehmen die Bilder unmissverständlich Stellung. "Die Sonne Homers, siehe! Sie lächelt auch uns."
Orestie
Die antiken Geschichten von sex and crime machen – schon motivisch – etwas her, die Figurenzeichnung gefällt sich in kalter Virtuosität. Interessanter erscheint uns die malerische Auflösung der Person in der Auffächerung der Figur. Ich ist ein anderer: In dem Diptychon "Agamemnon und Kassandra" multipliziert sich das Haupt der Unheilverkünderin in fünf oder noch mehr Köpfe. Einmal kommt das Auge des einen an der Stirn eines weiteren Kopfs zu stehen; so mutiert die antike Seherin bildlich zur Zyklopin. Orest aber hat in dem gleichnamigen Triptychon in der buntfarbigen Zerlegung des Haupts einen geradezu Francis Bacon’schen Gruselfaktor.
Haus der modernen Kunst, Ballrechter Str. 19, Staufen-Grunern. Bis 22. Februar, Donnerstag bis Sonntag 15-18 Uhr.
Kassandra und Agamemnon I
Nota. - War Francis Bacons Malerei manieriert? Natürlich war sie das. War sie nichts anderes? Natürlich war sie das. - Also, manieriert sind diese Bilder hier auch. Sind sie nichts anderes? - Nun sitze ich hier schon seit geraumer Zeit und schaue; aber ich finde nichts.
Wollen Sie wissen, warum die guten Stücke "expliziten Mythenbezug" haben, ohne dass man die Figuren identifizieren kann? Weil man sie ohne Unterschriften nicht auseinander zu halten wüsste; sie könnten auch Die drei von der Tankstelle heißen oder Peter und Paul.
JE
Metamorphosen (War es das, was den unglücklichen Vergleich mit Bacon angeregt hat?)
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